André Gunder Frank

Andreas (André Gunder) Frank (* 24. Februar 1929 in Berlin; † 23. April 2005 in Luxemburg) war ein deutschstämmiger Ökonom.

Leben

Andreas Frank ist der Sohn des Schriftstellers Leonhard Frank und dessen zweiter Frau Elena Maqenne Penswehr. 1933 musste er mit seinen Eltern infolge der NS-Machtergreifung Deutschland verlassen. Zuerst ging die Familie in die Schweiz, später in die USA.

Dort studierte er Wirtschaftswissenschaften am Swarthmore College in Pennsylvania und zeigte große Neigungen für die Lehre von John Maynard Keynes. An der University of Chicago, wo er 1957 promovierte, zählte unter anderem der Monetarist Milton Friedman zu seinen Professoren. Nach einer Assistenzprofessur in Michigan begab er sich 1961 auf ausgedehnte Reisen durch Afrika und Lateinamerika und entwickelte dabei eine radikale Theorie der Unterentwicklung und wurde damit ein Begründer der Dependenztheorie.[1] In Chile lernte er seine Frau Marta Fuentes kennen.

Er lehrte an der Universität Brasília und in Mexiko. Von den USA erhielt er wegen seiner radikalen politischen Haltung 1965 ein Einreiseverbot, das erst 1979 außer Kraft gesetzt wurde. In Kanada galt er gar als eine Bedrohung der „nationalen Sicherheit“, erhielt dann aber 1966 eine Gastprofessur in Montreal. Allerdings wollte man ihn auch nicht auf Kuba sehen, und die Regierung der DDR hatte auch keine große Sympathie für ihn.

Ab 1968 veröffentlichte er viele Arbeiten über die „Entwicklung der Unterentwicklung“ in Chile. Als das Militär unter Augusto Pinochet putschte, floh er mit seiner Familie nach West-Berlin, Frankfurt am Main und München. Er arbeitete als Gastforscher am Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg und veröffentlichte zehn Bücher und Essays. Er fand aber keine feste Stellung.

Im Jahre 1978 ging er als Professor ins englische Norwich, danach nach Amsterdam. Als seine Frau gestorben war, zog er nach Toronto und heiratete eine Jugendfreundin, die sich aber wieder von ihm trennte. Danach schrieb er das Werk ReOrient als eine Wirtschaftsgeschichte mit Asien als Schwerpunkt. 1999 in Miami fand er eine neue Partnerin und reiste erneut. In Luxemburg starb er im April 2005 an einer Krebserkrankung.

Werke

  • US-Brazil Economic Relations – A Case Study of American Imperialism. The Radical Education Project, Ann Arbour 1963.
  • Hugo Blanco Must Not Die. University of Toronto, 1967.
  • Kapitalismus und Unterentwicklung in Lateinamerika. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1968.
  • Latein America. Unterentwicklung oder Revolution. Sozialistisches Büro, Offenbach 1969.
    • Latin America: Underdevelopment or Revolution - Essays on the Development of Underdevelopment and Immediate Enemy MR Press, New York 1969.
  • et al., Economia politica del subdesarrollo en America Latina. Ediciones Signos, Buenos Aires 1970.
  • Sociology of Development and Underdevelopment of Sociology. Pluto Press, London 1971.
  • Lumpenbourgeoisie: lumpendevelopment; dependence, class, and politics in Latin America. Monthly Review Press, 1972, ISBN 0-85345-235-0.
  • Lateinamerika: Entwicklung der Unterentwicklung. Wagenbach, 1975.
  • On capitalist underdevelopment. Oxford University Press Bombay 1975, ISBN 0-19-560475-X.
  • Economic Genocide in Chile. Monetarist Theory Versus Humanity. Two Open Letters to Arnold Harberger and Milton Friedman. Spokesman Books, 1976.
  • Weltwirtschaft in der Krise. Verarmung im Norden, Verelendung im Süden. Rowohlt, Reinbek, 1978, ISBN 3-499-14352-6.
  • Dependent Accumulation & Underdevelopment. Macmillan, London 1978, ISBN 0-333-23951-2.
    • Abhängige Akkumulation und Unterentwicklung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980.
  • Crisis: In the World Economy Holmes & Meier, NY 1980, ISBN 0-8419-0583-5.
  • Die europäische Herausforderung. Friede und Arbeit durch europäische Entspannung. Alektor-Verlag der ESG, Stuttgart 1983.
  • et al.: Transforming the Revolution: Social Movements and the World-System. Monthly Review, New York 1990, ISBN 0-85345-808-1.
  • The centrality of Central Asia. VU University Press, Amsterdam 1992.
  • et al.: Kritik des bürgerlichen Anti-Imperialismus. Entwicklung der Unterentwicklung. Acht Analysen zur neuen Revolutionstheorie in Lateinamerika. Wagenbach Rotbuch 15.
  • et al.: The Gulf War and the New World Order (Notebooks for Study and Research. #14) International Institute for Research and Education, Amsterdam.
  • Frank, Andre G: ReOrient. Globalwirtschaft im Asiatischen Zeitalter. Promedia, Wien 2016, ISBN 978-3-85371-404-1.
  • Orientierung im Weltsystem. Von der Neuen Welt zum Reich der Mitte. Promedia, Wien 2005, ISBN 3-85371-238-X.

Literatur und Kritik

  • Mattersburger Kreis für Entwicklungspolitik an den österreichischen Universitäten (Hrsg.); Karin Fischer, Christof Parnreiter (Red.): Was bleibt von der Entwicklung der Unterentwicklung? In Memoriam: Andre Gunder Frank. Mandelbaum-Verlag, Wien 2006. ISBN 978-385-47618-7-7.
  • Barry Gills: In Memoriam: André Gunder Frank (24 February 1929 to 23 April 2005). In: Globalizations, Bd. 2, Nr. 1 (Mai 2005), S. 1–4.
  • Alberto Castrillón Mora: In memoriam. André Gunder Frank (1929–2005). In: Revista de Economía Institucional, Bd. 7 (2005), S. 273–278
  • Ricardo Duchesne: Between Sinocentrism and Eurocentrism: Debating A.G. Frank's Re-Orient. In: Science & Society, Bd. 65 (2001/2002), Nr. 4, S. 428–463.
  • Michael von Hauff: Frank, Andre Gunder. In: Harald Hagemann, Claus-Dieter Krohn (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration nach 1933. Band 1: Adler–Lehmann. Saur, München 1999, ISBN 3-598-11284-X, S. 159–162.
  • Stefan Kalmring: Von der Dependenz- zur Weltsystemtheorie – Ein Nachruf auf Andre Gunder Frank, in: Zeitschrift Sozialismus 6/2005, S. 54–57.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Georg G. Iggers und Q. Edward Wang (Hrsg.): A Global History of Modern Historiography, Harlow: Pearson Longman, 2008, S. 293.