Altes Rathaus (Hannover)

Der weitgehend mittelalterliche Marktflügel
Der jüngste Flügel (Architekt: Conrad Wilhelm Hase) zur Karmarschstraße

Das Alte Rathaus war das erste Rathaus der Stadt Hannover. Es befindet sich in der Altstadt und ist der älteste Profanbau der Stadt. Die ältesten Gebäudeteile am Marktplatz und an der Marktstraße bilden zusammen mit der Marktkirche die südlichste Gebäudegruppe der Norddeutschen Backsteingotik.

Vorgeschichte

Der Rat der Stadt Hannover tagte vor Errichtung des Rathauses an verschiedenen Orten. Belegt ist, dass er ab 1303 im Theater, auf dem Marktkirchhof oder bei der Gerichtslaube zusammenkam.[1]

Baugeschichte

Der 1964 rekonstruierte Schaugiebel von 1453–55 an der Köbelingerstraße mit der Gerichtslaube von 1490

Erste Gebäudeteile wurden im Jahr 1410 errichtet. Danach erfuhr das Gebäude mehrere Umbauten und Erweiterungen. Das ursprüngliche Erdgeschoss wurde durch spätmittelalterliche Verunreinigungen und Aufschüttungen „Am Markte“ zum heutigen Kellergeschoss. Laut der „Hannoverschen Chronik“ wurden im Jahr 1607 zwei neue Gefängnisse im Rathaus eingerichtet.[2] Im Jahr 1844 fand eine Sanierung der Flügel statt und der Apothekerflügel, ein Fachwerkbau des 16. Jahrhunderts, wurde abgebrochen und von August Heinrich Andreae durch das Stadtgericht in Formen der italienischen Renaissance ersetzt.[3] Dieser sogenannten Dogenpalast beherbergt heute das Standesamt. Als zum Ende des 19. Jahrhunderts das alte Rathaus abgerissen werden sollte, formierte sich eine Bürgerinitiative. Das Gebäude blieb letztlich verschont. Der Architekt Conrad Wilhelm Hase ließ das Gebäude 1877 bis 1891 renovieren und dabei den angenommenen Zustand aus der Entstehungszeit wiederherstellen, da dieser als „reiner“ Baustil galt (siehe Rathäuser in der Hannoverschen Architekturschule). Die Fenster des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses waren zwischenzeitlich rechteckig gewesen, aber Bauaufnahmen von Ludwig Droste (1864) und von Hase (in Vorbereitung der Renovierung) zeigen, dass an der Nordwestfassade beide Geschosse und an der Nordostfassade das Erdgeschoss ursprünglich Segmentbogenfenster gehabt hatten. In den 1880er Jahren erhielt der Rathauskomplex durch den Durchbruch der Karmarschstraße eine neue Straßenfront. Hier ließ Hase einen neuen Flügel hinzufügen, im Stil der Neugotik. Dabei orientierte er sich stark an den mittelalterlichen Teilen des Rathauses.

Die Luftangriffe auf Hannover führten 1943 zur teilweisen Zerstörung des Gebäudekomplexes, vor allem seiner ältesten Teile. 1953 fanden Wiederherstellungen statt und 1964 wurde der Schaugiebel an der Westseite rekonstruiert. Im Rahmen einer umfangreichen Sanierung im Jahr 1999 wurde auch der Innenhof umgestaltet und mit einem Glasdach versehen.

Nutzungsgeschichte

Der Rat tagte nach Errichtung des neuen Gebäudes in einem Festsaal im 1. Stock. Darunter befand sich im Erdgeschoss ein Saal, in dem eingeführte Waren eingelagert waren und der später als Ratskeller diente. Das durch Aufschüttungen erhöhte Bodenniveau hatte den Saal zum Keller werden lassen. 1863 verließ die Stadtverwaltung das Alte Rathaus und zog in das Wangenheimpalais. Erst 1913 wurde das in diesem Jahr fertiggestellte Neue Rathaus Sitz der Stadtverwaltung.

Um 1900 hatten in den Fensterbuchten des ehemaligen Erdgeschosses Marktfrauen ihre Stände. Heute befinden sich in der erweiterten Gebäudegruppe des Alten Rathauses auch Restaurationen und Läden. Für Aufsehen sorgte am 19. Juni 2001 ein tödlicher Unfall im Gebäude, bei dem in einer Gastronomie ein Kleinkind von einer umgestürzten Statue erschlagen wurde.

Literatur

  • Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover Bd. 1, H. 2, Teil 1: Denkmäler des "alten" Stadtgebietes Hannover. Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Schulzes Buchhandlung, Hannover 1932, S. 345–369 (Digitalisat im Internet Archive); Nachdruck: Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1.
  • Conrad Wilhelm Hase. Baumeister des Historismus. Ausstellungskatalog. Historisches Museum am Hohen Ufer, Hannover 1968, S. 24–26: Restaurierung 1877–1891.
  • Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Rathaus. In: Hans-Herbert Möller (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, Band 10.1. ISBN 3-528-06203-7, S. 54ff.
  • Helmut Knocke: Altes Rathaus. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 21f.

Weblinks

Commons: Altes Rathaus Hannover – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Arnold Nöldeke: Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Bd. 1, H. 2, Teil 1: Denkmäler des „alten“ Stadtgebietes Hannover. Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Schulzes Buchhandlung, Hannover 1932, S. 345–369, hier S. 345.
  2. Art. Gefängnisse. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover, Schlütersche, Hannover 2009, S. 206
  3. Jager, Albrecht, Huntebrinker (Hg.): Conrad Wilhelm Hase (1817–1902), Michael Imhof Verlag, 2019, ISBN 978-3-7319-0904-0 → Charlotte Hopf: Wohnhäuser, städtische und öffentliche Bauten → S. 67–72

Koordinaten: 52° 22′ 17″ N, 9° 44′ 9″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

Hannover Altstadtrathaus 1875.jpg
Autor/Urheber:

Benutzer:Nifoto

, Lizenz: Bild-PD-alt

Altstadtrathaus Hannover 1875

Hannover old town hall northwestern side Am Markte Mitte Hannover Germany.jpg
Autor/Urheber: Christian A. Schröder (ChristianSchd), Lizenz: CC BY-SA 4.0
Altes Rathaus von Hannover, nach Nordwesten weisende Rückseite, Am Markte, im Stadtteil Mitte von Hannover.
Der Marktplatz zu Hannover 1834.jpg
Der Marktplatz zu Hannover 1834. Lithografie von Rudolf Wiegmann. Der Marktplatz wird im Hintergrund durch das Alte Rathaus begrenzt. Über der Ratsapotheke erhebt sich der Turm der Aegidienkirche. Das Haus mit dem Treppengiebel rechts im Vordergrund ließ Tönnies Limburg 1558 erbauen. Die Marktkirche links im Vordergrund besitzt noch ihr gotisches Portal, das im 17. und 18. Jahrhundert verändert wurde. Auch ihre Anbauten sind 1834 noch vorhanden.
Bundesarchiv Bild 146-2005-0150, Hannover, zerstörter Festsaal des Rathauses.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 146-2005-0150 / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Hannover
Altes Rathaus-Festsaal
Hannover Marktkirche mit Rathaus (um 1895).jpg
Hannover. Marktkirche mit Rathaus.
Koebelinger Strasse, Hannover 1827 Robert Batty J. Redaway.jpg
Die Köbelinger Straße, Hannover.

An den Kirchturm ist noch das 1857 abgebrochene "Buchbinderhäuschen" angelehnt. Links daneben steht ein einfacher Verschlag für Lagerung und Verkauf von Marktwaren. Direkt links neben dem Kirchturm stehen noch die zwei 1884 abgebrochenen Häuser in der verlängerten Knochenhauerstraße, anstelle derer sich heute der Hans-Lilje-Platz befindet als nördliche Erweiterung des Marktplatzes. Die Werkstein-Fassade des hinteren der beiden Häuser, Architekt Andreas Siemerding, wurde 1884 abgetragen und vor einen "Neubau" in der Lavesstraße gesetzt (dort heute Haus Nummer 82).

Rechts vor dem Kirchturm steht noch das ursprüngliche Alte Rathaus mit der Gerichtslaube davor. Vom erst 1890 erfolgten Durchbruch der Grupenstraße (heute: Karmarschstraße) ist noch nichts zu sehen, an das Rathaus schließt die alte Fachwerkhaus-Bebauung nahtlos an: An das alte Rathaus grenzt noch der 1565/66 anstelle des alten Schuhhofes angebaute sogenannte Apothekenflügel: Dieses Haus der Ratsapotheke zeigte im Obergeschoß ein besonders reich gestaltetes Fachwerk, mußte aber 1842 dem sogenannten Dogenpalast weichen, in dem heute die standesamtlichen Hochzeiten stattfinden. Die Apotheke wurde später, 1842, in das auf dem Bild zu sehende, gegenüberliegende Haus des Stadtkommandanten verlegt: Davor, vorne links, sieht man noch einen Wachposten mit geschultertem Gewehr und aufgesetztem Bajonett.
Hannover old townhall Karmarschstrasse Mitte Hannover Germany 02.jpg
Autor/Urheber: Christian A. Schröder (ChristianSchd), Lizenz: CC BY-SA 4.0
Altes Rathaus von Hannover an der Karmarschstraße (im Bild) und Schmiedestraße im Stadtteil Mitte von Hannover.
1872-06 anonymer Autor Albuminfotografie Marktstraße Hannover mit Marktkirche.jpg
Mit Bleistift in englischer Sprache handschriftlich

Hanover June 1872“

datierter Albuminabzug einer Fotografie durch die Marktstraße von Hannover mit Blick in Richtung Marktkirche. Die Aufnahme eines nicht genannten Fotografen zeigt insbesondere im Vordergrund links die an das Alte Rathaus angrenzenden Häuser vor deren Abbruch zugunsten des Durchbruchs der - damaligen - Grupenstraße, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg als Verlängerung der Karmarschstraße ebenfalls nach dem Direktor der späteren Leibniz Universität umbenannt wurde. Anstelle der an das alte Rathaus angrenzenden Gebäude errichtete der Architekt Conrad Wilhelm Hase später den südlichen Anbau im Stil der Neugotik ...
Karl F. Wunder Hannover 26 Ansichten nach künstlerischen Aufnahmen 13.jpg
„Hannover – 26 Ansichten nach künstlerischen Aufnahmen“ von Karl F. Wunder. – Altes Rathaus.