Alraune und der Golem

Film
OriginaltitelAlraune und der Golem
ProduktionslandDeutschland
OriginalspracheDeutsch
Erscheinungsjahr1919
Stab
RegieNils Chrisander
DrehbuchRichard Kühle, nach Achim von Arnim und Hanns Heinz Ewers
ProduktionDeutsche Bioscop GmbH Berlin
KameraGuido Seeber
Besetzung

Alraune und der Golem ist der Titel eines deutschen Stummfilmdramas, das der schwedische Regisseur Nils Chrisander 1919 nach einem Drehbuch des Münchener Schriftstellers Richard Kühle für die Deutsche Bioscop GmbH Berlin inszenierte. Es ist den Genres Phantastischer Film und Horrorfilm zuzuordnen, denn Kühle versuchte, zwei damals aktuelle[1] Motive um den „Künstlichen Menschen“, das der durch artifizielle Insemination entstandenen Alraune und das des aus Lehm geformten Golem, zu verbinden. Die literarischen Vorlagen zu dem Roman, den er 1920 nach seinem Drehbuch publizierte, lieferten ihm Achim von Arnim mit seiner Erzählung „Isabella von Aegypten“ von 1812 und mittelbar Hanns Heinz Ewers mit seinem Roman „Alraune“ von 1911.

Handlung

„Isabella ist die Tochter des Zigeunerbarons Michael, der unschuldig gehenkt wurde, nachdem er zwei Landsleuten geholfen hatte. Sie wird von der alten Zigeunerin Braka aufgezogen. Von Geblüt dem Zigeuneradel angehörig, verfügt sie jedoch nicht über große Reichtümer. Braka erzählt ihr die Legende von der Mandragora, der Alraune. In dieser Fassung der Legende besitzt die Mandragora, eine Kreatur aus den Wurzeln, die aus den Tränen eines Gehenkten gewachsen sind, die Kraft, verborgene Schätze ausfindig zu machen. Isabella beschließt, die Hinrichtung ihres Vaters zu benutzen, um diese Kreatur zum Leben zu erwecken. Der Gnom erhält den Namen Cornelius und Isabella beginnt, eine seltsame Neigung zu ihm zu entwickeln.“[2]

Der Verfasser des Artikels “Des Golems Auferstehung” in Der schwarze Bär (1919), Nr. 3[3] verrät über den Inhalt:

„Wir hatten Gelegenheit, in das grundlegende Manuskript Einsicht zu nehmen, das nach einem Roman Achim von Arnims gearbeitet ist. Es knüpft an an jene alte Geschichte, die uns erzählt, dass man in einer Mondnacht unter dem Galgen von drei Gehängten mit Hilfe eines schwarzen Hundes das Alraun-Männchen zum Leben erwecken könne. Dieser Alraunzwerg hätte die Macht, verborgene Schätze zu heben. Auf der Suche nach Reichtümern stört er den Golem in seiner Grabesruhe und zieht mit ihm auf Abenteuer aus. Eine interessante pikante Liebesgeschichte bildet den Grundriss der Handlung, die vor allen Dingen von starker dramatischer Wirkung ist.“

Hintergrund

Der Film entstand im Bioscop-Atelier Neubabelsberg, Potsdam und wurde als „Riesenbioskopfilm“ beworben. Der Aachener Graphiker und Plakatkünstler Jupp Wiertz schuf zum Film die Kinoplakatentwürfe[4] sowie eine Reihe von Künstlerpostkarten,[5] die im Verlag der Deutschen Bioscop Neubabelsberg erschienen.

Für die Photographie zeichnete Guido Seeber verantwortlich, dessen Mitwirkung („Aufnahmen: Guido Seeber“), wie auch der Umstand, dass der Film „ausserhalb jeder Serie“ erscheine, auf den Plakaten eigens hervorgehoben wurden. Zu Seeber und über die szenische Ausstattung verlautete Der schwarze Bär 1919:[6]

„… interessante Trick-Aufnahmen und Beleuchtungs-Effekte, für deren Güte der Name Seeber wohl genügend Garantie bietet. Jede Szene wird nach besonderen Originalentwürfen hergestellt, für die ein namhafter Innen-Architekt gewonnen ist.“

Seeber hatte bereits bei den Filmen „Der Student von Prag“ und „Der Golem“, die ebenfalls dem phantastischen Genre zuzurechnen sind, hinter der Kamera gestanden und mit seiner Kunst zu deren Erfolg beigetragen.[7]

Von den Mitwirkenden ist nur wenig bekannt. GECD #17352 nennt die beiden Schauspielerinnen Uschi Elleot und Ilse Wilke. Als Golem könnte Paul Wegener aufgetreten sein, den man mit dieser Rolle[8] seit seinen beiden Golem-Filmen von 1913 und 1917 verband; ein Jahr später war er darin erneut in dem Film “Der Golem, wie er in die Welt kam” zu sehen.

Rezeption

Eine Vorankündigung war Anfang 1919 unter dem Titel „Des Golems Auferstehung“ in der Nr. 3 der Fachzeitschrift Der schwarze Bär, Neues aus der Welt des Films in Berlin[9] abgedruckt worden.

Laut GECD #17352 wurde der Film erwähnt in:

  • Das lebende Bild (lb) No. 30, 1919
  • Filmwelt No. 29/39, 1919
  • Erste Internationale Kinematographenzeitschrift No. 40, 1919
  • Literatur, Kunst und Kino No. 5, 1919

Der Film gilt als eines der großen Rätsel der Filmgeschichte, denn zu „Alraune und der Golem“ sind lediglich Plakate und Postkarten, aber keine Standbilder überliefert.[10]

Laut dem Aufsatz Frankenstein Themes in Silent Films[11] wurde der Film nur angekündigt, aber nie realisiert: „Completing the silent Alraune saga, one of the most tantalizing of all unmade films must be Alraune und der Golem, announced in 1919. It might have been the first “monster rally”. A series of beautiful posters were produced, but the project never made it to the screen.“

Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung registriert „Alraune und der Golem“ als Kurzfilm.[12]

Literatur

  • Gerald Bär: Das Motiv des Doppelgängers als Spaltungsphantasie in der Literatur und im deutschen Stummfilm. (= Internationale Forschungen zur allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft. Band 84). Verlag Rodopi, 2005, ISBN 90-420-1874-7, S. 643.
  • Norbert Borrmann: Frankenstein und die Zukunft des künstlichen Menschen. Verlag Hugendubel, 2001, ISBN 3-7205-2187-7, S. 72, 170 u. 334.
  • Anjeana K. Hans: Gender and the Uncanny in Films of the Weimar Republic. Verlag Wayne State University Press, 2014, S. 217, 222–223, 293, 298.
  • Reinhold Keiner: Hanns Heinz Ewers und der phantastische Film. Verlag Olms, 1988, ISBN 3-487-09050-3, S. 44.
  • Richard Kühle: Alraune und der Golem: Nach d. gleichnamigen Kolossal-Film d. Rheinlicht-Bioskop. Verlag Gerold, Wien 1920.
  • Richard Kühle: Alraune und der Golem. Goblin Press, Büdingen 2015, DNB 1138950599.
  • Gerhard Lamprecht: Deutsche Stummfilme. Band 19 No. 8. Deutsche Kinemathek, Berlin 1969.
  • O. Verf. (Alfred Rosenthal ?): Des Golems Auferstehung. In: Der schwarze Bär, Neues aus der Welt des Films. Nr. 3, Berlin 1919.
  • Christoph Roos: Homunculus. Bei blogspot.de, Montag, 13. Februar 2017.
  • Lieselotte Sauer: Marionetten, Maschinen, Automaten: der Künstliche Mensch in der deutschen und englischen Romantik. Verlag Bouvier, 1983, S. 29, 34, 190.
  • Stiftung Deutsche Kinemathek (Hrsg.): Das wandernde Bild. Der Filmpionier Guido Seeber. Elefanten Press Verlag, Berlin (West) 1979, EP 23, S. 70 und S. 74.
  • Christy Wampole: Rootedness: The Ramifications of a Metaphor. Verlag University of Chicago Press, 2016, ISBN 978-0-226-31779-3, S. 34.
  • Peter Weiss, Karl Stehle: Reklamepostkarten. Springer-Verlag, 2013, S. 112 Nr. 205.
  • Friedrich von Zglinicki: Der Weg des Films. Geschichte der Kinematographie und ihrer Vorläufer. Rembrandt Verlag, Berlin 1956.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Des Golems Auferstehung. In: Der schwarze Bär. 1919, Nr. 3: „Alraune und der Golem. Wie kommen diese beiden merkwürdigen Geschöpfe zusammen? so fragt jeder, der diesen Titel nennen hört, und zwar mit außerordentlichem Interesse, weil auch Alraune als Film in der letzten Zeit sehr viel von sich reden machte.“ Das kann sich damals nur beziehen auf: Alraune, Regie: Mihály Kertész, 1918; Alraune, die Henkerstochter, genannt die rote Hanne, Regie: Eugen Illés, 1918.
  2. «...(Isa)Bella is the daughter of Michael, a gypsy duke. Michael is innocently hung for defending two fellow gypsies. Bella is brought up by the old gypsy Braka. Being of royal gypsy blood does not provide Bella with much wealth. Braka tells her the legend of the Mandrake (Alraune). In this version of the folklore, the Mandrake (a creature created from the roots formed from a hung man's tears) is able to locate treasure. Bella decides to use her father's hanging to bring life to the creature. The imp is dubbed Cornelius and Bella develops a strange affection for him...». (zit. nach cinemedioevo.net)
  3. zit. nach: Das wandernde Bild. 1979, S. 70.
  4. 2 Kinoplakate zu dem „Riesenbioskopfilm“ „Alraune und der Golem“
  5. Abbildungen: Farbige Werbepostkarte von Jupp Wiertz für den Film „Alraune und der Golem“. Farbige Werbepostkarte von Jupp Wiertz für den Film „Alraune und der Golem“. Farbige Werbepostkarte No. 6 von Jupp Wiertz für den Film „Alraune und der Golem“.
  6. Zit. nach Das wandernde Bild. 1979, S. 70.
  7. Des Golems Auferstehung. 1919: „Von den Werken der Deutschen Bioscop zum Beispiel ist hierzu der Student von Prag und der Golem zu rechnen, zwei Meisterwerke, die den Weltruf Guido Seebers begründeten.“ Zit. nach Das wandernde Bild. 1979, S. 70.
  8. Sowohl die Plakatentwürfe als auch die Postkarten von Wiertz zeigen den Golem in der charakteristischen Maske Wegeners. Der Entwurf der Golem-Maske stammte von dem Bildhauer Rudolf Belling, vgl. Borrmann: Frankenstein und die Zukunft. 2001, S. 170 (Abb. 32).
  9. herausgegeben von der Rheinischen Lichtbild AG., zu ihren Gründern gehörte der Filmjournalist „Aros“ (Alfred Rosenthal), vgl. Ewald Sattig: Die deutsche Filmpresse. Verlag Brehmer & Minuth, 1937, S. 26 und Irene Stratenwerth, Hermann Simon, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Iudaicum (Hrsg.): Pioniere in Celluloid: Juden in der frühen Filmwelt. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Centrum Judaicum Berlin vom 2. Februar 2004 bis Mai 2004. Henschel Verlag, Berlin 2004, S. 83.
  10. und keine zeitgenössische Kritiken, so yuggoth bei goblinpresshp (Memento des Originals vom 22. September 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/goblinpresshp.wordpress.com: „ALRAUNE UND DER GOLEM [...] Lars Dangel hat eines der letzten Exemplare dieses 1921 erschienenen Romans zum gleichnamigen Film entdeckt, der als eines der großen Rätsel der Filmgeschichte gilt, existieren doch außer der Literaturvorlage lediglich Plakate, aber keine Standbilder oder zeitgenössische Kritiken. Der Film wird wohl – falls er überhaupt jemals gedreht wurde – für alle Zeit verloren bleiben ...“ (4. Okt.2015)
  11. frankensteinia.blogspot.de March 31, 2012.
  12. vgl. Alraune und der Golem bei der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung.