Alicja Kwade

© Oliver Mark, CC BY-SA 4.0
Alicja Kwade, porträtiert von Oliver Mark, Berlin 2014

Alicja Kwade (* 1979 in Kattowitz) ist eine deutsche Künstlerin polnischer Herkunft, die vor allem als Bildhauerin und Installationskünstlerin aktiv ist, sich aber auch in den Medien Video und Photographie betätigt hat. Kwade zählt „[…] zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern […]“[1] und gilt als eine der „[…] spannendsten und gefragtesten Künstlerinnen weltweit […]“[2].

Leben

Alicja Kwade wurde 1979 in der polnischen Industriestadt Katowice als Tochter einer Kulturwissenschaftlerin mit einem Fokus auf slawische Sprachen sowie eines Kunsthistorikers und Konservators geboren. Sie war schon früh künstlerisch begabt. Der Vater hielt kleine Zeichenwettbewerbe zwischen ihr, ihrem Bruder und ihren Cousins ab, für die er als Preis einen Kaugummi aus dem Westen auslobte.[3] Als Kwade acht Jahre alt war, floh die Familie unter dem Vorwand, die Hochzeit eines Verwandten in Frankreich besuchen zu wollen, in die Bundesrepublik Deutschland. Um an der Grenze keinen Verdacht mit harter Währung zu erregen, versteckte ihr Vater eingeschmolzenes Gold in den Autoscheinwerfern und -türen, während die Mutter Dollarscheine in den Kleidern der Kinder verbarg und diese laut Alicja Kwade angehalten habe, sich schlafend zu stellen.[3] Die Familie ließ sich in Hannover nieder, wo Kwade bis zu ihrem Umzug nach Berlin für das Kunststudium aufwuchs.[4]

Von 1999 bis 2005 studierte Kwade an der Universität der Künste Berlin, unter anderem bei Dieter Hacker und Christiane Möbus, deren Meisterschülerin sie war.[5] Das Studium finanzierte sie sich durch zahlreiche Nebenjobs, unter anderem in einer Sicherheitsfirma. An der UdK lernte sie auch den Maler Gregor Hildebrandt kennen, mit dem sie eine bis in die Gegenwart andauernde Beziehung einging.[6] Bereits vor ihrem Studium und in der Grundlehre probierte sie verschiedene künstlerische Ausdrucksformen aus und verwarf die Malerei für sich. Stattdessen arbeitete sie zu Beginn ihrer Karriere oft mit Video und Photographie, unter anderem auch, weil ihre ökonomische Situation größere Skulpturen oder Installationen nicht zuließ.[7] 2002 verbrachte Kwade ein Erasmus-Jahr am Chelsea College of Art and Design in London. Von 2002 bis 2005 erhielt sie ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes und in den Jahren 2005 und 2006 ein Stipendium nach dem Nachwuchsförderungsgesetz. In den Jahren 2006 und 2007 folgte zudem ein durch ein Postgraduiertenstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ermöglichter Aufenthalt in Warschau.[8]

Bereits zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn erhielt Kwade einige Preise: So erreichte sie im Rahmen des durch die Investitionsbank Berlin ausgelobten Förderpreises für Fotografie 2005 den zweiten Platz. 2007 belegte sie ebenfalls den zweiten Platz beim Kunstpreis Junger Westen für Skulptur, der durch die Kunsthalle Recklinghausen verliehen wurde.[8] Bedeutend war die Verleihung des Piepenbrock-Förderpreises für Skulptur im Jahr 2008, der nicht nur mit 12.500 Euro dotiert war, sondern ihr auch eine Gastprofessur an der Universität der Künste in Berlin eintrug. Obwohl Jens Hinrichsen im Tagesspiegel kritisierte, dass die Broschüre zur Ausstellung der Preisträgerinnen im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart verschwieg, dass Kwade Meisterschülerin von Christiane Möbus war, die der Jury des Preises angehörte, beurteilte er die rund zwanzig ausgestellten Werke als „[…] durch Lakonie, Eleganz und feinen Witz [überzeugend.]“[9]

Kwade hatte ihr erstes Atelier im Wedding und zog dann in die Sickingenstraße in Moabit. Von 2008 bis 2011 teilte sie sich mit Thomas Kiesewetter ein Atelier am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg. Als Kiesewetter auszog, übernahm Kwade Ende 2011 dessen größere Räumlichkeiten. 2012 verlegte sie ihre Arbeitsräumlichkeiten nach Weißensee, 2018 bezog sie dann ein Studio in Oberschöneweide in der Nachbarschaft von Olafur Eliasson, Christian Jankowski und Jorinde Voigt.[7][4] In ihrem Studion beschäftigt Kwade zehn festangestellte und fünfzehn freie Mitarbeiter. Zudem lässt sie viele der in ihren Kunstwerken verwendeten Elemente in Handwerksbetrieben produzieren.[7]

Im Jahr 2010 wurde Kwade das Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes zuerkannt, 2011 der Robert-Jacobsen-Preis sowie das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds und das Bremerhaven-Stipendium verliehen.[8] 2012 war sie Artist in Residence in Le Vauclin auf Martinique.[10] Von der Kunsthalle Mannheim erhielt Kwade zudem 2015 den Hector-Kunstpreis der Kunsthalle Mannheim.[8] Im Verlauf ihrer künstlerischen Laufbahn wurde Kwade in bedeutenden Institutionen weltweit gezeigt, ist mit Werken in den Sammlungen internationaler Museen vertreten und erhielt prestigeträchtige Aufträge: So fanden Ausstellungen von ihr unter anderem im Kunstmuseum St. Gallen, der Whitechapel Art Gallery in London, der Berlinischen Galerie, dem MIT List Visual Art Center in Cambridge, MA, dem EMMA - Espoon modernin taiteen museo in Helsinki und dem Yuz Museum in Shanghai statt. Im Jahr 2017 war sie in der zentralen Ausstellung Viva Arte Viva der Biennale di Venezia, die von Christine Macel kuratiert wurde, vertreten. In der letzten Station der Ausstellung, dem The Pavilion of Time and Infinity, war sie unter anderem mit der Arbeit WeltenLinie vertreten. Zudem zeigte sie vor dem Arsenal Pars pro Toto, eine Installation aus großen, auf dem Boden platzierten Steinkugeln.[11] Anlässlich der Biennale schoss Mario Testino eine Photostrecke mit dem Model Birgit Kos für die Zeitschrift Vogue. In einer Gruppenaufnahme war auch Kwade vertreten.[12] 2019 schuf Kwade die Installation ParaPivot im Rahmen der renommierten Roof Garden Commission des Metropolitan Museum of Art in New York City.

Ausstellungen

Literatur

  • Kelly Baum, Sheena Wagstaff, Alicja Kwade. ParaPivot. The Roof Garden Commission, New York 2019, ISBN 9781588396679.
  • Iwona Blackwick, Daniel F. Hermann, Cameron Foote, Alicja Kwade. Medium Median, London 2017, ISBN 9780854882540.
  • Kimberly Bradley, Cosmic Girl, in: ArtReview, Vol. 65, Nr. 9 (2013), S. 74–91.
  • Helene Gamst, Roulette Russe (Hrsg.), Alicja Kwade. In Aporie, Berlin 2019, ISBN 9783775745444.
  • Nathalie Küchen, Alicija Kwade, in: Georg-Kolbe-Museum (Hrsg.), Vanitas – Ewig ist eh nichts, Berlin 2014, S. 56.
  • Rachel Wetzler, Alicja Kwade, in: Art in America, Vol. 104, Nr. 8 (2016), S. 145–146.

Weblinks

Commons: Alicja Kwade – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Paulina Hildesheim, Sagen Sie jetzt nichts. Ihr Vernissagen-Gesicht, Alicja Kwade?, in: Zeit Magazin, 18. November 2021, abgerufen am 17. April 2022.
  2. Deutsche Welle, Kultur.21, Oben angekommen. Die weltkünstlerin Alicja Kwade, 9. Oktober 2021, abgerufen am 17. April 2022.
  3. a b Thomas Rogers, On the Met Roof. Alicja Kwade’s Test of Faith, in: New York Times, 29. März 2019, abgerufen am 16. April 2022.
  4. a b Sarah Elsing, Alicjas Wunderland, in: Die Welt, 25. Dezember 2011, abgerufen am 16. April 2022.
  5. Datensatz auf kunstaspekte.art, abgerufen am 16. April 2022.
  6. Michael Zöllner, Alicja Kwade im Wunderland, in: B.Z., 5. März 2012, abgerufen am 17. April 2022.
  7. a b c Kevin Hanschke, In the Studio. Alicja Kwade, Berlin, Interview mit der Künstlerin, 2021, abgerufen untercollectorsagenda.com am 16. April 2022.
  8. a b c d Profil auf artnet.com, abgerufen am 16. April 2022.
  9. Jens Hinrichsen, Ticktack. Preisgekrönt: Alicja Kwade im Hamburger Bahnhof, in: Tagesspiegel, 1. Juli 2008, abgerufen am 16. April 2022.
  10. Informationen zu Kwades Residency auf martinique-art.com, abgerufen am 16. April 2022.
  11. Ederica Lusiardi, Venice Art Biennale 2017 “Viva Arte Viva”. Core Exhibition at Arsenale, in: inexhibit.com, 10. August 2017, abgerufen am 17. April 2022.
  12. Mario Testino, New Model Star Birgit Kos Takes Venice in the Chicest Vacation-Ready Looks, in: Vogue, 26. Juli 2017, abgerufen am 17. April 2022.
  13. KulturSPIEGEL 4/2011 (abgerufen am 5. November 2012)
  14. Kunstmuseen Krefeld Ausstellungen Archiv (Memento des Originals vom 13. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kunstmuseenkrefeld.de
  15. Mitteilung zur Ausstellung im Georg Kolbe Museum (Memento vom 1. Oktober 2014 im Internet Archive), abgerufen am 28. September 2014
  16. Alicja Kwade (Memento vom 7. Januar 2015 im Internet Archive), abgerufen am 6. Januar 2015.
  17. Das Pendel der Zeit in FAZ vom 26. März 2015, S. 36.
  18. Vorschau - Kunsthalle-Mannheim (DE). (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 16. August 2017; abgerufen am 16. August 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/kuma.art
  19. Commission: Alicja Kwade – Whitechapel Gallery. In: Whitechapel Gallery. September 2016 (whitechapelgallery.org [abgerufen am 16. August 2017]).
  20. The 10 Best Things We Saw at the Venice Biennale. Abgerufen am 16. August 2017.
  21. LinienLand, Haus Konstruktiv. Abgerufen am 12. November 2019.
  22. Aktuelle Ausstellungen : Kunsthalle zu Kiel. Abgerufen am 20. April 2018.
  23. Out of Ousia, Kunsthal Charlottenborg. Abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
  24. TRANS-FOR-MEN, EMMA – ESPOO MUSEUM OF MODERN ART. Abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
  25. GLANCES, Blueproject Foundation. Abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
  26. The Resting Thought, Centre de Création Contemporaine Olivier Debré – CCCOD. Abgerufen am 12. November 2019 (französisch).
  27. The Roof Garden Commission: ParaPivot. The Metropolitan Museum, New York, abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
  28. In Between Glances, MIT List Visual Arts Center. Abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
  29. Künstlerin Alicja Kwade in der Langen Foundation in Neuss, WDR vom 19. September, abgerufen am 23. September 2020
  30. Alicja Kwade in der Berlinischen Galerie, Museum für Moderne Kunst, abgerufen am 4. Dezember 2021

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