Alheydis Plassmann

Alheydis Plassmann (* 10. August 1969 in Bad Homburg vor der Höhe) ist eine deutsche Historikerin. Ihr Forschungsinteresse gilt der deutschen und englischen Geschichte des Frühmittelalters, der Staufer, der Welfen und der Normannen. Plassmann ist auch mit zahlreichen Studien zur Origo gentis hervorgetreten. Sie ist seit 2013 Mitherausgeberin der Rheinischen Vierteljahrsblätter.

Leben und Wirken

Alheydis Plassmann studierte von 1988 bis 1993 an den Universitäten Bonn, Freiburg und Aberystwyth. Von 1994 bis 1997 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bonn. Sie wurde 1997 bei Rudolf Schieffer an der Universität Bonn mit einer Arbeit über den Hof Friedrich I. Barbarossas promoviert. Ihre Habilitation erfolgte im Jahr 2004 ebenfalls in Bonn mit der Arbeit Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen. Sie war von 2004 bis 2011 Oberassistentin am Lehrstuhl von Matthias Becher in Bonn. Im Sommersemester 2008 hatte sie eine Lehrstuhlvertretung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg inne, ebenso im Sommersemester 2009 und Wintersemester 2009/10 für Hans-Werner Goetz an der Universität Hamburg. Im Sommersemester 2010 lehrte sie als Vertretungsprofessorin für Johannes Laudage an der Universität Düsseldorf. Im Wintersemester 2011/12 hatte sie eine Lehrstuhlvertretung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seit November 2011 ist sie Mitarbeiterin am Institut für Geschichtswissenschaft, Abteilung für Rheinische Landesgeschichte in Bonn. In dieser Funktion ist sie seit Bd. 77 (2013) Redakteurin und Mitherausgeberin der Rheinischen Vierteljahrsblätter. Seit November 2014 ist sie Mitglied des Forschernetzwerks „The Angevin Empire“.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind insbesondere die deutsche und englische Geschichte im (Früh)mittelalter, die Welfen, die Staufer und die Normannen. Ihre Bonner Dissertation befasst sich mit der personellen und regionalen Struktur des Hofes Barbarossas.[1] Die Arbeit verfolgt das Ziel, „Einblicke in die Struktur des Hofes und die Zusammenarbeit von König, Adel und Geistlichkeit“ zu gewähren.[2] Zusätzlich ergibt sich durch die lange Regierungszeit dieses Herrschers die Möglichkeit, „Tendenzen der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung genauer nachzuspüren“.[3] Als ein Ergebnis stellt Plassmann fest, dass es Friedrich gelang, alle sozialen Gruppen, wenn auch mit regionalen und zeitlichen Unterschieden, „zur Mitarbeit in der Reichspolitik zu ermuntern“.[4]

Mit ihrer Bonner Habilitationsschrift will Plassmann die Frage beantworten, „auf welche Weise die Herkunftserzählung Identität stiftet und wie sie die bestehende Ordnung der eigenen Zeit legitimiert.“[5] Sie konzentriert sich in ihrer Untersuchung auf mittelalterliche Autoren ganz unterschiedlicher Herkunft. Dabei befasst sie sich mit Gildas, Gregor von Tours, Fredegar, Paulus Diaconus, Dudo von Saint-Quentin, Widukind von Corvey, Gallus Anonymus und Cosmas von Prag. Der Zeitraum erstreckt sich damit vom frühen 6. bis zum 12. Jahrhundert. Ihre Darstellung gilt als einschlägig für die zukünftige Beschäftigung mit einer Origo gentis.[6] Zur Origo gentis hat Plassmann zahlreiche weitere Studien veröffentlicht.[7] Dabei hat sie die Forschungsmeinung über die Historia Welforum, die vielfach als einzigartiges Werk adligen Selbstverständnisses gewertet worden ist[8], revidiert. Plassmann sieht diese im Vergleich mit westeuropäischen Zeugnissen des 12. Jahrhunderts aus Anjou und Flandern als zeittypische, kontinuitäts- und identitätsstiftende adlige Herkunftsgeschichte.[9] Über Paulus Diaconus kam sie zum Ergebnis, dass dieser mit der Historia Langobardorum zwar die Gattung der Origio gentis benutzte, jedoch kein besonderes Interesse an einer Identitätsstiftung für die Langobarden hatte, sondern „die fränkische Herrschaft in Italien legitimieren und Leitfäden für das richtige Verhalten auf dem schwierigen politischen Parkett zur Verfügung stellen“ wollte.[10]

Bereits in ihrer ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung aus dem Jahr 1995 hatte sich Plassmann mit den Normannen befasst.[11] Im Jahr 2008 legte sie eine Überblicksdarstellung zu den Normannen vor. Ziel der Arbeit ist es, „das komplexe Zusammenwirken von Identität der Normannen mit der Anpassung an und Abgrenzung von Anderen, von ihren Eroberungen mit den strukturellen Voraussetzungen und von ihrem Machtwillen mit den Integrationsprozessen darzulegen“.[12] Der Schwerpunkt ihrer Darstellung liegt auf England (S. 160–288), während sie die süditalienischen Verhältnisse wesentlich knapper (S. 104–159) behandelt.

Im Jahr 2009 veranstaltete Plassmann gemeinsam mit Matthias Becher die Tagung „Streit am Hof im frühen Mittelalter“. Dabei wurde Streit am Königshof als „die Aushandlung gegensätzlicher Interessen im Streit“ aufgefasst.[13] Die 16 Beiträge wurden 2011 veröffentlicht.[14]

Im Jahr 2015 konnte die Pfarrei St. Petrus 1000 Jahre Kirche im Bonner Norden feiern. Kaiser Heinrich II. schenkte im Februar 1015 dem Bonner Nonnenkloster St. Petrus ein Gut in (Königs-)Winter. Die Pfarrei nutzte den Beurkundungsakt als Anknüpfungspunkt für die Jubiläumsfeierlichkeiten. Zu diesem Jubiläum gab Plassmann einen Sammelband mit elf Beiträgen heraus.

Seit 2016 ist sie Mitglied im Bonner SFB 1167 (Macht und Herrschaft – Vormoderne Konfigurationen in transkultureller Perspektive) und leitet das Teilprojekt 15: „Englische Königsherrschaft im Spiegel der Tyrannenschelte (1066–1216)“.[15]

Schriften

Monografien

  • Die Normannen. Erobern – herrschen – integrieren (= Kohlhammer-Urban-Taschenbücher. 616). Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-018945-4.
  • Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen (= Orbis mediaevalis. 7). Akademie-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-05-004260-5.
  • Die Struktur des Hofes unter Friedrich I. Barbarossa nach den deutschen Zeugen seiner Urkunden (= Monumenta Germaniae Historica. Studien und Texte. Bd. 20). Hahn, Hannover 1998, ISBN 3-7752-5420-X (Zugleich: Bonn, Universität, Dissertation, 1997).

Herausgeberschaften

  • mit Michael Rohrschneider, Andrea Stieldorf: Herrschaftsnorm und Herrschaftspraxis im Kurfürstentum Köln im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (= Studien zu Macht und Herrschaft. Bd. 11). V&R unipress – Bonn University Press, Bonn 2021, ISBN 978-3-8471-1275-4.
  • mit Dominik Büschken: Staufen and Plantagenets. Two Empires in Comparison (= Studien zu Macht und Herrschaft. Bd. 1). V&R unipress – Bonn University Press, Bonn 2019, ISBN 978-3-8471-0882-5.
  • mit Matthias Becher: Streit am Hof im frühen Mittelalter (= Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike. Bd. 11). V & R Unipress – Bonn University Press, Göttingen 2011, ISBN 978-3-89971-884-3.
  • 1000 Jahre Kirche im Bonner Norden. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2015, ISBN 978-3-87707-960-7.
  • mit Karina Kellermann und Christian Schwermann: Criticising the Ruler in Pre-Modern Societies - Possibilities, Chances, and Methods / Kritik am Herrscher - Möglichkeiten, Chancen, Methoden (= Macht und Herrschaft. Bd. 6). V & R Unipress – Bonn University Press, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8471-1088-0.
  • mit Dominik Büschken: Die Figur des Ratgebers in transkultureller Perspektive, (= Studien zu Macht und Herrschaft. Bd. 6), V & R Unipress – Bonn University Press, Göttingen 2020, ISBN 978-3-8471-1170-2

Weblinks

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu die Besprechungen von Alois Gerlich in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 118 (2001), S. 509–514; Thomas Ertl in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 108 (2000), S. 174–176; Bernd Schütte in: Archiv für Kulturgeschichte 84 (2002), S. 477; Christian Hillen in: H-Soz-Kult, 21. Oktober 2000, online; Peter Neumeister in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 71 (2000), S. 305–307.
  2. Alheydis Plassmann: Die Struktur des Hofes unter Friedrich I. Barbarossa nach den deutschen Zeugen seiner Urkunden. Hannover 1998, S. 2.
  3. Alheydis Plassmann: Die Struktur des Hofes unter Friedrich I. Barbarossa nach den deutschen Zeugen seiner Urkunden. Hannover 1998, S. 3.
  4. Alheydis Plassmann: Die Struktur des Hofes unter Friedrich I. Barbarossa nach den deutschen Zeugen seiner Urkunden. Hannover 1998, S. 227.
  5. Alheydis Plassmann: Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen. Berlin 2006, S. 22.
  6. Vgl. die Besprechungen von Bernd Schütte in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15. Juli 2007], (online) Weitere Besprechungen von Felix Mundt in: Mittellateinisches Jahrbuch 43 (2008), S. 296–299; Alois Gerlich in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 125 (2008), S. 611–614; Lars Hageneier in: Archiv für Kulturgeschichte 90 (2008), S. 461–463; Charles West in: Early Medieval Europe 16 (2008), S. 245–247; Magali Coumert in: Revue d'histoire ecclésiastique 103 (2008), S. 293; Christian Lohmer in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 65 (2009), S. 224–225 (Digitalisat); Magali Coumert in: Francia-Recensio 2009/1 (online); Joachim Ehlers in: Historische Zeitschrift 286 (2008), S. 162–163.
  7. Alheydis Plassmann: Die Welfen-Origo – Ein Einzelfall? In: Dieter R. Bauer. Matthias Becher (Hrsg.): Welf IV. – Schlüsselfigur einer Wendezeit. Regionale und europäische Perspektiven. München 2004, S. 56–83 (online); Alheydis Plassmann: Mittelalterliche Origines gentium. Paulus Diaconus als Beispiel. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. Bd. 87 (2007), S. 1–35 (online); Alheydis Plassmann: Zur Origo-Problematik unter besonderer Berücksichtigung der Bayern. In: Hubert Fehr und Irmtraut Heitmeier (Hrsg.): Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria. St. Ottilien 2012, S. 163–182; Alheydis Plassmann: Das Wanderungsmotiv als Gründungsmythos in den frühmittelalterlichen Origines gentium. In: Michael Bernsen, Matthias Becher, Elke Brüggen (Hrsg.): Gründungsmythen Europas im Mittelalter. Bonn 2013, S. 61–77.
  8. Vgl. Otto Gerhard Oexle: Adliges Selbstverständnis und seine Verknüpfung mit dem liturgischen Gedenken - das Beispiel der Welfen. In: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 134 (1986), S. 47–75, hier: S. 50.
  9. Alheydis Plassmann: Die Welfen-Origo – Ein Einzelfall? In: Dieter R. Bauer. Matthias Becher (Hrsg.): Welf IV. – Schlüsselfigur einer Wendezeit. Regionale und europäische Perspektiven. München 2004, S. 56–83 (online).
  10. Alheydis Plassmann: Mittelalterliche Origines gentium. Paulus Diaconus als Beispiel. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. Bd. 87 (2007), S. 1–35, hier: S. 34 (online).
  11. Alheydis Plassmann: Der Wandel des normannischen Geschichtsbildes im 11. Jahrhundert. Eine Quellenstudie zu Dudo von St. Quentin und Wilhelm von Jumièges. In: Historisches Jahrbuch. Bd. 115 (1995), S. 188–207.
  12. Alheydis Plassmann: Die Normannen. Erobern – herrschen – integrieren. Stuttgart 2008, S. 15. Besprechungen von Harald Müller in: H-Soz-Kult, 19. November 2008, (online); Gerhard Köbler in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 126 (2009), S. 481 f. (online); Julia Becker in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken. Bd. 88 (2008), S. 653–655 (online); Stefan Burkhardt in: Francia-Recensio 2012/2 (online); Rudolf Schieffer in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 65 (2009), S. 303–304 (Digitalisat); Robert C. Figueira in: Revue d'histoire ecclésiastique 104 (2009), S. 708–709; Hubert Houben in: Historische Zeitschrift 291 (2010), S. 166–168.
  13. Matthias Becher: Gedanken zur Einführung. In: Matthias Becher, Alheydis Plassmann (Hrsg.): Streit am Hof im frühen Mittelalter. Göttingen 2011, S. 9–15, hier: S. 10.
  14. Matthias Becher, Alheydis Plassmann (Hrsg.): Streit am Hof im frühen Mittelalter. Göttingen 2011.
  15. Teilprojekt 15 „Englische Königsherrschaft im Spiegel der Tyrannenschelte (1066–1216)“ auf der Webseite des SFB 1167.