Al-Mudschaidil

Al-Mudschaidil (arabisch المْجيدل) ist ein ehemaliges palästinensisches Dorf im Norden des heutigen Israel. Seine Bewohner wurden 1948 während des Palästinakriegs von den Streitkräften des neugegründeten Staates Israel vertrieben und ihre Häuser wenig später zerstört. Die zu Flüchtlingen gewordenen Palästinenser wurden an der Rückkehr in ihren Ort gehindert, dessen Ruinen heute von der 1952 auf ehemaligem Dorfland gegründeten und seitdem stark gewachsenen jüdisch-israelischen Stadt Migdal haEmek überbaut sind.

Geschichte

Im Jahr 1945 hatte al-Mudschaidil 1900 palästinensische Einwohner, davon 1640 Muslime und 190 Christen,[1] und zwar griechisch-orthodoxe, von denen allerdings einige zum Protestantismus konvertiert waren.[2]

Im Juli 1948 zogen die Zionisten im Rahmen der Operation »Dekel« (»Palme«) ihre Truppen in Galiläa zusammen, und zwischen 15. und 18. Juli fiel unter anderem al-Mudschaidil. Da das Schicksal der Palästinenser von Haifa und Deir Yassin unter der Bevölkerung bekannt war, waren viele Bewohner von al-Mudschaidil bereits vor der Eroberung durch die Zionisten nach Nazareth geflüchtet,[3] vor allem Frauen und Kinder.[4]

Sofort nach der Eroberung des Dorfes sprengten die zionistischen Truppen zehn Häuser »als Warnung«.[5] Jene Bewohner von al-Muschaidil, die geblieben waren, wurden Richtung Nazareth vertrieben;[6] die Zionisten vertrieben – so wie an vielen anderen Orten – die gesamte Bevölkerung des Dorfes.[7] In den folgenden Wochen sprengten die zionistischen Truppen auch die übrigen Häuser des Dorfes.[8]

Die palästinensischen Flüchtlinge wurden vom israelischen Militär an der Rückkehr in ihr Dorf gehindert.[9] Im August stießen israelische Truppen auf mehrere Gruppen palästinensischer Frauen, Flüchtlinge, die auf ihren eigenen Feldern arbeiteten. Nach Angaben eines israelischen Offiziers gaben sie zuerst Warnschüsse ab und schossen dann auf die zurückgekehrten Flüchtlinge bzw. richteten sie hin. Der verantwortliche Offizier gab nochmals den Befehl, die Flüchtlinge an der Rückkehr zu hindern.[10] Der Jüdische Nationalfonds pflanzte kurz nach der ethnischen Säuberung und Zerstörung so wie in vielen anderen palästinensischen Dörfern Kiefern,[11] um die Trümmer des palästinensischen Dorfes zu verbergen.[12]

Die Entwicklung der neuen, rein jüdischen Stadt Migdal ha-Emek an der Stelle des palästinensischen Dorfes al-Mudschaidil hatte laut Witt Raczka zwei Ziele: erstens ganz allgemein die Judaisierung von Galiläa, und zweitens konkreter, das weitere Wachstum der nahegelegenen palästinensischen Stadt Nazareth nach Süden zu verhindern.[13]

Die überlebenden palästinensischen Flüchtlinge aus al-Mudschaidil leben zum Großteil bis heute in Nazareth.[14]

Die griechisch-orthodoxe Sankt-Nikolaus-Kirche sowie die dem Erzengel Gabriel geweihte Klosterkapelle des römisch-katholischen Franziskanerordens entkamen der Zerstörung.[15] 1950 bot die israelische Regierung nach einer Intervention des Papstes den christlichen Flüchtlingen eine Möglichkeit an, nach al-Mudschaidil zurückzukehren, doch diese lehnten es ab, ohne ihre muslimischen Nachbarn wieder in das Dorf zu ziehen.[16] Die Sankt-Nikolaus-Kirche wurde ab 2004 mit Spendengeldern der Vereinigung russisch-orthodoxer Christen in Israel restauriert und 2007 mit einer Mauer zum Schutz gegen Vandalismus umgeben. Sie dient heute für Gottesdienste, die von Einwanderern aus Russland sowie Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien besucht werden.[17]

Die Moschee von al-Mudschaidil wurde 2003 abgerissen[18] und an ihrer Stelle wurde ein Einkaufszentrum errichtet.[19]

Weblinks

  • al-Mujaydal auf der Webseite der israelischen Nichtregierungsorganisation Zochrot, abgerufen am 1. März 2018 (englisch)

Einzelnachweise

  1. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 157.
  2. Alex Carmel: Activities of the European Powers in Palestine, 1799–1914. In: Asian and African Studies Bd. 19, Nr. 1 S. 70.
  3. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 41.
  4. Benny Morris: The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited. Cambridge University Press, 2004.
  5. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 43.
  6. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 41.
  7. Rosemarie M. Esber: Under the Cover of War. The Zionist Expulsion of the Palestinians. Arabicus, 2008; S. 349; Benny Morris: The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited. Cambridge University Press, 2004.
  8. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 43.
  9. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 45.
  10. Benny Morris: 1948. A History of the First Arab-Israeli War. Yale University Press, 2008; S. 303; Benny Morris: The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited. Cambridge University Press, 2004.
  11. Ilan Pappe: Le nettoyage ethnique de la Palestine. Fayard, 2008.
  12. Šejla Haračić: Memoricide. A Punishable Behavior? In: Vjeran Pavlaković, Davor Pauković, Višeslav Raos (Hg.): Confronting the Past. European Experiences. CPI, 2012; S. 249.
  13. Witt Raczka: Unholy Land. In Search of Hope in Israel/Palestine. Rowman & Littlefield, 2015; S. 46.
  14. Witt Raczka: Unholy Land. In Search of Hope in Israel/Palestine. Rowman & Littlefield, 2015; S. 157–159.
  15. Chad F. Emmett: Beyond the Basilica. Christians and Muslims in Nazareth. University of Chicago Press, 1995; S. 157.
  16. Dominique Vidal, Sébastien Boussois: Comment Israël expulsa les Palestiniens (1947–1949). Éditions de l’Atelier, 2009; S. 213; Ilan Pappe: Le nettoyage ethnique de la Palestine. Fayard, 2008.
  17. Church of St. Nicolay, Webseite der Organisation St. Nicholas Center, abgerufen am 1. März 2018 (englisch)
  18. Ilan Pappe: Le nettoyage ethnique de la Palestine. Fayard, 2008.
  19. Marshall J. Breger, Yitzhak Reiter, Leonard Hammer (Hg.): Sacred Space in Israel and Palestine. Religion and Politics. Routledge, 2013; S. 76.

Koordinaten: 32° 40′ 40″ N, 35° 14′ 31″ O