Adventskranz

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Adventskranz

Der Adventskranz, in Österreich Adventkranz, ist ein meist aus Tannenzweigen geflochtener Tisch- oder Hängeschmuck im Advent mit vier Kerzen, den Adventskerzen. Die Kerzen werden im Laufe der Adventszeit nacheinander entzündet: Am ersten Adventssonntag wird eine Kerze angezündet, ab dem zweiten Advent auch die zweite und so weiter.

Geschichte

Der Adventskranz wurde 1839 von dem evangelisch-lutherischen Theologen, Erzieher, Mitbegründer der Inneren Mission und Begründer der Evangelischen Diakonie Johann Hinrich Wichern (1808–1881) im evangelischen Hamburg, im Rauhen Haus, eingeführt, womit er armen Straßenkindern des beginnenden Industriezeitalters die Zeit bis Weihnachten verkürzen wollte.[1][2][3] Knapp hundert Jahre später war er auch in katholischen Gegenden zu finden.[2]

Wichernscher Adventskranz

Wichernkranz
Johann Hinrich Wichern (1808–1881)

Als Wichernkranz wird die von Johann Hinrich Wichern im Rauhen Haus in Hamburg erfundene Urform des Adventskranzes bezeichnet.[4] Es war ein Wagenrad mit vier großen weißen und 20 kleinen roten Kerzen, das erstmals am 1. Advent im Jahr 1839 im Betsaal des Rauhen Hauses in Hamburg-Horn von der Decke hing.[5] Ab 1860 wurde der Leuchter erstmals mit Tannengrün geschmückt.[6] An jedem Abend vom 1. Advent bis zum Heiligen Abend wird eine Kerze angezündet.[7] Die großen weißen Kerzen sind für die Adventssonntage, die kleinen roten für die Werktage.[8] Die Zahl der kleinen Kerzen bis zum Heiligen Abend ist jedes Jahr unterschiedlich. Sie variieren zwischen 18 und 24, weil der 1. Adventsonntag jedes Jahr an einem unterschiedlichen Datum beginnt und die Adventszeit damit unterschiedlich lange ist.[9]

Der Wichernkranz sollte den Kindern die Zahl der Tage bis Weihnachten anschaulich machen. Die Kinder lernten dadurch auch Zählen.[10][11]

Dieser originale Adventskranz wird heute von Diakonie und Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) als Wichernkranz bezeichnet zur Unterscheidung von dem vereinfachten Adventskranz mit vier Kerzen, der nicht die Möglichkeit bietet, an jedem Tag des Advents eine Kerze anzuzünden, sondern nur noch ab 1. Adventssonntag an jedem weiteren Adventssonntag eine weitere Kerze, ohne dass der Heilige Abend besonders hervorgehoben ist.[12]

Wichernkranz in markanten Gebäuden

Adventskranz mit vier Kerzen

Adventskranz mit vier Kerzen am 4. Advent

Aus dem traditionellen Wichernschen Adventskranz hat sich – vor allem auch aus praktischen Gründen – der Adventskranz mit vier Kerzen entwickelt.[4] Seit etwa 1860 wird der Adventskranz aus Tannengrün gefertigt.[2] 1925 wurde erstmals ein Adventskranz in einer katholischen Kirche aufgehängt.[2] Dies geschah in Köln, 1930 folgte der erste Adventskranz in München.[2] Die Verbreitung des Adventskranzes in katholischen Kirchen und Familien dauert allerdings andernorts noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg.[4] Die Abfolge der 4 Sonntage im Advent – insbesondere auch für den Sonderfall, dass 4. Advent und Heiligabend auf denselben Tag fallen – wurde bereits auf der von Konrad II. (HRR) 1038 auf der Limburg einberufenen Bischofssynode, die die Abfolge der Sonntage im Kirchenjahr festlegte, beschlossen (sogenannter Adventsstreit zwischen dem Kaiser und seinem Onkel, dem Bischof von Straßburg).[18]

Die gelegentlich geäußerte Vermutung, der Adventskranz habe schon lange vor der Zeit von Johann Hinrich Wichern existiert, beruht auf einem Gedicht, in dem der Adventskranz beschrieben und das häufig fälschlich Matthias Claudius (1740–1815) zugeschrieben wird. Tatsächlich stammt das Gedicht von seinem Urenkel Hermann Claudius (1878–1980).[19]

Sonnenwendkranz und Lichterkranz im Nationalsozialismus

Nach den Vorstellungen der nationalsozialistischen Feiergestalter sollte der traditionelle Adventskranz durch den „Sonnwendkranz“ oder „Lichterkranz“ ersetzt werden, der meist mit Sonnenrad- oder Wikinger-Motiven bestückt wurde.[20] Die Kerzen auf dem Kranz sollten als „Wünschelichter“ nun die vier Jahreszeiten symbolisieren. Zum Anzünden der „Wünschelichter“ wurden so genannte „Lichtersprüche“ vorgetragen,[21] die in entsprechenden Weihnachtsbüchern oder dem Kalender Vorweihnachten „vorgeschlagen“ wurden.[22]

Große Adventskränze

„Weltweit größter hängender Adventkranz“ in Mariazell

Als „weltweit größter hängender Adventkranz“ wird jener über dem Brunnen des Mariazeller Hauptplatzes apostrophiert. Er hat einen Durchmesser von 12 Metern und wiegt 6 Tonnen. Er ist in Anlehnung an den ursprünglichen wichernschen Adventskranz mit 24 Lichtern bestückt, 4 für die Sonntage und 20 für die Werktage.[23]

Eingeschneiter Adventskranz in Kaufbeuren

Als „größter echter Adventskranz der Welt“ wird mit einem Durchmesser von acht Metern der Adventskranz in Kaufbeuren beworben. Er besteht aus echten Weißtannenzweigen und ist mit knapp 2 Meter hohen Wachskerzen bestückt. Er steht vom 1. Advent bis zum Dreikönigstag am Neptunbrunnen der Stadt.[24]

Symbolik

Adventskranz mit einer rosa Kerze für den Sonntag Gaudete in St. Richard in Otting

Es gibt verschiedene Deutungen der Symbolik des Adventskranzes. Die ursprüngliche Symbolik ist die Zunahme des Lichtes als Ausdruck der steigenden Erwartung der Geburt Jesu Christi, der im christlichen Glauben als „Licht der Welt“ bezeichnet wird.[2] Wichern wollte mit seinem Adventskranz die Botschaft von Weihnachten veranschaulichen und auf das Kommen Jesu Christi als Licht der Welt hinweisen.[4] Im Advent findet sich weiteres Lichtbrauchtum wie etwa die Kerzen am Christbaum oder auch Lichtriten am Fest der Heiligen Lucia.[4]

Hinzu sind verschiedene Deutungen getreten, die sich auf die Kreisform, die Symbolik des Kranzes, das Tannengrün im Winter sowie die verwendeten Farben der Kerzen bzw. auch der Schleifen beziehen: So wird der Adventskranz gern in Bezug auf den Erdkreis und die vier Himmelsrichtungen gedeutet.[2] Der Kreis symbolisiert auch die mit der Auferstehung gegebene Ewigkeit des Lebens, das Grün die Farbe der Hoffnung und des Lebens, und die Kerzen das kommende Licht, das in der Weihnachtsnacht die Welt erleuchtet.[2]

Die Vierzahl der Kerzen geht auf die Zahl der Sonntage im Advent zurück. Papst Gregor der Große hatte sie für die Westkirche auf vier fest gesetzt.[25] Die vier Sonntage standen symbolisch für die viertausend Jahre, die die Menschen gemäß damaliger Auffassung nach dem Sündenfall auf den Erlöser warten mussten.

Das Benediktionale der katholischen Kirche enthält einen Ritus für die Segnung des Adventskranzes. In der katholischen Kirche und katholischen Gegenden ist es zum Teil üblich, den Adventskranz mit drei violetten Kerzen und einer rosa Kerze zu schmücken. Die rosa Kerze wird am dritten Adventsonntag, dem Sonntag Gaudete (lateinisch für Freuet euch!), entzündet. Die Farbsymbolik richtet sich nach der liturgischen Farbe der Paramente: Die liturgische Farbe des Advents ist Violett; am dritten Adventsonntag können alternativ rosa (= violett, durch das die festliche Farbe Weiß hindurchscheint) Paramente verwendet werden (siehe Laetare in der Fastenzeit). Im katholischen Teil Irlands, wo Adventskränze nur in Kirchen üblich sind, kommt zu den drei violetten und einer rosa Kerze noch eine weitere weiße Kerze. Diese fünfte Kerze steht in der Mitte des Adventskranzes und wird am Heiligabend entzündet.[26] Auch sind mit den einzelnen Kerzen Bezeichnungen verbunden, die früher der Liturgie des jeweiligen Adventssonntags entsprachen: Isaiaskerze, Johanneskerze, Josefskerze und Marienkerze.[27]

Im Erzgebirge werden die Adventskränze traditionell ausschließlich mit roten Kerzen geschmückt. Die Farbe rot steht hier für die Liebe und das Licht, mit dem Christus zu den Menschen kam. Die in der Woche nach Totensonntag gebundenen Kränze aus Fichten- und Tannenreisig werden mit vergoldeten Tannenzapfen und Glocken, Glaspilzen oder in jünger Zeit Glaskugeln geschmückt. In manchen Gegenden Sachsens wird der Adventskranz mit 24 Nüssen, davon vier silberne für die Adventssonntage und eine goldene für Weihnachten, behängt.[28]

Manchmal wird der Adventkranz mit Kerzen in den vier Farben violett, rot, rosa und weiß geschmückt, die in dieser Reihenfolge entzündet werden.

Im ambrosianischen Ritus werden sechs, anstatt der im römischen Ritus verbreiteten vier Kerzen verwendet, wobei hier auch die Adventszeit sechs Wochen umfasst. In Kirchen des ambrosianischen Ritus (Kirchenprovinz Mailand und manche Pfarreien des Bistums Lugano) wird der Adventskranz während der Messen stets auf oder in unmittelbarer Umgebung des Altars platziert und die entsprechenden Kerzen im Rahmen der Messe rituell entzündet.

Auch das protestantische Norwegen kennt die Tradition, die Kerzen nach der liturgischen Farbe zu wählen. Das sind nach der Tradition der lutherischen norwegischen Kirche vier violette Kerzen. In Schweden ist die erste Kerze traditionell weiß, die anderen drei violett. Das Weiß steht für die Paradiesfarbe, wie Kristin Solli Schøien im Buch „I en kurv til min datter“ aus dem Jahr 2003 beschreibt.

Es gibt die Tradition, dass am Adventskranz nebeneinanderliegende Kerzen oder die Kerzen immer gegen den Uhrzeigersinn entzündet werden. Das Anzünden der gegenüberliegenden Kerze am zweiten Advent wird in dieser Tradition als falsch betrachtet.

Die Symbolik des Kerzenentzündens thematisieren auch Adventslieder wie Wir sagen euch an den lieben Advent von Maria Ferschl und Heinrich Rohr sowie der weitverbreitete Kinderreim Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.

Brandgefahren

Der nachlässige Umgang mit Adventskränzen führt immer wieder zu Zimmer- und Wohnungsbränden. Die häufigste Brandursache ist dabei das fehlende Beaufsichtigen der brennenden Kerzen.[29]

Siehe auch

Verschiedene Lichterfeste oder Lichterbräuche ähneln in ihrer Lichtsymbolik mehr oder minder stark dem hier beschriebenen Adventskranz:

Literatur

  • Hermann Bausinger: Der Adventskranz – Ein methodisches Beispiel. 1980 (Volltext).
  • Hermann Bausinger: Der Adventskranz – ein uralter Brauch? In: Martin Blümcke (Hrsg.): Abschied von der Dorfidylle? Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-8062-0316-4, S. 46–53 (Volltext).

Weblinks

Commons: Adventskranz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Adventskranz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Daniela Scharer: Der Adventkranz – eine Erfindung der Diakonie. (Nicht mehr online verfügbar.) Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen, 17. November 2015, archiviert vom Original am 18. April 2016; abgerufen am 1. Dezember 2018.
  2. a b c d e f g h Münstersche Zeitung: Die Geschichte des Adventskranzes: Vier Kerzen des alten protestantischen Brauches sind heute noch übrig geblieben. In: Weihnachten in Münster: Wunderschöne Weihnachtswelt. Weihnachten in Münsters Westen, epd, 30. November 2012.
  3. EKD: Evangelische Kirche in Deutschland - Wichern: „Rettungshäuser“ für bedürftige Kinder. Website der EKD. Abgerufen am 30. November 2012.
  4. a b c d e Wahle, Stephan: Die stillste Nacht. Das Fest der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute. Freiburg i.Br. 2018, S. 145.
  5. Deutscher Bundestag: Adventsklänge im Deutschen Bundestag
  6. Manuela Keil: Advent - Eine Zeit der Vorfreude. In: Hamburger Wochenblatt, 25. November 2020, S. 2.
  7. Wahle, Stephan: Die stillste Nacht. Das Fest der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute. Freiburg i. Br. 2018, S. 144.
  8. Weihnachten. Kirche von A bis Z: der Adventskranz. In: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg. Gott und die Welt im November 2014. (Memento vom 30. Dezember 2018 im Internet Archive)
  9. „Je mehr Lichter brennen, desto näher rückt Weihnachten“ bei ekd.de
  10. Diakonie spendet dem Theater Wichernkranz. In: „Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung“, 22. November 2018. Autorenkürzel (epd).
  11. Cornelius Cob: Wer hat den Adventskranz erfunden? Bei: NDR.de, 30. November 2018.
  12. Thomas Morell: Adventskranz – eine Erfindung aus Hamburg feiert Jubiläum. 27. November 2014 bei nordkirche.de.
  13. Der Adventskranz feiert Jubiläum Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers: Der Adventskranz feiert Jubiläum. 30. November 2014. Autorenkürzel (epd). (Memento des Originals vom 2. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.landeskirche-hannovers.de
  14. Deutscher Bundestag: Adventsklänge im Deutschen Bundestag
  15. Der Adventskranz feiert Jubiläum Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers: Der Adventskranz feiert Jubiläum. 30. November 2014. Autorenkürzel (epd). (Memento des Originals vom 2. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.landeskirche-hannovers.de
  16. Das Rauhe Haus, Wichern-Schule: Advent, Advent!
  17. Presseeinladung: Übergabe eines Wichernkranzes durch die Lebenshilfe Mölln. Kiel, 26. November 2013.
  18. Die Rheinpfalz, Nr. 213, Samstag, 12. September 2020, Zuhause in der Pfalz, IHR WOCHENENDE, Hinter Kloster-Kulissen von Dagmar Gilcher
  19. Klaus Gerth: Lesebuch 65: Ein Lesewerk für die Schule von heute. Veröffentlicht von Hermann Schroedel, 1965.
  20. Judith Breuer, Rita Breuer: Von wegen Heilige Nacht – Das Weihnachtsfest in der Politischen Propaganda. Verlag an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr 2000, ISBN 3-86072-572-6, S. 73 f.
  21. Doris Foitzik: Weihnachten. In: Francois Etienne, Hagen Schulze (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte. Band 3. C.H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47224-9, S. 162.
  22. Hauptkulturamt der Reichspropagandaleitung der NSDAP: Vorweihnachten. Hrsg. Thea Haupt, F. Eher, München 1942.
  23. Der Mariazeller Adventkranz. auf mariazeller-advent.at, abgerufen am 14. Januar 2016.
  24. „Alle Jahre wieder“ leuchtet Kaufbeurens Adventskranz. auf wir-sind-kaufbeuren.de, abgerufen am 14. Januar 2016.
  25. Adventszeit auf theology.de; abgerufen am 31. Dezember 2018
  26. Weihnachtsbräuche in Irland
  27. M. Mary Francis PCC: A right to be merry. Sheed & Ward, New York 1956, S. 112.
  28. Manfred Blechschmidt: Weihnachtliches Brauchtum im Erzgebirge. Altis-Verlag, Friedrichsthal 2010, ISBN 978-3-910195-60-8, S. 33.
  29. Franz-Josef Sehr: Lichter sollen brennen, nicht das Haus. Wiesbadener Tagblatt, 27. November 2007, ZDB-ID 1128578-3.

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