Adalbert Probst

Adalbert Probst (um 1932).

Adalbert Probst (* 27. Juli 1900 in Regensburg; † 2. Juli 1934) war ein deutscher politischer Aktivist und Jugendbundführer. Probst wurde vor allem bekannt als Reichsführer der DJK und als einer der Getöteten des „Röhm-Putsches“.

Leben und Wirken

Adalbert Probst war der Sohn des bayerischen Armeezahlmeisters Franz Probst (1855–1922). Seine Kindheit und Jugend verbrachte er bis 1901 in Regensburg, wo der Vater als Zahlmeister dem 11. Infanterieregiment zugeteilt war, und danach in Ingolstadt, wohin der Vater in diesem Jahr als Rechnungsrat des 13. Infanterieregiments versetzt wurde. Nach dem Schulbesuch absolvierte Probst eine kaufmännische Lehre. Ab 1917 nahm er mit der bayerischen Armee am Ersten Weltkrieg teil, in dem er an der Westfront zum Einsatz kam. Während der revolutionären Wirren, die auf die deutsche Kriegsniederlage folgten, gehörte er einem Freikorps an.

In den ersten Nachkriegsjahren lebte Probst in München, Eggenfelden und Ingolstadt. Während dieser Zeit betätigte er sich in nationalistischen und republikfeindlichen Kreisen. Einige Quellen behaupten sogar eine zeitweise Zugehörigkeit zur frühen NS-Bewegung, wofür bislang aber keine Belege vorliegen. 1922 floh Probst aus ungeklärten Gründen – angeblich wegen politischer Vergehen – über die Grenze nach Österreich. Über die folgenden Jahre seines Lebens ist fast nichts bekannt. Dokumentarisch belegt ist lediglich Probsts Heirat mit Katharina Fischer (1904–1997) am 28. September 1925 in Neuhaus am Inn, einer Stadt unmittelbar an der bayerisch-österreichischen Grenze. Aus der Ehe ging ein Sohn, Franz (* 8. April 1926; † 12. Januar 1945 in der Slowakei), hervor.

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre fand Probst zu einer tiefen Religiosität. In der Folge brach er seine Beziehungen zu nationalistischen und völkischen Organisationen ab und begann sich im Bereich des politischen Katholizismus zu engagieren.

1929 wurde Probst von Ludwig Wolker in den Dienst des Katholischen Jungmännerverbands (KJMVD) nach Düsseldorf geholt. In den folgenden Jahren stieg er zum Führer der katholischen Jugendbewegung im Rheinland auf und wurde als solcher zu einer „respektierten Figur des öffentlichen Lebens“[1] Daneben schrieb er für die katholischen Zeitschriften Die Wacht und Deutsche Jugendkraft.

1932 wurde Probst zum Beauftragten (Referent) für den sogenannten „Geländesport“ ernannt, der in seiner vormilitärischen Ausrichtung umstritten war. Im Dezember 1933 wurde Probst zum Reichsführer der Deutschen Jugendkraft (DJK), des Dachverbands der katholischen Turn- und Sportvereine, berufen, womit die DJK unter dem sich abzeichnenden Konflikt mit dem NS-Staat das bisherige Präses-Führungsprinzip (priesterliche Leitungsspitze) aufgab.

Über die Motive der Nationalsozialisten, Probst zu ermorden, besteht bis heute eine gewisse Unklarheit. Lewis wertet Probst in ihrer Studie zur Hitlerjugend als „einen der Jugendführer“, die mit der Hitlerjugend um die junge Generation rivalisiert hätten, und legt damit implizit nahe, dass Probst vom Regime als ein Konkurrent beim Kampf um die junge Generation beseitigt wurde.[2] Probsts Mutter meinte im Gegensatz dazu, dass ihr Sohn, der Kontakte zu vielen hoch aufgestiegenen NS-Politikern unterhielt, umgebracht worden sei, weil er „zu viel wusste“.[3] Edmund Forschbach verweist zudem darauf, dass Probst eine Rolle bei den konservativen Staatsstreichplänen des Edgar-Jung-Kreises in den Jahren 1933/1934 gespielt habe: Probst soll über seinen Freund Johannes Schauff Kontakte zu den konservativen Regimegegnern gehabt haben und in den Monaten vor der „Röhm-Affäre“ eine „Vermittlerrolle“ zwischen der Reichswehr einerseits und den St. Sebastian-Schützenbruderschaften andererseits gespielt haben. Es ging um einen möglichen Aufstand konservativer Kräfte gegen die NS-Diktatur, an dem sich auch die Reichswehr beteiligt hätte. Die St. Sebastian-Schützen hätten dabei gegen SA- und SS-Verbände im Rheinland vorgehen sollen, das die Reichswehr aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht betreten durfte. Probst hätte dabei, so Forschbach, die Übergabe von Waffen und Ausrüstung für diesen Kampf durch die Reichswehr an die St. Sebastian-Schützenvereine organisieren sollen.[4]

Am 30. Juni oder 1. Juli 1934[5] wurde Probst in Braunlage im Harz verhaftet, während er dort den Präses Wolker besuchte, und anschließend „auf der Flucht“ erschossen.[6] Probsts Leichnam wurde ohne Rücksicht auf den katholischen Glauben des Toten (die katholische Kirche lehnte damals die Einäscherung von Toten noch offiziell ab) kremiert. Die Asche wurde einige Tage nach seiner Tötung an seine Ehefrau übersandt, die bis dahin noch keine Kenntnis vom Tod ihres Mannes hatte.[7]

Während einige Quellen die Männer, die ihn verhafteten, der Gestapo zurechnen,[8] sprechen andere davon, dass Probst von SS-Leuten festgenommen wurde.[9] Alvarez und Graham beschränken sich wiederum darauf, die Mörder kurz als „Agenten Heydrichs“ zu kennzeichnen.[10]

Der Mord an Probst als einem an den politischen Machtkämpfen im Staat „völlig Unbeteiligten“ wird in der Literatur häufig als ein Beleg für den selbst entlarvenden Charakter der Mordaktion vom 30. Juni bis 2. Juli herangezogen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Nationalsozialisten bei dieser Gelegenheit auch vollkommen harmlose Leute wie Probst ermordeten, und dass dies den Deutschen die Wesensart des NS-Regimes und seiner Machthaber vor Augen hätte führen müssen.[11]

Bewertung durch die Nachwelt

Nach 1945 ist Adalbert Probst durch die katholische Amtskirche wiederholt als exemplarisches „Opfer der totalitären Gewalttätigkeit“ des NS-Regimes bemüht worden.[12] Da der „Fall Probst“ von der katholischen Kirche in Deutschland bis 1945 offiziell als „nicht-existent“ behandelt wurde, wurde er später von ihren Kritikern wiederholt als beispielhafter Beleg für das Versagen der Kirchenführung in der Auseinandersetzung mit dem NS-System angeführt. Besonders schwer wog dabei, dass die Kirchenführung ihre Stimme nicht einmal gegen Verbrechen erhob, die an Angehörigen der katholischen Kirche begangen wurden. So monierte beispielsweise Reinhold Billstein 1979, das Schweigen der Kirche zum Fall Probst sei „ein Beispiel für das opportunistische Verhalten der katholischen Kirchenführung der Nazidiktatur gegenüber“ gewesen.[13]

Literatur

  • Barbara Schellenberger: Adalbert Probst (1900–1934). Katholischer Jugendführer – Opfer des Nationalsozialismus. In: Düsseldorfer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Bd. 69, Düsseldorf 1998.
  • Helmut Moll (Hrsg. im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz), Zeugen für Christus. Das Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Paderborn u. a. 1999, 7. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019, ISBN 978-3-506-78012-6; Band I., S. 392–394.

Einzelnachweise

  1. Joel Colton: The Twentieth Century, S. 169.
  2. Brenda Ralph Lewis: Hitler Youth. The Hitlerjugend in Peace and War, 1933–1945, 2000, S. 45. Der DJK hatte immerhin knapp 150.000 Mitglieder.
  3. Dieter Marc Schneider: Johannes Schauff, 1902–1990. Migration und „stabilitas“ im Zeitalter der … 2001, S. 67.
  4. Edmund Forschbach: Edgar Jung. 1984, S. 128.
  5. Hans-Peter Görgen: Düsseldorf und der Nationalsozialismus. Studie zur Geschichte einer … 1969, S. 110. Werner Klose: Generation im Gleichschritt. Die Hitlerjugend. Ein Dokumentarbericht. 1964, S. 230.
  6. Den 30. Juni als Todestag geben an: Das deutsche Volk klagt an. Hitlers Krieg gegen die Friedenskämpfer in …, 1936, S. 272, Carl Diem: Weltgeschichte des Sports und der Leibeserziehung. 1960, S. 612, und Edmund Forschbach: Edgar J. Jung ein Konservativer Revolutionär. S. 86. Den 1. Juli als Todestag geben an Karl Heinz Jahnke: Dr. Joseph Cornelius Rossaint (1902–1991). Aus seinem Leben und Werk. 1997, S. 30, Inge Sbosnky/Karl Schabrod: Widerstand in Solingen. Aus dem Leben Antifaschistischer Kämpfer. 1975, S. 56, und Felix Dietrich, Reinhard Dietrich: Bibliographie der Deutschen Zeitschriftenliteratur. S. 1159. Den 2. Juli nennen Thomas Stramm, Jürgen Elvert [Hrsg.]: Geschichtsbilder. Festschrift für Michael Salewski zum 65. Geburtstag. 2003, S. 287.
  7. Henri Daniel-Rops: A Fight for God, 1870–1939. 1966, S. 320. Auch J. Derek Holmes: The Papacy in the Modern World, 1914–1978. 1981, S. 107.
  8. Walter Laqueur: Young Germany. A History of the German Youth Movement. 1962, S. 213. Arno Klönne: Gegen den Strom. Bericht über den Jugendwiderstand im Dritten Reich. 1960, S. 73.
  9. Inge Sbosnky, Karl Schabrod: Widerstand in Solingen. Aus dem Leben antifaschistischer Kämpfer. 1975, S. 56.
  10. David J. Alvarez, Robert A. Graham: Nothing Sacred. Nazi Espionage Against the Vatican, 1939–1945. 1997, S. 88.
  11. Fritz Meyers: Die Baronin im Schutzmantel. Emilie von Loe im Widerstand gegen D …, 1975, S. 100.
  12. So beispielsweise bereits 1949 anlässlich des 72. Deutschen Katholikentags in Mainz: Der Christ in der Not der Zeit. 1949, S. 302. Oder auch in American Benedictine Academy: The American Benedictine Review: Ut in Omnibus Glorificetur Deus. 1950, S. 498: „Catholicism had its first prominent martyrs.“
  13. Reinhold Billstein: Das Andere Köln. Demokratische Traditionen seit der Französischen Revolution. 1979, S. 356.

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