Gemeiner Wurzelschwamm

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Gemeiner Wurzelschwamm
(c) James Lindsey at Ecology of Commanster, CC BY-SA 3.0

Gemeiner Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum)

Systematik
Klasse:Agaricomycetes
Unterklasse:unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung:Täublingsartige (Russulales)
Familie:Bergporlingsverwandte (Bondarzewiaceae)
Gattung:Wurzelschwämme (Heterobasidion)
Art:Gemeiner Wurzelschwamm
Wissenschaftlicher Name
Heterobasidion annosum
(Fr. : Fr.) Bref. s. str.

Der Gemeine Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum) ist eine Pilzart aus der Familie der Bergporlingsverwandten. Als Forstschädling verursacht er in den befallenen Fichten eine Rotfäule. Diese Kernfäule ist ökonomisch sehr bedeutend. Zumindest vegetativ, also ohne zusätzliches Inerscheinungtreten seiner Fruchtkörper, ist der Wurzelschwamm in allen (auch ehemaligen) Waldgebieten als äußerst häufig zu bezeichnen.

Merkmale

(c) James Lindsey at Ecology of Commanster, CC BY-SA 3.0
Halbresupinate Form
Resupinate Form

Makroskopische Merkmale

Die Fruchtkörper des Wurzelschwammes können als flache Hüte, halbresupinat oder resupinat (am Substrat anliegend) ausgebildet sein. Die Hüte besitzen eine scharfe Kante (nicht abgerundet) und sind häufig unregelmäßig miteinander verwachsen. Sie erreichen eine Breite von 5 bis 15 Zentimetern und eine Länge von 1 bis 8 Zentimetern (gemessen vom Substrat zur Hutkante); in der Mitte werden sie ein bis zwei Zentimeter dick. Die Färbung reicht von grau über rot bis dunkelbraun; Zuwachskanten sind weiß.

Die runzelige Oberseite ist feinfilzig, verkahlt später jedoch; sie kann auch gezont sein. Sie besteht aus einer dünnen schwarzen Kruste, die sich leicht eindrücken lässt. Beim getrockneten Fruchtkörper erscheint sie als dunkle, glänzende Linie; die Trama ist im Gegensatz dazu weißlich bis holzfarben getönt und besitzt eine korkig-zähe, im getrockneten Zustand eine holzige Konsistenz. Sie verfärbt sich mit Melzers Reagenz dunkel rötlichbraun.

Auf der Unterseite befinden sich die Röhren, deren jahrweise Schichtung ziemlich schlecht erkennbar ist. Die kleinen, rundlichen Poren sind cremeweißlich bis ockergelblich gefärbt. Das Sporenpulver ist weiß.

Mikroskopische Merkmale

Die generativen Hyphen sind hyalin. Sie besitzen schnallenlose Septen (Trennwände). Die Skeletthyphen sind ebenfalls hyalin und meist unverzweigt. Sie verfärben sich in Melzers Reagenz oder Lugol weinrot (dextrinoid) und deren Zellwände mit Baumwollblau violett (cyanophil).

Die Basidien sind hyalin, keulig geformt und besitzen keine basale Schnalle; sie bilden jeweils vier Sporen. Diese sind ebenfalls hyalin, breit ellipsoid bis kugelig und messen 4–7 × 3–5 Mikrometer. Sie besitzen eine feinwarzige Oberfläche und eine dünne Außenwand, die sich in Melzers Reagenz leicht verfärben (schwach amyloid).

Wo keine Fruchtkörper ausgebildet werden, lassen sich Vorkommen dieses Pilzes an frischem, feuchtem Holz an den zahlreichen Konidien mikroskopisch nachweisen, die an aufgeblähten Hyphenenden gebildet werden.

Artabgrenzung

Der Wurzelschwamm ist durch seine oberseits unauffälligen und meist kleinen Fruchtkörper, die tief am Stamm oder auf oberflächlichen Wurzeln hervortreten, generativ meist schwer auffindbar, obwohl er vegetativ als äußerst häufig bezeichnet werden muss. Blass bräunliche Exemplare können mit der Reihigen Tramete (Antrodia serialis) verwechselt werden, die aber keine Hutkruste besitzt und deren Myzel im Holz eine würfelige Braunfäule erzeugt.[1]

Ökologie

Der Wurzelschwamm kann in praktisch allen Waldarten gefunden werden. Aufgrund seiner "Vorliebe" für Fichten ist er in Fichtenforsten besonders häufig. Gelegentlich ist der Pilz auch in Parks, Gärten und ähnlichen Anlagen anzutreffen. An einzeln oder in kleineren Gruppen stehenden Bäumen ist er jedoch selten.

Der Wurzelschwamm lebt parasitisch am Stammgrund, an Wurzeln oder Stümpfen verschiedener Nadel- und Laubbäume. Dabei ruft sein Myzel nacheinander alle Phasen der Holzvermorschung hervor. Die Sporen sind meist zu über 90 Prozent keimfähig. Sie können bei feuchten und kühlen Bedingungen deutlich besser keimen als bei Trockenheit.[2]

Die Fruchtkörper sind mehrjährig und daher das ganze Jahr über zu finden. Das Wachstum und die Sporulation setzen im Süden Deutschlands kurz nach dem Frühlingsanfang ein und halten das ganze Jahr durchgehend an. Dieser Prozess ist weitgehend unabhängig von der Temperatur und wird höchstens durch extrem kalte oder trockene Bedingungen für kurze Zeit unterbrochen. Selbst ein abruptes Einfrieren auf −18 Grad Celsius können die Fruchtkörper und Sporen in feuchtem Milieu überstehen. Die Sporenproduktion verläuft zyklisch, wobei das Maximum um Mitternacht und das Minimum während der Mittagszeit liegt.

Schadwirkung

Rotfäule in Fichtenholz
Rotfäule im unteren Stammbereich einer sturmgeworfenen Fichte

Besonders in jungen Fichten-Monokulturen kann der Wurzelschwamm große Schäden verursachen, die sich auf Millionenhöhe belaufen können. In natürlichen Mischwäldern stellt er hingegen keine ernsthafte Bedrohung dar. Aus diesem Grund wurde der Pilz von Seiten der Forstwirtschafter als Schädling und von Naturschützern als "Nützling" aufgefasst. Folglich geriet der Wurzelschwamm immer wieder in Diskussionen bezüglich seiner Rolle im Ökosystem Wald.

Infektion

Bäume werden meist über die Wurzeln infiziert, entweder durch die in den Boden eingespülten Basidiosporen oder durch Wurzelkontakt mit bereits infizierten Nachbarbäumen. Die Basidiosporen können auch sehr leicht einen nicht von Rinde geschützten Holzkörper, z. B. über die frischen Schnittflächen der Stümpfe gefällter Bäume, befallen. Betroffen sind meist Stümpfe mit einem Durchmesser von etwa zehn Zentimeter, was einem Holzalter von 15 bis 20 Jahren entspricht.[3]

Eine gegenüber Wurzelverwachsungen sehr erheblich beschleunigte Infektion anderer Bäume erfolgt durch Schälung.

Besonders gefährdet sind Erstaufforstungen auf ehemals landwirtschaftlich genutzten, gekalkten Flächen, wobei ein hoher pH-Wert (> 5,5) die Krankheit begünstigt. Weiterhin erhöhen ein karbonathaltiger Boden, dichtgelagerte, flachgründige, wechselfeuchte und sandige Böden das Risiko eines Befalls.[4]

Krankheitsbild

Das Myzel dringt bei Fichten nach der Infektion in den Stamm vor und wächst aufwärts. Es kann innerhalb eines Jahres bis zu einem halben Meter emporsteigen[5] und bis in eine Höhe von sechzehn Meter[6] vordringen. Der Pilz verursacht eine spezielle Weißfäule im Kernholz, die aufgrund ihrer rötlich-bräunlichen Farbe auch als Rotfäule bezeichnet wird. Dabei wird das Holz derart zersetzt, dass es – im Gegensatz zu einer würfeligen Braunfäule – eine längsfaserige Konsistenz behält.

Bei Kiefern breitet sich das Pilzmyzel nicht im Stamm aufwärts aus, sondern wird durch Harzbildung abgeschottet, ähnlich wie bei Befall durch die Krause Glucke. Er zersetzt stattdessen die Wurzeln, wodurch der Baum dennoch abstirbt. Da diese Erscheinung vor allem auf vormals landwirtschaftlich genutzten Flächen auftritt, wird sie auch als Ackersterbe bezeichnet.[4]

Bekämpfung

Eine wirksame Behandlung befallener Bäume ist nicht möglich. Es lassen sich lediglich vorbeugende Maßnahmen treffen, um neue Infektionen zu verhindern.[3] Dazu kann auf frischen Schnittflächen gesättigte Harnstofflösung (37-prozentig) aufgetragen werden, die das Eindringen des Pilzes verhindert. Eine Förderung oder Impfung von Baumstümpfen mit antagonistischen Pilzen wie Phlebia gigantea (Riesenrindenpilz) oder Trichoderma viride ist ebenfalls möglich. Aufgrund der Konkurrenz kann sich dann der Wurzelschwamm nicht ansiedeln. Mit Hilfe von P. gigantea kann die Infektionsrate um 80 Prozent gesenkt werden. Das ehemals eingesetzte Natriumnitrit ist schädlich für die Umwelt und wird daher heute nicht mehr eingesetzt.[7]

Verbreitung

Der Wurzelschwamm ist vor allem in der Holarktis verbreitet, wo er vor allem temperat bis boreal auftritt. Er kann aber auch meridional vorkommen. Daneben ist der Pilz in Australien und Neuseeland sowie in Indien, Pakistan und Mittelamerika zu finden.

In der Holarktis ist der Wurzelschwamm weit verbreitet und fehlt offenbar nur in China und Japan, wo stattdessen H. insulare in den küstennahen Gebieten anzutreffen ist. In Nordamerika ist der Pilz in den USA, zusammen mit Alaska, und Kanada verbreitet; in Asien kommt er im nördlichen Teil des Nahen Ostens (Kleinasien, Iran) und im Kaukasus sowie in Sibirien, Zentralasien und im Fernen Osten vor.

In Europa ist der Wurzelschwamm von der Küste des Mittelmeeres und des Atlantiks bis zur Ostgrenze des Kontinentes, dem Ural, weit verbreitet; nach Norden reicht das Gebiet bis zu den Hebriden und in den Norden Fennoskandinaviens. In der letzteren Region ist der Pilz allerdings recht selten. In ganz Mitteleuropa und vor allem in den Nadelwaldgebieten ist er häufig.

In Deutschland ist der Wurzelschwamm überall, auch auf den Inseln, häufig und praktisch lückenlos vertreten. In den Alpen kann der Pilz manchmal bis zur Waldgrenze vordringen.

Verwandte Arten

Europäische Arten[3]
  • Tannen-Wurzelschwamm[3] (Heterobasidion abietinum)Niemelä & Korhonen 1998
  • Kiefern-Wurzelschwamm[3] (Heterobasidion annosum)(Fr.) Bref. 1888
  • Fichten-Wurzelschwamm[3] (Heterobasidion parviporum)Niemelä & Korhonen 1998
Weitere Arten
  • Heterobasidion araucariaeP.K. Buchanan 1988
  • Heterobasidion arbitrarium(Corner) T. Hatt. 2001
  • Heterobasidion insulare(Murrill) Ryvarden 1972

Quellen

Literatur

  • Heinz Butin: Krankheiten der Wald- und Parkbäume. Diagnose, Biologie, Bekämpfung. 2 Sporentafeln. 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart und New York 1996, ISBN 3-13-639003-2
  • Schwarze/Engels/Matteck: "Holzzersetzende Pilze in Bäumen", 1. Auflage 1999, Rombach Verlag, ISBN 3-7930-9194-5, S. 143–149
  • German Josef Krieglsteiner (Hrsg.): Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 1: Allgemeiner Teil. Ständerpilze: Gallert-, Rinden-, Stachel- und Porenpilze. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3528-0.

Einzelnachweise

  1. Ewald Gerhardt: BLV Handbuch Pilze. BLV, München 2006, ISBN 3-8354-0053-3. S. 459
  2. German Josef Krieglsteiner (Hrsg.): Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 1: Allgemeiner Teil. Ständerpilze: Gallert-, Rinden-, Stachel- und Porenpilze. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3528-0, S. 535.
  3. a b c d e f Informationen für Waldbesitzer. Wurzelschwamm. Gefährdung – Symptome – Bekämpfung. (PDF; 523 kB) Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft Brandenburg
  4. a b Informationen für Waldbesitzer. Wurzelschwamm als Krankheitserreger in Acker- und Kippenaufforstungen. Biologische Grundlagen – Symptomanalyse – Abwehrmaßnahmen.@1@2Vorlage:Toter Link/www.mugv.brandenburg.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft Brandenburg (für den gesamten Absatz)
  5. Der frische Wurzelstock ist eine offene Tür für den Wurzelschwamm. waldwissen.net
  6. Einer der häufigsten parasitisch lebenden Pilze ist der Wurzelschwamm Heterobasidion annosum (Fr.) Bref. (Memento desOriginals vom 10. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/tintling.at tintling.at
  7. Der frische Wurzelstock ist eine offene Tür für den Wurzelschwamm. waldwissen.net (für den gesamten Absatz)

Weblinks

Commons: Gemeiner Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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Heterobasidion annosum 2 - Lindsey.jpg
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Heterobasidion annosum from Commanster, Belgium.

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Braunfäule23.JPG
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Durch Braunfäule zerstörtes Holz, Nähe Keltenschanze Illertal
Wurzelschwamm.jpg
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Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum)
Heterobasidion annosum - Lindsey.jpg
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Heterobasidion annosum from Commanster, Belgium.

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Rotfäule an Fichte