Wilhelm Neumann (Schriftsteller)

Friedrich Wilhelm Neumann, (* 8. Januar 1781 in Berlin; † 9. Oktober 1834 in Brandenburg), war ein deutscher Lyriker, Erzähler, Kritiker, Herausgeber und Übersetzer sowie im Hauptberuf Beamter (Intendanturrat) im preußischen Kriegsministerium.

Jugend und Ausbildung

Wilhelm Neumann wurde als Sohn eines Kaufmanns am 8. Januar 1781 in Berlin geboren und besuchte dort auch das Gymnasium. Beide Eltern starben früh, und der Verwaiste kam als Handelsgehilfe ins Bankhaus Cohen, dessen Besitzer ihn in die Familie aufnahm. 1803 machte er hier die Bekanntschaft von Karl August Varnhagen von Ense, der als Hauslehrer bei den Cohens arbeitete. Eine kleine Erbschaft ermöglichte ihm, in Hamburg mit Varnhagen und August Neander das Akademische Gymnasium und das Johanneum zu besuchen, bei dessen Direktor Johann Gottfried Gurlitt sie alte Sprachen lernten. 1806 zog er mit den beiden Freunden nach Halle und studierte Theologie an der dortigen Universität, bis diese im Herbst 1806 nach studentischen Protesten gegen die französische Besetzung auf Napoleons Befehl geschlossen wurde.

1807 hielt sich Neumann wieder in Berlin auf und unterrichtete als Hauslehrer, während er seine Studien fortsetzte, wobei er sich nun der Kameralwissenschaft widmete. Zu Jahresbeginn 1813 war er als Buchhandelsgehilfe im Unternehmen seines Nordstern-Bundesbruders Julius Eduard Hitzig angestellt.

Erste literarische Unternehmungen

Dem von Varnhagen und Adelbert von Chamisso gegründeten Nordsternbund war Neumann im Frühjahr 1804 beigetreten. Er beteiligte sich am sogenannten Grünen Musenalmanach und an der polemisch gegen die Kritik Merkels an der Berliner Romantik gerichteten Schrift Testimonia Auctorum, das ist: Paradiesgärtlein für Garlieb Merkel (1806). Mit Varnhagen gemeinsam gab er aus demselben Dichterkreis den Band Erzählungen und Spiele (1807) heraus. Gelungene Parodien auf Johannes von Müller (der hier als „Striezelmeyer“ figuriert) und Jean Paul steuerte er zu dem Kollektivroman Die Versuche und Hindernisse Karls bei, an dem neben Varnhagen auch Friedrich de la Motte-Fouqué und August Wilhelm Bernhardi mitschrieben.

Unter dem Einfluss der Vorlesungen August Wilhelm Schlegels wandte sich Neumann den romanischen Sprachen und Literaturen zu und übersetzte aus dem Italienischen und Französischen.

Befreiungskriege, Beamtenlaufbahn

Da seine körperliche Konstitution zu schwach war, um als Freiwilliger zu dienen, meldete sich Neumann beim Ausbruch der Befreiungskriege beim Feld-Kriegskommissariat und organisierte als Expedient während dreier Feldzüge die Verpflegung der Truppen, wofür er das Eiserne Kreuz 2. Klasse am weißen Band erhielt. Im August 1815 wurde er zum stellvertretenden Kriegskommissär ernannt und teils in Koblenz, teils in Trier stationiert, wo er Förderung durch den Oberpräsidenten Friedrich zu Solms-Laubach erfuhr.

1818 wurde Neumann als Beamter der Militärverwaltung nach Berlin versetzt und heiratete Doris Mnioch (* 1797; † 21. März 1848), die Tochter des frühverstorbenen Dichters Johann Jakob Mnioch, die ihm fünf Kinder gebar. Im April 1822 wurde Neumann zum Königlichen Intendanturrat bei der Intendantur des dritten preußischen Armeekorps ernannt. 1823 beteiligte er sich an der Sammlung von zeitgenössischen Dichter-Urteilen, die Varnhagen zum 75. Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe unter dem Titel Goethe in den Zeugnissen der Mitlebenden. Beilage zu allen Ausgaben von Goethes Werken veranstaltete.

Um seine große Familie zu ernähren, mit der er in der Lindenstraße 116 wohnte,[1] war er auf literarische Nebentätigkeiten angewiesen.

Kurzzeitig war Neumann Mitglied eines Ausschusses zur Prüfung der für die Königliche Schaubühne eingereichten Bühnenmanuskripte. Bei der Organisation der Berliner Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag von Ludwig Tieck am 31. Mai 1833 nahm er eine Führungsrolle ein.

Literaturkritiken und Rahel-Veröffentlichungen

In den von Hegel, Eduard Gans und Varnhagen gegründeten Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik war Wilhelm Neumann ein gefragter Mitarbeiter. Hier rezensierte er unter anderem Briefwechsel von Friedrich Heinrich Jacobis (1828, Sp. 140–154), die Gesammelten Schriften von Ludwig Börne (Jg. 1830, Sp. 481–494), den Briefwechsel Goethes mit Zelter (Jg. 1834, Sp. 59–68) und Tutti Frutti von Fürst Pückler (Jg. 1834, Sp. 701–711); seine Rezension der Gedichte Ludwigs I. von Bayern (Jg. 1829, Sp. 817–832) wurde von Goethe gelobt.[2]

Nach dem Tod Rahel Varnhagens, der Ehefrau seines Freundes und geistreichen Salonière, gab er im August 1833 Auszüge aus ihren Briefen, die bisher nur als Privatdruck in einem Band als Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde zirkulierten, erstmals öffentlich in den Druck.[3] Ferner schrieb er einen größeren Aufsatz Über Rahel's Religiosität, der aus seinem Nachlass erstmals 1836 erschien und später unter den Rahel-Aufsätzen verschiedener Verfasser in die Werkausgaben Varnhagens übernommen wurde.[4]

Früher Tod

Auf der Rückreise von einer Dienstreise nach Magdeburg starb Wilhelm Neumann nach kurzer Krankheit am 9. Oktober 1834 in Brandenburg an der Havel. In der Sammlung Varnhagen, deren Handschriften heute in der Biblioteka Jagiellońska (der Bibliothek der Universität) in Krakau aufbewahrt werden, liegen die meisten erhaltenen Briefe und Lebenszeugnisse von Neumann. Von seinen Beiträgen zu den Blättern für litterarische Unterhaltung besaß Varnhagen eine Sammlung von Zeitungsausschnitten.[5]

Herausgeber

  • (mit Karl August Varnhagen von Ense) Erzählungen und Spiele. Adolph Schmidt, Hamburg 1806
  • Der Preußische Vaterlandsfreund. Berlin, Februar bis Juni 1811
  • (mit Friedrich de la Motte Fouqué) Die Musen. Eine norddeutsche Zeitschrift. Berlin 1812–1824

Mitarbeit an Periodika

  • Adelbert von Chamisso / Karl August Varnhagen von Ense (Hrsg.): Musen-Almanach, Berlin 1804–1806
  • Zeitschrift für Criminal-Rechts-Pflege in den Preußischen Staaten, Berlin 1825–1833
  • Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, Berlin 1826–1846
  • Blätter für litterarische Unterhaltung, Leipzig 1826–1898

Werke und Übersetzung

  • (mit August Wilhelm Bernhardi, Friedrich de la Motte Fouqué, Karl August Varnhagen) Die Versuche und Hindernisse Karl's. Eine Deutsche Geschichte aus neuerer Zeit. Erster Theil. Georg Reimer, Berlin / Leipzig 1808
  • Des Nikolaus Machiavelli Florentinische Geschichte. Aus dem Italienischen übersetzt. 2 Bde., Weiss, Berlin 1809; 2. Aufl. Härter, Wien 1817 (Bibliothek historischer Classiker aller Nationen, Bd. 10 f.)
  • Karl August Varnhagen von Ense (Hrsg.): Wilhelm Neumann's Schriften. 2 Bde., F. A. Brockhaus, Leipzig 1835
  • Über Rahel's Religiosität. Von einem ihrer ältern Freunde. Reichenbach, Leipzig 1836

Briefe

  • Julius Eduard Hitzig (Hrsg.): Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso. Neue vermehrte Ausgabe, 2 Bde. Weidmann'sche Buchhandlung, Leipzig 1842 (Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 5 u. 6)
  • Albertine de La Motte Fouqué: Briefe an Friedrich Baron de la Motte Fouqué. W. Adolf, Berlin 1848, S. 279 ff.
  • Ludwig Geiger: Aus dem Varnhagen-Chamisso'schen Kreise. Goethe-Jahrbuch 24 (1903), S. 97–106
  • Ludwig Geiger: Aus Chamisso's Frühzeit. Ungedruckte Briefe nebst Studien. Gebr Paetel, Berlin 1905

Literatur

  • Helmuth Rogge (Hrsg.) Der Doppelroman der Berliner Romantik. 2 Bde., Klinkhardt und Biermann, Leipzig 1926
  • Nikolaus Dorsch: Julius Eduard Hitzig. Literarisches Patriarchat und bürgerliche Karriere. Eine dokumentarische Biographie zwischen Literatur, Buchhandel und Gericht der Jahre 1780-1815. P. Lang, Frankfurt a. M. u. a. 1994, ISBN 978-3-631-46441-0
  • Friedrich Römer: Varnhagen von Ense als Romantiker. Diss. Berlin 1934

Einzelnachweise

  1. Adreß-Kalender auf für die Königl. Haupt- und Residenz-Städte Berlin und Potsdam auf das Jahr 1826. Neudruck Helmut Schefer Verlag, Berlin 1989, ISBN 3-89433-153-4, S. 37
  2. Karl August Varnhagen von Ense: Wilhelm Neumann. In ders.: Werke, Bd. 4: Biographien. Aufsätze. Skizzen. Fragmente. Hrsg. v. Konrad Feilchenfeldt und Ursula Wiedenmann. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt a. M. 1990, ISBN 978-3-618-61585-9, S. 311
  3. Wilhelm Neumann: Aus Rahel's Nachlaß. In: Blätter für litterarische Unterhaltung, Nr. 237–291 v. 25.8.-18.10.1833, S. 977 ff., 981 ff., 985 ff., 1193 ff., 1197 ff.
  4. Vgl. Karl August Varnhagen von Ense: Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften. Bd. 8, hrsg. v. Ludmilla Assing. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, S. 713–764
  5. Ludwig Stern: Die Varnhagen von Ensesche Sammlung in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Behrend, Berlin 1911, S. 555

Weblinks