Wigand von Marburg

Wigand von Marburg[1] war ein Herold des Deutschen Ordens in Preußen, der zu Ende des 14. Jahrhunderts wirkte. Über seine Person ist kaum etwas bekannt. Er verfasste eine Reimchronik zur preußischen Geschichte, die in Auszügen und späteren Bearbeitungen erhalten ist. Die Reimchronik ist eine grundlegende Quelle für die Geschichte der preußischen Gebiete und des angrenzenden Polen und Litauen für die Jahre von 1293 bis 1394, besser von 1311 bis 1394.[2] Sie verbindet Tatsachenberichte mit Legenden, Volksmärchen und Mythen. Teilweise schildert Wigand als Zeitgenosse eigenes Erleben.

Reimchronik

Bis in das letzte Viertel des 16. Jahrhunderts existierte, zuletzt von den damaligen Danziger Chronisten Kaspar Schütz und Stenzel Bornbach benutzt, eine in kurzen deutschen Reimpaaren abgefasste Chronik, welche die Kriegszüge des Deutschen Ordens in Preußen, die litauischen wie die polnischen, von 1311 bis 1394 erzählte, und als deren Verfasser Schütz wohl nach einer Angabe in der ihm vorliegenden Arbeit selbst Wigandus von Marburg nennt. Der Verfasser des Dichtwerkes sagt von sich selbst, dass er sich in der Umgebung des Hochmeisters Konrad von Wallenrod (1391–1393) befunden und auf Veranlassung desselben sein Werk ausgearbeitet hätte; aller Wahrscheinlichkeit nach ist er ein und dieselbe Person mit dem Wygant von Marburg, welcher nach einer Notiz des Treßlerbuches (Ausgabebuches) des Ordens noch 1409 als hochmeisterlicher Wappenherold im Dienste war. Dann wäre er aber nicht, wie Schütz behauptet, ein Bruder des Ordens, noch auch von ritterlicher Herkunft.[3] 1863 waren von der deutschen Fassung neun kurze Bruchstücke bekannt mit zusammen 267 Versen. Hinzu kamen 1870 zwei Pergamentmakulaturen mit 134 und 140 Versen. Der ursprüngliche Umfang des ganzen Werkes wurde auf mindestens 25.000 Verse geschätzt.[3]

Prosafassung

1464 fertigte Konrad Gesselen, Kaplan in Thorn, nach eigener Angabe aus dem hessischen Geismar gebürtig, im Auftrag des polnischen Chronisten Jan Długosz innerhalb weniger Tage eine Übersetzung oder vielmehr Umarbeitung der Reimchronik in lateinische Prosa, die er Cronica nova Prutenica betitelte, zur Unterscheidung von der von ihm ebenfalls im Auszug übersetzten Reimchronik des Nikolaus von Jeroschin. Diese lateinische Fassung, welche 1821 zu Thorn aufgefunden wurde, gaben der Historiker Johannes Voigt und der polnische Graf Edward Raczyński mit einer parallel gesetzten polnischen Übersetzung 1842 zu Posen in Druck.[3]

Die lateinische Prosa-Bearbeitung ist fast vollständig erhalten, allerdings mit Abweichungen, oft falschen Angaben, wie etwa Verwechslungen von Orten, Flüchtigkeiten und Sinnentstellungen bis zur völligen Verbrämung. Konrad Gesselen übersetzte die lateinische Fassung wiederum ins Niederdeutsche, wobei er den Text resümierte und rhetorisch akzentuierte.[4]

Ausgaben

Literatur

  • Karl Kletke: Quellenkunde der Geschichte des Preußischen Staats, Band 1: Die Quellenschriftsteller zur Geschichte des Preußischen Staats. E. H. Schroeder, Berlin 1858, zu Wygant S. 82–84. Google Books
  • Karl LohmeyerWigand von Marburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 20, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 293 f.
  • Endre Bojtár: Foreword to the Past. A Cultural History of the Baltic People. Central European University Press, Budapest u. a. 1999, ISBN 963-9116-42-4.

Weblinks

Fußnoten

  1. Von Marburg ist hierbei eine Herkunftsangabe, die seinem Namen Wigand von späteren Historikern hinzugefügt wurde.
  2. Der Chronist beginnt seine Chronik mit einer Nachricht zum Jahr 1293, die ins Jahr 1311 zu setzen ist.
  3. a b c Karl LohmeyerWigand von Marburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 20, Duncker & Humblot, Leipzig 1884, S. 293 f.
  4. Krzysztof Kwiatkowski und Emilia Kubicka: Was kann die Translationswissenschaft über Konrad Gesselens Übersetzung der Chronik Wigands von Marburg sagen?, in: Marie-Luise Heckmann und Jürgen Sarnowsky (Hrsg.): Schriftlichkeit im Preußenland (= Tagungsberichte der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung. Bd. 30), Osnabrück: fibre-Verlag, 2020 ([1]), S. 315–354, hier S. 331 f.