Werner König (Linguist)

Werner König (2021)

Werner König (* 11. Mai 1943 in Schwabmünchen) ist ein deutscher Sprachwissenschaftler und pensionierter Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Augsburg.

Leben

Werner König wurde als jüngstes von drei Kindern des Schmiedemeisters Josef König und seiner Frau Christine in Graben (Lechfeld) geboren. Nach der vierjährigen Volksschule in Graben besuchte er bis zu seinem Abitur 1963 die Oberrealschule (heute: Holbein-Gymnasium) in Augsburg. Von 1963 bis 1969 studierte er Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für das höhere Lehramt an den Universitäten München, Marburg und Erlangen.[1] 1970 wurde er an der Universität Erlangen mit seiner Dissertation Untersuchungen zu Phonologie und Fachsprache im schwäbisch-alemannischen Mundartraum promoviert.[2] Nach einem halbjährigen Referendariat am E.T.A. Hoffmann-Gymnasium in Bamberg war er von 1971 bis 1975 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Freiburg i. Br. Ab 1976 lehrte er Deutsche Sprachwissenschaft an der noch jungen Universität Augsburg als Akademischer Rat, ab 1982 als Akademischer Oberrat, später als Akademischer Direktor.[1] Er habilitierte sich 1985 mit einer Arbeit über die Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland an der dortigen Philosophischen Fakultät II.[3] Seit 1990 bis zu seiner Pensionierung 2008 lehrte und forschte König als außerplanmäßiger Professor an der Universität Augsburg-[4] Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Forschung und Wirken

Schwerpunkte von Königs Forschung sind Phonetik, Phonologie, Variationslinguistik, Dialektologie, Dialektometrie, Sprachgeschichte und Namenforschung. Seine Arbeiten zu Phonetik/Phonologie und Dialektologie beruhen stets auf einer breiten empirischen Basis, so auch in seinem Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen: Auf der Grundlage bundesweit durchgeführter Erhebungen beschreibt er die Aussprache des Schriftdeutschen. Er weist nach, dass auch bei gebildeten Sprechern eine starke geographisch bedingte Variation vorhanden ist und dass keine Region die Normen der Aussprachewörterbücher erfüllt. Die Arbeit erfuhr ein großes Echo in der deutschen Presse[5][6][7][8][9][10][11] und vor allem auch in der Auslandsgermanistik. Mit diesem Werk standen erstmals umfangreichere Daten zur tatsächlichen Lautung des überregional gesprochenen Deutsch zur Verfügung, an denen man den Unterricht für Deutsch als Fremdsprache ausrichten konnte. Auf dieser Basis plädierte König, im Fremdsprachenunterricht ausgangssprachenorientierte Lehrnormen zu verwenden, die Rücksicht nehmen auf die Muttersprache der Lernenden.

Im Zentrum von Königs Schaffen stehen seine Forschungen auf dem Gebiet der Dialektologie. An der Universität Freiburg war er bereits an vorbereitenden Arbeiten und Explorationen für den SSA (Südwestdeutscher Sprachatlas) beteiligt. Den jahrzehntelangen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildete jedoch die wissenschaftliche Erforschung von Phonologie, Morphologie und Wortschatz der Dialekte in Bayerisch-Schwaben. Werner König ist der Begründer und Herausgeber des Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben (SBS), der, über 18 Jahre gefördert von der DFG, unter seiner Leitung von 1984 bis 2009 an der Universität Augsburg erarbeitet wurde und in 16 Bänden mit insgesamt 2700 Sprachkarten und ca. 8000 Seiten die Vielfalt der Dialekte in Bayerisch-Schwaben dokumentiert. Der SBS gilt als „Keimzelle“ des Gesamtprojekts Bayerischer Sprachatlas, der insgesamt 6 Regionalatlanten umfasst. Im Hinblick auf Exploration, Datenverarbeitung und Kartierungsprogramm spielte der SBS eine Vorreiterrolle und war methodisch richtungweisend.[12] Er ist der umfangreichste und umfassendste Sprachatlas im deutschsprachigen Raum und steht auch in elektronischer Form zur Verfügung. Auf der umfangreichen Datengrundlage des SBS und des Bayerischen Sprachatlasses entstanden mehrere Folgeprojekte: Zusammen mit seinem langjährigen Mitarbeiter Manfred Renn veröffentlichte Werner König den Kleinen Bayerischen Sprachatlas (mit 120 Karten) und den Kleinen Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben (mit ca. 180 Karten). Beide Werke sind wissenschaftlich fundiert, wenden sich aber an einen breiten, nicht linguistisch vorgebildeten Leserkreis und sind „modellbildend“ für den Typ „Kleiner Sprachatlas“ geworden. Sie haben bisher je drei Auflagen erreicht.

Einen außerordentlichen publizistischen Erfolg erzielte König als Autor des Handbuchs dtv-Atlas Deutsche Sprache, der 1978 erstmals veröffentlicht und bis zur 17. Auflage von 2011 mit 283.000 verkauften Exemplaren (sowie 20.000 verkauften CDs) von ihm betreut und laufend aktualisiert wurde.

Ein besonderes Anliegen ist ihm die Wertschätzung von Dialekt und Dialektsprechern. Er wendet sich gegen die Reduzierung von Dialekten zur Folklore und engagiert sich gegen die Diskriminierung von Sprechern mit regionalen Merkmalen, wie sie im beruflichen Umfeld und in den Medien stattfindet.[13][14] Damit einher gehen seine Vorschläge zur Erhaltung der Dialekte. Er sieht im Rahmen der derzeit sehr intensiven Diskussion über Diskriminierung eine Chance, die offenkundigen Benachteiligungen von Dialektsprechern und Sprechern mit regionalen Akzenten in der Öffentlichkeit zu thematisieren und damit aus der ihnen zugeschriebenen Minderwertigkeit zu befreien. Sie sollen damit aus der folkloristischen Ecke (Stichwort „Lederhose“, Oktoberfest, Karneval) geholt und als landschaftlich geprägtes Deutsch Gleichberechtigung finden.[15]

Mitgliedschaften

  • 1993 Berufung zum Mitglied der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft (Augsburg) mit Ernennung zum Betreuer des Historischen Ortsnamensbuchs von Bayern, Teil Bayerisch-Schwaben[16]
  • 1995 Berufung zum Mitglied der Kommission für Bayerische Landesgeschichte durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften
  • 2003 Berufung zum Mitglied der Kommission für Mundartforschung durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften.
  • 2004 Berufung zum Mitglied des Fachbeirates der Bayerischen Landesbibliothek Online

Gastprofessuren und Gastvorträge

Gastprofessuren und Gastvorträge führten Werner König an die Karls-Universität Prag (1996), an die Universität Aarhus/DK (1997), an die University of Pittsburgh/USA (2000) und an verschiedene Universitäten in Rom (2002) und Japan (2006).

Ehrungen

  • 1986 Bücher-Seitz-Preis der Universität Augsburg
  • 2004 Preis der Dr. Eugen Liedl-Stiftung
  • 2007 Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung
  • 2013 Sieben-Schwaben-Medaille des Bezirks Schwaben
  • 2018 Heimatpreis Bayern (für den Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben)

Publikationen (Auswahl)

1. Selbständige Publikationen

  • Atlas zur Aussprache des Schriftdeutschen in der Bundesrepublik Deutschland (2 Bände). Ismaning 1989, ISBN 3-19-001416-7.
  • Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben. Bd. 1. Einführung. Heidelberg 1997, ISBN 3-8253-0461-2.
  • dtv Atlas zur deutschen Sprache. Tafeln und Texte. Mit 138 farbigen Abbildungsseiten. 1. Auflage, München 1978; 10. überarbeitete Auflage mit 155 farbigen Abbildungsseiten, 1994; 17. durchgesehene und korrigierte Auflage, 2011. ISBN 978-3-423-03025-0.
  • Zusammen mit M. Renn: Kleiner Bayerischer Sprachatlas. Mit 121 Abbildungen in Farbe. 1. Auflage, München (dtv) Januar 2006; 3. Auflage, Juni 2009. ISBN 978-3-89639-595-5.
  • Zusammen mit M. Renn: Kleiner Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben (= Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Band 30). 1. und 2. Auflage, Augsburg 2007; 3. Auflage, Augsburg 2017. ISBN 978-3-89639-595-5.

2. Herausgebertätigkeit

  • Zusammen mit Hans Wellmann: Bayerischer Sprachatlas. Regionalteil 1: Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben. Heidelberg 1996–2009.
  • Brigitte Schwarz: Dialektwörterbuch von Bayerisch-Schwaben. Vom Allgäu bis zum Ries. Augsburg 2013.
  • Zusammen mit J.E. Schmidt und D. Stellmacher: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik, Jahrgang 71 bis 78 (2004–2011).

3. Aufsätze und Lexikonartikel

  • Probleme der Repräsentativität in der Dialektologie. In: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. Hg. von Werner Besch u. a. 1. Halbband. Berlin 1982, 463–485.
  • Das Jenische der Wasenmeister. Zum Funktionswandel einer Sondersprache. In: Rüdiger Harnisch u. a. (Hg.): „… im Gefüge der Sprachen“: Studien zu System und Soziologie der Dialekte. Festschrift für Robert Hinderling zum 60. Geburtstag (= Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beihefte 90). Stuttgart 1995, S. 115–129.
  • Phonetisch-phonologische Regionalismen in der deutschen Standardsprache. Konsequenzen für den Unterricht ‚Deutsch als Fremdsprache‘? In: Gerhard Stickel (Hg.): Varietäten des Deutschen. Regional- und Umgangssprachen (= Institut für deutsche Sprache. Jahrbuch 1996), S. 246–270.
  • Zur Etymologie des Monatsnamens Hornung. In: Elvira Glaser, Michael Schlaefer (Hg.): Grammatica Janua Artium. Festschrift für Rolf Bergmann zum 60. Geburtstag. Heidelberg 1997, S. 429–444.
  • Wenn sich Theorien ihre Wirklichkeit selbst schaffen: zu einigen Normen deutscher Aussprachewörterbücher. In: Annelies Häcki Buhofer (Hg.): Vom Umgang mit sprachlicher Variation. Soziolinguistik, Dialektologie, Methoden und Wissenschaftsgeschichte. FS für Heinrich Löffler zum 60. Geburtstag. Tübingen/Basel 1999, S. 87–98.
  • Ein Lautwechsel t > k oder wie die Tartoffel zur Kartoffel wurde. In: Germanistica Pragensia XVIII (= Acta Universitatis Carolinae, Philologica 3). Prag 2001, S. 95–101.
  • Kaufrufbilder. Eine bisher kaum beachtete Quelle zur Variation der gesprochenen Sprache des 18. und 19. Jahrhunderts. In: Ursula Götz, Stefanie Stricker (Hg.): Neue Perspektiven der Sprachgeschichte. Internationales Kolloquium des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 11. und 12. Februar 2005. Heidelberg 2005, S. 125–138.
  • Kommunikative Reichweiten. Ein Beitrag zur perzeptiven Dialektologie am Beispiel des Films „Wer früher stirbt ist länger tot“. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik, Jahrgang 77/1 2010, S. 1–18.
  • Investigating language in space: Methods and empirical standards. In: Jürgen Erich Schmidt, Peter Auer (Hg.): Language and Space. Theories and Methods. An International Handbook of Linguistic Variation. de Gruyter, Berlin / New York 2010, S. 494–511.
  • In Norddeutschland spricht man ein besseres Hochdeutsch. In: Oliver Ernst, Jan Claas, Lina Schaipp (Hg.): Populäre Irrtümer über Sprache. Reclam, Stuttgart 2011, S. 21–37.
  • Wir können alles. Außer Hochdeutsch. Genialer Werbespruch oder Eigentor des deutschen Südens. Zum Diskriminierungspotential dieses Slogans. In: Sprachreport 29. Jg. Heft 4/2013, S. 5–14.
  • Zusammen mit: Simon Pröll, Simon Pickl, Aaron Spettl, Volker Schmidt, Evgeny Spodarev und Stephan Elspaß: Neue Dialektometrie mit Methoden der stochastischen Bildanalyse. In: Roland Kehrein, Alfred Lameli, Stefan Rabanus (Hg.): Regionale Variation des Deutschen. Projekte und Perspektiven. De Gruyter Mouton, Berlin 2015, S. 173–194.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Werner König, auf dtv.de, abgerufen am 11. Mai 2021.
  2. Historischer Verein für Schwaben: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben. Bände 70 – 73, 1976, Seite 102.
  3. Eintrag zu Werner König, In: germanistenverzeichnis.de, erschienen am 27. November 2005, abgerufen am 26. September 2021.
  4. Pressemitteilung der Universität Augsburg UPD 2009/13: Der Augsburger König der Dialektforschung geht online in Ruhestand.
  5. Augsburger Allgemeine, 14. April 1989.
  6. Westdeutsche Allgemeine, Essen, 4. Juni 1989.
  7. Badische Zeitung, 21. April 1989
  8. Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberg, 26. Oktober 1989
  9. Weser Kurier, 25. August 89.
  10. Aachener Volkszeitung, 25. August 1989.
  11. Mannheimer Morgen, 20. Oktober 1989.
  12. Interview: Es darf nicht über Exploratoren geschimpft werden. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Band LXXXIII, Heft 2. Stuttgart 2016. 193 – 207.
  13. W. König: Wir können alles. Außer Hochdeutsch. Auf ids-pub.bsz-bw.de, abgerufen am 10. Mai 2021
  14. Dialekt darf nicht Folklore werden. Interview von Thomas Wunder mit Werner König und Manfred Renn. In: Augsburger Allgemeine, 26. Oktober 2004.
  15. Hans Kratzer: Mundart als Anlass für Diskriminierung. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 300, 29./30. Dezember 2012.
  16. Mitgliederliste der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, abgerufen am 10. Mai 2021.

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