Verwaltungsgerichtsbarkeit

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst die Gerichte, die in Angelegenheiten des Verwaltungsrechts, also der Rechtsordnung der öffentlichen Verwaltung (Administrative) entscheiden.

Begriff

Verwaltungsgerichtsbarkeit (englisch Administrative Justice) erscheint in erster Betrachtung als relativ klarer Begriff, umfasst aber etliche Aspekte, die nach Kontext zugeordnet werden können, oder nicht.[1] Im Allgemeinen umfasst der Begriff die Revision der öffentlichen Verwaltung in den höheren Instanzen.[2]

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in manchen Staaten als eigener Gerichtszweig eingerichtet, während andere Staaten eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht kennen. Teilweise ist eine Nachprüfung des Verwaltungshandelns durch unabhängige Gerichte überhaupt nicht vorgesehen. Neben Gerichtshöfen (englisch court) und Tribunalen (englisch tribunal)[3] gibt es in der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch andere, nicht im engeren Sinne gerichtliche Werkzeuge, wie Ombudsmänner und Mediationen[4] (welche auch in anderen Gerichtszweigen zunehmend zum Einsatz kommen). Im Sinne der Acquis communautaire im geeinten Europa etwa wird der Begriff der Verwaltungsgerichte relativ weit gesehen.[3]

Wie auch bei der Verfassungsgerichtsbarkeit ist die Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sinne der Gewaltenteilung wesentlich für ihre Abgrenzung von anderen Formen von Rechtsmittelinstanzen.[5] Andererseits steht sie selbst auch in gewissem Maße zwischen den Gewalten, sie gehören zwar selbst zur Judikative, das materielle Objekt ihrer Kompetenzen ist aber die Exekutive, so wie die Verfassungsgerichtsbarkeit die Legislative judiziert. Das macht die spezielle Stellung dieser beiden Gerichtszweige aus.[6]

Nationales

  • In Deutschland obliegt die Kontrolle der Verwaltung überwiegend den Gerichten der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit. Diese für deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit eigentümliche Organisation weicht vom übrigen Europa deutlich ab.[7]
  • In der Schweiz haben die Kantone und der Bund je eigene Verwaltungsgerichte oder entsprechende Gerichtsabteilungen sowie Rekurskommissionen eingerichtet.
  • Frankreich hat eine streng spezialisierte Verwaltungsgerichtsbarkeit, in drei Instanzen, mit dem Conseil d’État als Höchstgericht. Diese hat neben judizieller Kompetenz auch die Aufgabe, die Regierung zu beraten.[8]
  • In Italien gibt es regionale Verwaltungsgerichte erster Instanz, die zweite und letzte Instanz ist der Staatsrat.[9]
  • In englischen Rechtssystemen gibt es meist keine eigenen Verwaltungsgerichte. Außerdem untersteht die Gerichtsbarkeit prinzipiell dem Parlament (Concept of parliamentary sovereignty).[8]

Siehe auch

Literatur

  • Susan Rose-Ackerman, Peter L. Lindseth: Comparative Administrative Law. Edward Elgar, 2011, ISBN 978-1-84844-642-7 (Inhalt, e-elgar.com – USA, Kontinentaleuropa, British Commonwealth ergänzt um Lateinamerika, Afrika, Asien).
  • Peter Cane: Administrative Tribunals and Adjudication. Hart Publishing, 2009.
  • M. Asimow: The Administrative Judiciary: ALJs in Historical Perspective. In: Journal of the National Association of Administrative Law Judges. 20, 157, 2000.
  • Roland Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. Working Paper submitted for the Twinning Project Support to more efficient, effective and modern operation and functioning of the Administrative Court of the Republic of Croatia. University of Salzburg, November 2007 (web.archive.org [PDF; 159 kB; abgerufen am 29. August 2021]).

Weitere Literatur siehe Comparative Administrative Law. (Memento vom 19. Juni 2010 im Internet Archive) (PDF; 22 kB). Seminar 3 The Institutions of Administrative Justice: Courts, Agencies and Tribunals. S. 2 (PDF, law.yale.edu, Nachlese zur Lehrveranstaltung P. Cane)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel I.A. Scope of Administrative Justice, S. 5.: „At first glance, the term “Administrative Justice” may appear clear enough. There are, however, several phenomena that may or may not be meant to be included, depending on the respective context.“
  2. R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel A. Scope of Administrative Justice, S. 5.: „The processes of administrative review by the administrative authority of higher tier usually fall beyond the scope of Administrative Justice.“
  3. a b Auch die Definition eines Gerichtshofes selbst ist schon durchaus abweichend; für Europa etwa wird ein Gerichtshof weitgefasst als jede formal unabhängige Autorität gesehen, die Konflikt auf Basis der rechtlichen Standards entscheidet R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel III. B. The definition of “court”, S. 9.: „Under Art 234 ECT and Art 35 EUT, a “court” […] is defined broadly as any formally independent authority deciding a dispute based on legal standards.“
  4. R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel I.A. Scope of Administrative Justice, S. 5.
  5. S. Rose-Ackerman, P. L. Lindseth: Comparative Administrative Law. 2011, Part III: Administrative Independence und S. 25; Peter Cane: Judicial Review and Merits Review: Comparing Administrative Adjudication by Courts and Tribunals.
  6. R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel II.B. Position in the separation of powers, S. 6.
  7. R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel I.C. Concepts, S. 7.
  8. a b R. Winkler: Administrative Justice in Europe: The EU Acquis, good practice and recent developments. 2007, Kapitel I.C. Concepts, S. 6.
  9. Internetauftritt der italienischen Verwaltungsgerichtsbarkeit