Verrechnungssteuer

Die Verrechnungssteuer ist in der Schweiz eine vom Bund neben der Quellensteuer erhobene Steuer auf dem Ertrag des beweglichen Kapitalvermögens (insbesondere auf Zinsen und Dividenden),[1] auf schweizerische Lotteriegewinne und auf bestimmte Versicherungsleistungen. Sie ist eine Form der Einkommenssteuer. Die Steuer bezweckt in erster Linie die Eindämmung der Steuerhinterziehung; die Steuerpflichtigen sollen veranlasst werden, den für die direkten Steuern zuständigen Behörden die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte und Vermögenserträge sowie das Vermögen, aus dem die steuerbaren Gewinne erzielt wurden, anzugeben.

Sie kann von Steuerausländern nicht über die deutsche Einkommensteuererklärung angerechnet oder teilweise erstattet werden, wird aber unter bestimmten Voraussetzungen von der Schweiz erstattet.

Bei in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen wird die Verrechnungssteuer unter bestimmten Voraussetzungen durch Verrechnung mit der Einkommenssteuer oder in bar zurückerstattet. Wenn der Steuerpflichtige seiner Deklarationspflicht nachkommt, wird er durch die Steuer somit nicht endgültig belastet.

Der Bund erzielte durch die Verrechnungssteuer im Jahr 2010 CHF 4'723 Mio. an Einnahmen, was 8 % des Gesamtbudgets entsprach.[2]

Geschichte

Eingeführt wurde die Verrechnungssteuer, deren geistiger Vater Pierre Grosheintz war, im Januar 1944 mit einem Steuersatz von 15 %, seit 1976 beträgt der Satz für die meisten Vorgänge 35 %.

Anwendung

Die Verrechnungssteuer ist eine Steuer des Zahlungsempfängers; sie wird aber vom Auszahlenden einbehalten und an die Eidgenössische Steuerverwaltung abgeführt. Der Empfänger erhält vom Auszahlenden eine Bescheinigung über den Steuerabzug. Gibt der Empfänger nun seine empfangene Zahlung in der Steuererklärung an, erhält er die einbehaltene Steuer auf seine Steuerschuld angerechnet und eine zu viel gezahlte Steuer erstattet. Die Verrechnungssteuer ist in aller Regel höher als die Einkommenssteuer, daher führt eine Deklaration der Zinserträge in den meisten Fällen zu einer Rückerstattung.

So ist beispielsweise eine Bank verpflichtet, bei Zinszahlungen eine Steuer von 35 % einzubehalten und an die Steuerverwaltung abzuführen.

Beispiel: Verrechnungssteuer auf Zinsen
KontoguthabenCHF 200'000
Jahreszins 1,0 %CHF 2'000
Verrechnungssteuer 35 %CHF 700

Der Kontoinhaber bekommt also von der Bank nur CHF 1'300.00 an Zinsen gutgeschrieben. Die Verrechnungssteuer von CHF 700.00 wird von der Bank an den Staat abgeführt.

Ist der Empfänger nicht in der Schweiz, sondern in einem anderen Staat ansässig, so gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Die Schweiz hat mit dem Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen[3][4] und das Abkommen sieht vor, dass die Schweiz keine oder nur eine geringere Quellensteuer erheben kann. Dann kann die Verrechnungssteuer bereits bei Auszahlung auf den im Abkommen genannten Satz verringert werden oder die zu viel gezahlte Steuer kann von der Schweizer Steuerverwaltung zurückgefordert werden. Eine Steuer, die gemäss Abkommen einbehalten wurde, kann eventuell auf die heimische Steuer des Empfängers angerechnet werden.
  • Es besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen. In diesem Falle ist die Steuerbelastung in der Schweiz endgültig. Eventuell kann die Steuer oder ein Teil davon im Heimatland des Empfängers auf seine Steuerschuld angerechnet werden.

Bei der Verrechnungssteuer handelt es sich um eine Selbstveranlagungssteuer. Das bedeutet, dass der Zahlende die Steuer selbst anmelden und berechnen muss.

Ertrag aus beweglichem Kapitalvermögen

Der Steuer unterliegen

  • Zinsen und ähnliche Kapitalerträge aus Anleihen und ähnlichen Forderungen;
  • Dividenden und andere Vorteile aus Aktien, GmbH-Anteilen, Genossenschaftsanteilen, Partizipationsscheinen und Genussscheinen.
  • Ausschüttungen aus Anlagefonds.
  • Zinsen auf Kundenguthaben bei Banken und Sparkassen.
  • Lotteriegewinne ab einem Gewinn von 1000 CHF.

Von der Verrechnungssteuer ausgenommen[5] sind insbesondere:

  • Zinsen von Kundenguthaben, wenn der Zinsbetrag für ein Kalenderjahr 200 CHF nicht übersteigt und die Zinsen einmal pro Jahr gutgeschrieben werden.
  • Zinsen von einem 3.-Säule-Konto.

Für Dividenden und andere Vorteile unter verbundenen Unternehmen innerhalb der Schweiz kann die Zahlung durch eine Meldung ersetzt werden[6]. Das gleiche Verfahren können Unternehmen aus der Europäischen Union, den anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und aus solchen Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, das hierfür keine Quellensteuerpflicht vorsieht, anwenden.

Andere Fälle

Schweizer Lotteriegewinne über 1'000'000 CHF sind der Verrechnungssteuer von 35 % unterworfen.

Bei Leibrenten und Pensionen wird eine Steuer von 15 % und bei sonstigen Versicherungsleistungen, speziell bei Kapitalauszahlungen aus Lebensversicherungen, werden 8 % einbehalten.

Umgehungstatbestände und Hinterziehung

Da die Verrechnungssteuer für Steuerausländer zur endgültigen Steuerbelastung werden kann, wird versucht, diese Belastung über verschiedene rechtliche Gestaltungen zu vermeiden oder zu vermindern. Eine solche Gestaltung können sogenannte Securities-Lending- und Repo-Geschäfte sein. Hierzu hat die Eidgenössische Steuerverwaltung eine besondere Verwaltungsanweisung erlassen, um die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen zu verhindern.[7]

Gibt man Einkünfte, die mit Verrechnungssteuer belastet sind, nicht in der Steuererklärung an, gilt dies als Steuerhinterziehung und ist gemäss Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) strafbar. Die Busse beträgt in der Regel das Einfache der hinterzogenen Steuer.

Verrechnungssteuer im Verhältnis zu Deutschland

Die Verrechnungssteuer wird durch das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland begrenzt. Daher wirkt sie sich auf eine Person, die in Deutschland ansässig ist, folgendermassen aus:

Art der ZahlungEmpfängerAuswirkung
Zinsen und ähnliche Vorteilenatürliche Person oder juristische PersonVerrechnungssteuer: 0 %[8]
Dividendennatürliche PersonVerrechnungssteuer: 15 %[9]
Dividendenjuristische PersonVerrechnungssteuer: 0 - 15 %[10]
Erträge aus Genusscheinen und ähnlichemnatürliche Person oder juristische PersonVerrechnungssteuer: 30 %[11]
Lotteriegewinne, Versicherungsleistungennatürliche oder juristische PersonVerrechnungssteuer: 0 %[12]
Leibrenten, Pensionennatürliche oder juristische PersonVerrechnungssteuer: 0 %[13]

Die Differenz zwischen dem maximalen Steuersatz nach dem Abkommen und dem Satz nach Verrechnungssteuergesetz kann in der Schweiz zurückgefordert werden. In Deutschland kann maximal die Steuer angerechnet werden, die nach Abkommen maximal einbehalten werden darf.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Uli Reitz: Zinsen aus der Schweiz 8. September 2014.
  2. Eidgenössische Finanzverwaltung, Taschenstatistik Öffentliche Finanzen 2011 (PDF, 1551 KB)@1@2Vorlage:Toter Link/www.bfs.admin.ch (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  3. vgl. beispielsweise Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Stand am 28. Dezember 2016, abgerufen am 21. August 2020.
  4. Das deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen Netzwerk der Informations- und Beratungsstellen für grenzüberschreitende Fragen am Oberrhein, abgerufen am 21. August 2020.
  5. Art. 5 Verrechnungssteuergesetz
  6. Art. 20 Verrechnungssteuergesetz
  7. Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, Kreisschreiben Nr. 13, 1. September 2006. Kantonale Steuerverwaltung Basel-Landschaft. Abgerufen am 10. März 2013.
  8. Art. 11 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland
  9. Art. 10 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland
  10. Art. 10 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland
  11. Art. 10 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland
  12. Art. 21 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland
  13. Art. 18 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland