Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II)

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Verordnung (EG) Nr. 343/2003

Titel:Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist
Bezeichnung:
(nicht amtlich)
Dublin-II-Verordnung
Geltungsbereich:EWR
Rechtsmaterie:Asylrecht, Verwaltungsrecht
Grundlage:AEUV, insbesondere Art. 78 Abs. 2 lit. c
Verfahrensübersicht:Europäische Kommission
Europäisches Parlament
IPEX Wiki
Anzuwenden ab:17. März 2003
Ersetzt durch:Verordnung (EU) Nr. 604/2013
Außerkrafttreten:18. Juli 2013
Fundstelle:ABl. L, Nr. 50, 25. Februar 2003, S. 1–10
VolltextKonsolidierte Fassung (nicht amtlich)
Grundfassung
Regelung ist außer Kraft getreten.
Bitte den Hinweis zur geltenden Fassung von Rechtsakten der Europäischen Union beachten!

Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Unterzeichnerstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Unterzeichnerstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ist eine Verordnung der Europäischen Union, nach der der Mitgliedstaat bestimmt wird, der für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Die Verordnung wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L, Nr. 50 vom 25. Februar 2003 veröffentlicht. Sie trat im März 2003 in Kraft und ersetzte im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems das Dubliner Übereinkommen, weshalb sie kurz als Dublin-II-Verordnung bezeichnet wird.

Nachfolgend ist seit dem 19. Juli 2013 die Dublin-III-Verordnung in Kraft.

Geltungsbereich

Bei Erlass der Verordnung wurden Dänemark zunächst gewisse Vorbehalte und Ausnahmebestimmungen eingeräumt, die das Land 2006 jedoch aufgab.[1] Die Dublin-II-Verordnung gilt daher inzwischen in allen Mitgliedstaaten. Durch Vertrag haben sich zudem die Nicht-EU-Staaten Norwegen, Island und die Schweiz dem durch die Dublin-II-Verordnung geregelten Asylsystem angeschlossen.

Inhalt

Die Verordnung regelt, welcher Mitgliedstaat für einen im Geltungsbereich gestellten Asylantrag zuständig ist. Damit soll erreicht werden, dass ein Asylsuchender innerhalb der Mitgliedstaaten nur noch ein Asylverfahren betreiben kann. Welcher Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, wird durch die in der Verordnung genannten Kriterien bestimmt. Stellt der Asylsuchende dennoch in einem anderen Mitgliedstaat seinen Asylantrag, wird kein Asylverfahren mehr durchgeführt, sondern der Asylsuchende an den zuständigen Staat überstellt. Das Rückgrat der Dublin-II-Verordnung ist die europäische Datenbank EURODAC, die den Asylbehörden bei der Prüfung ihrer Zuständigkeit Anhaltspunkte dafür liefert, ob der betreffende Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat und/oder wann und wo er illegal die Außengrenzen des Geltungsbereichs der Verordnung überschritten hat.

Die Kriterien zur Bestimmung der Zuständigkeit folgen im Wesentlichen dem Grundgedanken, dass der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein soll, der die Einreise veranlasst oder nicht verhindert hat. Danach ist ein Staat zuständig, wenn der Asylsuchende mit einem von diesem Staat ausgestellten Visum in den Geltungsbereich der Dublin-II-Verordnung gelangt ist oder wenn er über die Grenzen eines Mitgliedstaates illegal eingereist ist. Berücksichtigt werden aber auch humanitäre Gesichtspunkte, die vor allem im Grundsatz der Familieneinheit ihren Niederschlag finden: Reisen etwa Mitglieder einer Familie über verschiedene Wege in den Geltungsbereich der Dublin-II-Verordnung ein, werden ihre Asylanträge dennoch in einem bestimmten Staat gemeinsam behandelt.

Asylantrag im Sinne dieser Zuständigkeitsregelung ist jedes Ersuchen um internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat, das als Schutzersuchen nach den Vorschriften in dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge („Genfer Flüchtlingskonvention“) angesehen werden kann (Art. 2c Dublin-II-VO), damit fällt in Deutschland der Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG ebenso darunter wie der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthaltsG.

Kritik

Gelegentlich wird die Dublin-II-Verordnung als Umsetzung einer als restriktiv erachteten Haltung der Unterzeichnerstaaten gegenüber Asylsuchenden kritisiert. Die Staaten an den EU-Außengrenzen kontrollieren diese Grenzen streng, weil sie sonst für alle nachfolgenden Asylverfahren und die damit verbundenen Kosten zuständig wären. Oftmals versuchen Migranten dennoch, die Grenzen zu überwinden; nicht selten in Abhängigkeit von professionellen Schleusern.

Deutschland

Kritiker der deutschen Praxis verweisen aber auch auf den Ablauf des Dublin-Verfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Überstellung des Asylbewerbers in einen anderen europäischen Staat oftmals ohne Mitteilung an den Betroffenen vorbereitet und die Abschiebung des Betroffenen in Anwendung des § 34a Abs. 1 AsylVfG (heutige Bezeichnung: AsylG) ohne vorherige Androhung durchführen lässt.

Die Dublin-II-Verordnung ist aber auch wegen der nicht in allen Staaten gleichermaßen erfüllten Asyl- und Sozialstandards in der Diskussion. Das war in der jüngeren Vergangenheit bei Griechenland der Fall, also wenn Asylbewerber aufgrund der Dublin II-Verordnung nach Griechenland überstellt werden sollten. Angesichts vieler Auskünfte dahin, dass den Asylbewerbern in Griechenland der Zugang zu einem geregelten Asylverfahren und einer den europäischen Sozialstandards entsprechenden Versorgung nicht gewährt wird,[2] wurden seit 2008 Überstellungen von Deutschland nach Griechenland von einigen Verwaltungsgerichten ausgesetzt.[3] Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht Überstellungen nach Griechenland beginnend mit einer Entscheidung am 8. September 2009[4] vorläufig ausgesetzt. Zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache ist es dann aber nicht mehr gekommen, weil das Bundesministerium des Innern zwischenzeitlich erklärt hat, alle in Deutschland gestellten Asylanträge, die nach der Dublin-II-Verordnung eigentlich in Griechenland zu bearbeiten wären, bis zum 18. Januar 2012 zu übernehmen.[5][6] Eine solche Übernahme des Asylverfahrens ist jedem Staat im Wege des sogenannten Selbsteintritts möglich, vorausgesetzt, dass bei ihm ein Asylantrag gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO).

Mittlerweile haben die deutschen Verwaltungsgerichte auch hinsichtlich anderer Dublin-Staaten Vorbehalte: So hat im November 2010 erstmals ein Verwaltungsgericht mit der Begründung ungenügender Sozialstandards die Überstellung eines Flüchtlings nach Italien ausgesetzt.[7] Die Umstände, unter denen selbst anerkannte Flüchtlinge in Italien untergebracht und versorgt werden, sind durch einen von Pro Asyl veröffentlichten Bericht dokumentiert.[8] Ebenso setzte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg das Abkommen im Juli 2016 außer Kraft, indem es der Bundesrepublik die Rückführung eines Syrers nach Ungarn untersagte und angab, dem Mann drohe dort beim Stellen eines Asylantrags eine „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“.[9]

Urteil des EGMR

Von großer Bedeutung für die Dublin-II-Verordnung ist das Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Januar 2011.[10] In dem Fall ging es um die Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen von Belgien, der dort einen Asylantrag gestellt hatte. Das belgische Ausländeramt ordnete die Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland an, wo er einen Asylantrag stellen könnte. Der Gerichtshof sah die Überstellung des Beschwerdeführers von Belgien nach Griechenland aufgrund der Mängel im dortigen Asylsystem als „erniedrigende und unmenschliche Behandlung“ im Sinne von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) an. Gleichzeitig wurde Griechenland wegen der dortigen Haft- und Lebensbedingungen für Asylwerber verurteilt (Verstoß gegen Artikel 13 EMRK, „Recht auf wirksame Beschwerde“).[11]

Siehe auch

Literatur

  • Christian Filzwieser, Andrea Sprung: Dublin II-Verordnung. Das Europäische Asylzuständigkeitssystem. 3. Auflage. Neuer Wissenschaftlicher Verlag, 2009, ISBN 978-3-7083-0649-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Beschluss 2006/188/EG des Rates vom 21. Februar 2006 über den Abschluss des Übereinkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark zur Ausdehnung auf Dänemark der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist
  2. Dokumente von PRO ASYL e.V. zur Situation in Griechenland (Memento desOriginals vom 11. November 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.proasyl.de.
  3. Rechtsprechungsnachweise in: Ruth Weinzierl: Der Asylkompromiss 1993 auf dem Prüfstand. (PDF; 544 kB) Berlin 2009, S. 27ff.
  4. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009.
  5. Pressemitteilung des Bundesministeriums des Inneren vom 19. Januar 2011. (Memento vom 30. Oktober 2014 im Internet Archive)
  6. Pressemitteilung Nr. 6/2011 des BVerfG vom 26. Januar 2011, abgerufen am 16. Juni 2011.
  7. Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 9. November 2010. (PDF; 156 kB)
  8. Dominik Bender, Maria Bethke: Zur Situation von Flüchtlingen in Italien. (Memento desOriginals vom 7. Juli 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.proasyl.de (PDF; 5,4 MB) Frankfurt 2011.
  9. Deutsches Gericht verbot Abschiebung nach Ungarn. In: Standard.at. 18. Juli 2016.
  10. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Beschwerde-Nr. 30696/09).
  11. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte untersagt Abschiebungen nach Griechenland. In: Der Standard.at. abgerufen am 21. Januar 2011.

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Die Europaflagge besteht aus einem Kranz aus zwölf goldenen, fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Hintergrund.

Sie wurde 1955 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und erst 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen.

Die Zahl der Sterne, zwölf, ist traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit. Nur rein zufällig stimmte sie zwischen der Adoption der Flagge durch die EG 1986 bis zur Erweiterung 1995 mit der Zahl der Mitgliedstaaten der EG überein und blieb daher auch danach unverändert.