Uta von Naumburg

Statue Utas im Naumburger Dom
Ganzkörperbild der Statue Utas, Briefmarke der Bundespost Berlin, 1957

Die Uta von Naumburg genannte Statue ist eines der bedeutendsten plastischen Bildwerke der deutschen Gotik. Die farbig gefasste Steinfigur wurde Mitte des 13. Jahrhunderts vom so genannten Naumburger Meister geschaffen und befindet sich im durch den Lettner abgetrennten Westchor des Naumburger Doms. Es handelt sich um eine der zwölf Stifterfiguren einer frühen Kapelle, um die der neue Dom im 13. Jahrhundert gebaut wurde.

Die Figur

Die Skulptur wird allgemein als Darstellung der Uta von Ballenstedt (1000?–1046) angesehen, der Ehefrau des Markgrafen Ekkehard II. von Meißen. Aufgrund der für eine Markgräfin untypischen Krone und der Trageweise des Mantels ist das zuletzt angezweifelt worden.[1]

Die zu dieser Zeit bereits seit über zweihundert Jahren verstorbenen Kirchenstifter stehen als großartig individuell charakterisierte Persönlichkeiten in einem Halbkreis zusammen. Die künstlerische Sprache ist der Höhepunkt einer Entwicklung, die in Deutschland um 1200 einsetzte und bestrebt war, die schablonenhafte Typenhaftigkeit der Romanik zu überwinden, und zwar vor allem durch Steigerung individueller Merkmale, besonders durch die Bewegung der Figuren. All das findet in den Naumburger Stifterfiguren seinen krönenden Abschluss. Zu der für ihre Zeit revolutionären Idee, im besonderen Bereich des Chores nicht heilige, sondern weltliche Personen darzustellen, kommt die neue künstlerische Form.

Der Weg der Naumburger Hütte lässt sich bis nach Meißen verfolgen. Vor allem die singuläre, völlig neuartige Gestalt der Uta wurde in der Kunstgeschichte als eine der genialsten Schöpfungen der deutschen Bildhauerkunst berühmt. Der bis zur halben Gesichtshöhe schützend hochgezogene Mantelkragen, der von innen durch die rechte Hand gehalten wird und von dem aus lange, senkrecht bis zum Boden hinunter sinkende Gewandfalten ausgehen, während die linke Hand wie zur eigenen Sicherung den anderen Mantelteil an sich zieht und damit ein wunderbares Bewegungsmotiv schafft, all das war als psychologisches Motiv neu und brachte schlagartig eine neue seelische Grundsituation in die deutsche Plastik ein: die schutzsuchende edle Frau, die noch in der Handlung der eigenen Absicherung nach außen absolute Souveränität ausstrahlt.

Zu besonderer Bedeutung gelangte die Abbildung der Markgräfin gegen Ende des 19. Jahrhunderts. In der Zeit der aufkommenden Fotografie und der Publikation von illustrierten Führern zur deutschen Kunstgeschichte rückte die Figur der Uta in eine zentrale Position. Dabei übersah man häufig ihre Einordnung in den Kreis der 12 Stifter (Gerburg, Konrad, Hermann, Regelindis, Dietmar, Sizzo, Wilhelm, Timo, Ekkehard, Gepa und Dietrich) und behandelte sie als Solitär. Nur sie wurde von den Stifterfiguren namentlich breiten Kreisen vertraut. Ihr Mythos vergrößerte sich auf diese Weise. Einen Höhepunkt erreichte ihre Verehrung im Nationalsozialismus, wo man sie zum vermeintlichen Ausdruck reiner deutscher Gesinnung und typisch deutschen weiblichen Wesens stilisierte. Als Tonfiguren für den privaten Haushalt wurde sie oft zusammen mit dem Bamberger Reiter aufgehängt, Ikonen der Idealvorstellungen vom deutschen Mann und der edlen deutschen Frau.

Würdigung

Umberto Eco würdigt Uta von Naumburg in einer ganz besonderen Weise. In einem Interview für die Süddeutsche Zeitung[2] sagt er: „Wenn Sie mich fragen, mit welcher Frau in der Geschichte der Kunst ich essen gehen und einen Abend verbringen würde, wäre da zuerst Uta von Naumburg.“[3]

Literatur

Sachbuch

  • Wolfgang Ullrich: Uta von Naumburg. Eine deutsche Ikone. Wagenbach, Berlin 2005, ISBN 3-8031-2523-5. (Rezension)
  • Helga Wäß: Die Wandskulpturen im Naumburger Dom. Band 2. In: Helga Wäß: Form und Wahrnehmung mitteldeutscher Gedächtnisskulptur im 14. Jahrhundert. Edition Tenea, Berlin 2006, ISBN 3-86504-159-0, S. 467 ff.
  1. Ein Beitrag zu mittelalterlichen Grabmonumenten, Epitaphen und Kuriosa in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nord-Hessen, Ost-Westfalen und Südniedersachsen.
  2. Katalog ausgewählter Objekte vom Hohen Mittelalter bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts.
  • Wolfgang Hartmann: Vom Main zur Burg Trifels – vom Kloster Hirsau zum Naumburger Dom. Auf hochmittelalterlichen Spuren des fränkischen Adelsgeschlechts der Reginbodonen. Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V. Bd. 52. Aschaffenburg 2004, ISBN 3-87965-098-5.
  • Folkhard Cremer: Der antistaufische Figurenzyklus im Naumburger Westchor und warum es darin keine Uta von Ballenstedt gibt. In: Das Münster. 51.1998, S. 262–270 (andere Deutung der Figur).
  • Michael Imhof, Holger Kunde: Uta von Naumburg. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, ISBN 978-3-86568-655-8.
  • Gerhard Straehle: Der Naumburger Stifterzyklus. Elf Stifter und der Erschlagene im Westchor (Synodal-Chor) des Naumburger Doms. (= Die Blauen Bücher). Verlag Langewiesche, Königstein i. Ts. 2012, ISBN 978-3-7845-2960-8.

Belletristik

  • Hanna Kiel: Uta von Naumburg. Erzählung. Rembrandt, Berlin 1936.
  • Rosemarie Schuder: Der Ketzer von Naumburg. Historischer Roman. BS, Rostock 2005, ISBN 3-89954-133-2.
  • Felix Dhünen: Uta von Naumburg. Schauspiel in 3 Akten. Bloch, Berlin 1934.
  • Claudia Beinert, Nadja Beinert: Die Herrin der Kathedrale. Historischer Roman, Knaur 2013, ISBN 978-3-426-51404-7.

Weblinks

Commons: Stifterfigur Uta von Naumburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Michael Imhof, Holger Kunde: Uta von Naumburg. Imhof, Petersberg 2011, ISBN 978-3-86568-655-8, S. 58; Kerstin Merkel: Neue Beobachtungen zur Kleidung der Naumburger Stifterfiguren. In: Hartmut Prohm, Holger Kunde (Hrsg.): Der Naumburger Meister – Tagungsband zur Landesausstellung 2011. Imhoff, Petersberg 2012, ISBN 978-3-86568-742-5, S. 188–203, hier S. 191, wonach die dargestellte Person von Zeitgenossen als gottlose Frau wahrgenommen worden sein muss, weil sie ihren Mantel wie ein Mann trug. (PDF)
  2. Espejo, espejito. 22. Januar 2008, abgerufen am 1. Juli 2019 (spanisch).
  3. Holger Kunde: Der Dom zu Naumburg. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, S. 26.

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