Untergärige Hefe

Untergärige Hefe (historisch auch Unterhefe genannt[1]) ist eine Bierhefe, die beim Bierbrauen nach der Gärung auf den Boden des Gärgefäßes absinkt. Untergärige Hefe benötigt im Gegensatz zu obergäriger Hefe eine niedrigere Temperatur zwischen 4 und 9 °C für die Gärung.[2]

Aufgrund der niedrigeren Gärtemperatur können sich weniger Spontan-Infektionen vermehren; außerdem benötigt das untergärige Brauen eine längere Gär- und Lagerzeit, daher die englische Bezeichnung lager yeast.[2] Der Hefesatz wird in der Fachsprache auch als „Druse“ oder „Geläger“ bezeichnet. Heute werden hauptsächlich Reinzuchthefen verwendet.

In der Praxis verwendete untergärige Hefen gehören der Gattung der Zuckerhefen (Saccharomyces) an. Die klassische untergärige Hefeart ist Saccharomyces carlsbergensis, wissenschaftlich korrekt Saccharomyces pastorianus. Diese ist eine Hybrid der klassischen obergärigen (bei vergleichsweise höheren Temperaturen arbeitenden) Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) und der Hefeart Saccharomyces eubayanus (en. wild lager yeast).[3] Typische untergärige Biere sind Pils, Export, Märzen und Lager, während im englischen Sprachgebrauch alle untergärigen Biere als lager beer bezeichnet werden.[2]

Eine weitere untergärige Hefeart ist Saccharomyces uvarum.

Geschichte

Wann und wo zum ersten Mal untergärig gebraut wurde, ist nicht bekannt. Die ältesten möglichen Hinweise auf untergärige Brauweise stammen aus der Feder eines Nürnberger Stadtschreibers, die so interpretiert werden können, dass das Rotbier bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts untergärig gebraut wurde.[4] Im 14. Jahrhundert ist auch ein Rechtsstreit zwischen Nürnberger Brauereien dokumentiert, wer „kaltes“ (untergäriges) Bier im Sommer ausschenken darf – dies war nur möglich, wenn Felsenkeller vorhanden waren.[2]

In einer Brauordnung der Stadt Nabburg in der Oberpfalz von 1474 wird bestimmt, dass neben obergärigem Bier auch untergäriges Bier als Vorrat für den Sommer gebraut werden solle.[5] In seinem 1581 erschienenen Buch über das Bierbrauen unterscheidet der im oberpfälzischen Kallmünz als Zöllner und Schulmeister tätige Christoph Kobrer drei verschiedene Gärungstypen. Den ersten zur Herstellung von obergärigem Gerstenbier und den zweiten zur Herstellung von obergärigem Weizenbier ordnet er Bayern zu, den dritten Gärungstyp zur Herstellung von untergärigem Bier ordnet er der Oberpfalz zu.[5]

Vor der Entwicklung des verbesserten Kältetechnikverfahrens durch Carl von Linde in den 1870er Jahren war man für die untergärige Brauart auf natürliche niedrige Temperaturen angewiesen. Im Winter wurde untergärig, im Sommer obergärig gebraut.[2] So ist es auch zu erklären, dass die untergärige Brauart in Gegenden mit strengen Wintern eine lange Tradition hat. Im Vorteil waren auch Regionen mit Felsenkellern wie Böhmen, Franken oder die Oberpfalz. Anderswo schnitt man im Winter aus gefrorenen Gewässern Eisklötze aus und lagerte diese in Höhlen und tiefen Kellern (Eiskeller) ein. Dieses wurde dann zur Kühlung der Gärbottiche verwendet, wenn die Umgebungstemperaturen für das Brauen bereits zu hoch waren.

Reinzucht-Hefen

Für die in der Bierproduktion heute eingesetzten Reinzuchthefen ist es notwendig, die Hefe auch biologisch zu untersuchen. Die Brauereien haben dafür Betriebskontrolleure, die entweder an den Hochschulen (HS Weihenstephan, VLB-Berlin, TH OWL) oder Braumeisterschulen ausgebildet werden. Um jegliche Kontamination auszuschließen, werden zusätzlich Proben an die jeweiligen Hochschulen, Braumeisterschulen oder andere Labore geschickt.

Um die Hefe zu kontrollieren, werden Proben entnommen, entweder sofort mikroskopisch untersucht oder auf Nährmedien angereichert und durch sichtbare Veränderung im Medium bereits optisch (mit dem „unbewaffneten Auge“) oder wiederum unter dem Mikroskop begutachtet. Diese Aufgabe obliegt der biologischen Betriebskontrolle, die auch für viele andere Kontrollen (nicht nur in Bezug auf Hefe) im Brauereibetrieb wichtig ist. In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte ein Schub in der Entwicklung der gesamten Betriebskontrolle, nicht nur der biologischen. Dies führte zu der heute hohen Qualität gerade der untergärigen Biere. Ein damals gerade aufkommendes Nährmedium für den Nachweis von Bierschädlingen war das japanische Nakagawa-Medium, das auch in Deutschland von Klaus Grunenberg untersucht und z. T. modifiziert wurde.[6][7][8]

Saccharomyces uvarum

Saccharomyces uvarum ist eine Hefeart, die häufig in fermentierten Getränken vorkommt, insbesondere in solchen, die bei niedrigeren Temperaturen fermentiert werden.[9] Sie wurde ursprünglich von Martinus Willem Beijerinck im Jahr 1898 beschrieben, galt aber lange Zeit als identisch mit Saccharomyces bayanus.[9][10] In den Jahren 2000 und 2005 ergaben genetische Untersuchungen verschiedener Saccharomyces-Arten, dass sich Saccharomyces uvarum genetisch von Saccharomyces bayanus unterscheidet und als eigene Art betrachtet werden sollte.[9][10]

Einzelnachweise

  1. UNTERHEFE. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden, 1854–1960. S. Hirzel, Leipzig (woerterbuchnetz.de).
  2. a b c d e Die Ursprünge des untergärigen Lagerbieres – Eine Theorie, auf: schlenkerla.de, abgerufen am 1. Oktober 2021.
  3. Gen-Analyse: Urvater der Pils-Hefe stammt aus Südamerika. Auf: Spiegel Online, 23. August 2011, abgerufen am 5. Oktober 2014.
    Jian Bing, Pei-Jie Han, Wan-Qiu Liu, Qi-Ming Wang, Feng-Yan Bai: Evidence for a Far East Asian origin of lager beer yeast. In: Current Biology Band 24, Nr. 10, 19. Mai 2014, S. R380–R381, doi:10.1016/j.cub.2014.04.031.
  4. Jochen Sprotte: Von 1303/1305 bis zum Jahre 2005. 700 Jahre Nürnberger Bier. In: Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens 2005, Institut für Gärungsgewerbe Berlin, S. 87–131.
  5. a b Franz Meußdoerffer, Martin Zarnkow: Das Bier: Eine Geschichte von Hopfen und Malz. C. H. Beck Verlag, 2014, ISBN 3-406-66667-1, S. 86.
  6. Klaus Grunenberg: „Schnellbestimmung von Bierschädlingen“, in: Brauwelt 115. Jahrgang, Ausgabe B, 16. Januar 1975, S. 46–48. Vgl. Google Books
  7. W. P. Hsu, J. A. Taparowsky, M. W. Brenner: Schnellzuechtung von Brauerei-Milchsaeurebakterien, in: Brauwissenschaft, Jahrgang 28, Nr. 3/6, Nürnberg, März 1975, S. 157–160.
  8. A. Nakagawa: A Simple Method for the Detection of Beer-Sarcinae. In: Bull. Brew. Sci. Band 10, Tokyo 1964, S. 7–10.
  9. a b c Andrea Pulvirenti, Huu-Vang Nguyen, Cinzia Caggia, Paolo Giudici, Sandra Rainieri, Carlo Zambonelli: Saccharomyces uvarum, a proper species with Saccharomyces sensu stricto. In: FEMS Microbiology Letters. Band 192, Nr. 2, November 2000, S. 191–196, doi:10.1111/j.1574-6968.2000.tb09381.x, PMID 11064194.
  10. a b Huu-Vang Nguyen, Claude Gaillardin: Evolutionary relationships between the former species Saccharomyces uvarum and the hybrids Saccharomyces bayanus and Saccharomyces pastorianus; reinstatement of Saccharomyces uvarum (Beijerinck) as a distinct species. In: FEMS Yeast Research. Band 5, Nr. 4–5, Februar 2005, S. 471–483, doi:10.1016/j.femsyr.2004.12.004, PMID 15691752.