Ungarische Grammatik

Dieser Artikel beschreibt die ungarische Grammatik, insbesondere solche Merkmale, die für das Ungarische im Vergleich zum Deutschen und zu anderen Sprachen besonders charakteristisch sind.

Die ungarische Sprache weist eine agglutinierende Morphologie auf. Anders als in den flektierenden Sprachen, in denen die Bildung von Wortformen relativ kompakt und manchmal durch Eingriffe in die gesamte Wortgestalt zustande kommt, erfolgt dies im Ungarischen also u. U. durch das Anhängen einer Serie von separaten Endungen (Suffixen) (dieses Verfahren heißt Agglutination). Darüber hinaus werden Verhältnisse des Besitzes, der Richtung, der Zeitlichkeit usw., die im Deutschen durch Possessivpronomina, Präpositionen oder Präpositionalphrasen gebildet werden, im Ungarischen ebenfalls auf dieselbe Weise gebildet. Die Suffixe werden dabei in genau festgelegter Reihenfolge an die Wortstämme angehängt.

Vokalharmonie

Eine wesentliche Eigenschaft des Ungarischen ist die Vokalharmonie. Die Suffixe und die sonstigen Endungen, die dem Stammwort angefügt werden, passen sich dem hohen (hellen, palatalen) oder tiefen (dunklen, velaren) Klang des Stammwortes an.

Velare Vokale im Ungarischen sind: a, á, o, ó, u, ú
Also: Auf die Vokale a, á, o, ó, u, ú im Wortstamm (asztal, madár) folgt o oder a (asztalok, madarak).
Bei der Suffigierung von Substantiven ist das o der häufigere Bindevokal, bei der Suffigierung von Adjektiven wird häufiger das a als Bindevokal verwendet.

Palatale Vokale im Ungarischen sind: e, é, i, í, ö, ő, ü, ű
Hier wird außerdem zwischen den ungerundeten Vokalen (e, é, i, í) und den gerundeten Vokalen (ö, ő, ü, ű) unterschieden, wenn ein Suffix drei Formen aufweist.
Also: Auf die Vokale e, é, ö, ő, ü, ű (gyerek, bükk) im Wortstamm folgt e oder ö (gyerekek, bükkök).

Bei i/í gibt es allerdings zwei Möglichkeiten.
Auf i, í im Wortstamm folgt meist e, seltener o oder a. Hier gibt es keine Regeln, der Bindevokal muss auswendig gelernt werden. Ein Beispiel mit velarem Bindevokal ist a hídon keresztül = „über die Brücke“ (híd = „Brücke“).
Sprachgeschichtlich kann dieses Phänomen jedoch erklärt werden. In Wörtern mit i/í, die o oder a als Bindevokal haben, stand an der Stelle des i ein Diphthong oder ein „dunkler“ i-Laut wie das russische ы, das polnische y oder das türkische ı, zu dem vokalharmonisch o oder a gehören.

Es gibt auch in der Vokalharmonie Ausnahmefälle. Ein bekanntes Beispiel sind die Endungen des Wortes férfi (Mann). Férfi enthält zwar nur palatale Vokale, bekommt aber velare Endungen: férfival, férfiak. Das hat eine sprachhistorische Erklärung: das Wort hieß ursprünglich férfiú, war also „gemischt“.

Schon längere Zeit in der Sprache vorhandene Wörter sind in den meisten Fällen entweder rein palatal oder rein velar. Neuere, gemischtvokalische Wörter (oft Lehnwörter, wie z. B. telefon) haben meist velare Endungen, es gibt aber in manchen Fällen Schwankungen.

Das Substantiv

Kein grammatisches Geschlecht

Das Ungarische kennt kein grammatisches Geschlecht. Auch bei Pronomina wird kein natürliches Geschlecht in der Art wie mit deutschem „er“ und „sie“ unterschieden („er/sie“ lautet beides = ő – im Plural ők). Dies ist unter den europäischen Sprachen ein seltener Fall, im weltweiten Sprachvergleich jedoch nicht ungewöhnlich (siehe hierzu den Artikel Genus).

Sofern dem Sprecher eine Betonung des Geschlechts notwendig erscheint, kann es durch Anhängen des Wortes (= Frau) kenntlich gemacht werden (tanár = „Lehrer“, tanárnő = „Lehrerin“). Das Ungarische unterscheidet jedoch eine "Personenklasse" und eine "Nicht-Personenklasse". Für Nicht-Personen (Tiere, Pflanzen, Gegenstände, Begriffe) verwendet man in der 3. Person Singular az, was funktional und formal nicht identisch mit der ähnlich scheinenden Artikelbildung (s. u.) ist, denn im Plural wird daraus azok.

Artikel

Der bestimmte Artikel (der/die/das) heißt a (vor Vokalen: az) und ist unveränderlich, ebenso wie der unbestimmte Artikel (ein/eine) egy (siehe „the, a/an“ im Englischen).
Der Artikel wird im Gegensatz zum Deutschen wesentlich seltener verwendet, in der Regel nur, um den entsprechenden Gegenstand oder Sachverhalt hervorzuheben. Dies gilt insbesondere für den unbestimmten Artikel, der im Ungarischen einen viel größeren Zahlwortcharakter aufweist als im Deutschen.

Bildung und Verwendung der Mehrzahl

Die Pluralbildung ist im Ungarischen recht einfach. An das entsprechende Substantiv wird das Suffix -k angefügt. Schwieriger ist dabei schon eher, den oftmals der Aussprache halber notwendigen richtigen Bindevokal zu finden, der sich aus der Vokalharmonie (siehe oben) ergibt:

az asztal – asztalok (der Tisch – Tische)
a madár – madarak (der Vogel – Vögel)
a gyerek – gyerekek (das Kind – Kinder)
a könyv – könyvek (das Buch – Bücher)
a bükk – bükkök (die Buche – Buchen)

Die Mehrzahl wird im Ungarischen spärlich verwendet. Wenn der Zusammenhang die Mehrzahl (z. B. mit einem Zahlwort, das mehr als ein Stück impliziert) verdeutlicht, wird das Wort in der Einzahl verwendet. Nur wenn die Mehrzahl aus dem Zusammenhang nicht ersichtlich ist, wird die Mehrzahl verwendet. Beispiel: öt fiú = „fünf Jungen“, wörtlich „fünf Junge“. Látom a fiúkat. = „Ich sehe die Jungen.“

Für die Numeruskongruenz gilt dabei, dass das Verb nur nach Subjekten, die in der Mehrzahl stehen, auch im Plural konjugiert wird, es heißt also A halak úsznak („Die Fische schwimmen“), aber Öt fiú jön (*„Fünf Junge kommt“) und nicht *jönnek.

Steht das Wort mit Possessivsuffix (z. B. meine Häuser), wird der Plural durch ein i als Infix ausgedrückt. Also: ház = „Haus“, házam = „mein Haus“, házaim = „meine Häuser“.

Suffixe statt Präpositionen

Das ungarische Substantiv kann mit vielen Suffixen unterschiedlicher Funktion versehen werden. In vielen Lehrwerken und Grammatiken des Ungarischen wird dabei oft von „Kasus“ gesprochen, deren Zahl meist knapp unter 30 liegt. Diese werden mit einem lateinisch-deutschen Namen wie z. B. Nominativ, Dativ, Akkusativ, Superessiv, Delativ, Sublativ, Inessiv, Elativ, Illativ, Adessiv, Ablativ, Allativ, Terminativ, Komitativ-Instrumental, Kausal-Final, Faktiv-Translativ, Essiv-Modal, Essiv-Formal bezeichnet (so nach Béla Szent-Iványi: „Der ungarische Sprachbau“. Leipzig 1964, Hamburg 1995). Davon haben jedoch lediglich drei – Nominativ, Dativ und Akkusativ – Entsprechungen im Deutschen.

Unabhängig davon, ob die restlichen Konstrukte als „echte“ Kasus angesehen werden oder ob es sich um adverbielle Suffixe handelt, lassen diese sich nur durch Präpositionalphrasen ins Deutsche übersetzen. Folgende Tabellen enthalten sowohl Formen (siehe Morphologie), die im Deutschen durch Flexion, als auch solche, die im Deutschen durch Präpositionalphrasen gebildet werden:

NameSuffixBeispielErklärung
NominativØházdas Haus
Dativ-nak/-nekháznakdem Haus
Akkusativ-tházatdas Haus
Instrumental-Komitativ-val/-velházzalmit dem Haus
Kausal-Final-értházértfür das Haus
Translativ-vá/-véház(wird) zum / zu einem Haus
Terminativ-igházigbis zum Haus
Essiv-Formal-kéntházkéntals Haus, wie ein Haus
Essiv-Modal-ul/-ülházulals Haus, für ein Haus, anstelle eines Hauses

Bei den Suffixen mit einem v am Suffixbeginn verschmilzt jenes mit dem letzten Konsonanten des Substantivstammes und geminiert jenen.

Da es keinen Genitiv im eigentlichen Sinne gibt, wird das Besitzverhältnis durch Suffixe ausgedrückt, die dem Besitz und manchmal auch dem Besitzer angehängt werden. Dafür gibt es im Ungarischen zwei Konstruktionen: a tanító autója („der Lehrer sein Auto“ – hier bekommt nur der Besitz ein Suffix) oder a tanítónak az autója („dem Lehrer sein Auto“ – eine Formulierung, die auch in deutschen Dialekten vorhanden ist, sowohl der Besitzer als auch der Besitz bekommen ein Suffix). Beide Formen werden gebraucht, obwohl die erste, einfachere Form stilistisch oft besser klingt. Die zweite Variante betont das Besitzverhältnis mehr und ist oft unerlässlich, wenn der Ausdruck sonst unklar wäre.

Die räumlichen Verhältnisse, die das Ungarische mit Hilfe der folgenden neun Lokalkasus bezeichnet, werden in anderen Sprachen, wie etwa dem Deutschen, durch Präpositionalphrasen ausgedrückt.

3×3 – Räumliche Verhältnisse
 das Inneredie Oberflächedie Nähe betreffend
woher?-ból/-ből
ház-ból
aus dem Haus
(Elativ)
-ról/-ről
ház-ról
vom Haus (herunter)
(Delativ)
-tól/-től
ház-tól
vom Haus (weg)
(Ablativ)
wo?-ban/-ben
ház-ban
im Haus
(Inessiv)
-n/-on/-en/-ön
ház-on
auf dem Haus
(Superessiv)
-nál/-nél
ház-nál
beim Haus
(Adessiv)
wohin?-ba/-be
ház-ba
ins Haus (hinein)
(Illativ)
-ra/-re
ház-ra
auf das Haus (hinauf)
(Sublativ)
-hoz/-hez/-höz
ház-hoz
zum Haus (hin)
(Allativ)

Gelegentlich werden auch die folgenden Umstandsbestimmungen als Kasus angesehen:

Umstandsbestimmungen
NameSuffixBeispielErklärung
Temporal-koréjfélkorum Mitternacht
Komitativ-stul/-stülcsaládostulmitsamt der Familie
Temporaler Distributiv-nta/-ntenapontapro Tag, jeden Tag
Distributiv-nkéntfejenkéntpro Kopf
Modal-képpenajándékképpenals Geschenk

Keine Possessivpronomen

Es gibt keine Possessivpronomen. Stattdessen werden Suffixe benutzt, um den Besitz anzuzeigen:

Besitzverhältnisse
 GrundformBesitzer betontDeutsch
1. P. Sg.az autómaz (én) autómmein Auto
2. P. Sg.az autóda (te) autóddein Auto
3. P. Sg.az autójaaz (ő) autójasein/ihr Auto
1. P. Pl.az autónka (mi) autónkunser Auto
2. P. Pl.az autótoka (ti) autótokeuer Auto
3. P. Pl.az autójukaz (ő) autójukihr Auto

Der bestimmte Artikel wird auch in der Grundform meist mitverwendet. Die zusätzlichen Personalpronomina, wie in den Klammern angegeben, heben das Besitzverhältnis besonders hervor: az én autóm, nem a te autód. (Mein Auto, nicht dein Auto.)

Postpositionen

Es gibt im Ungarischen keine Präpositionen (im engeren Sinne). Stattdessen werden Postpositionen verwendet, also dem Wort nachgestellte Beziehungswörter (wie im Deutschen „des Wetters wegen“). Diese stehen normalerweise einfach nach dem Nominativ, nur wenige fordern die Endung für „auf“ (-n; Superessiv), z. B. a házon keresztül – „durch das Haus“ oder az autón kívül – „außerhalb des Autos“.

3×12 – Weitere räumliche Verhältnisse
 unterübervorhinternebenzwischenum … herumhinter, nachlängsdurchüber … hinausdurch … (hindurch)
woher?alól
fölül
elől
mögül
mellől
közül
-
-
-
-
-
-
wo?alatt
fölött
előtt
mögött
mellett
között
körül
után
hosszant
át
túl
keresztül
wohin?alá
fölé
elé
mögé
mellé
közé
köré
-
-
-
-
-

Konjugation der Verben

Die ungarischen Verben werden auf zwei Arten konjugiert:

  1. mit bestimmtem Objekt
  2. mit unbestimmtem Objekt bzw. ohne Objekt

Die bestimmte Konjugation (tárgyas ragozás) wird benutzt, wenn das Objekt im Satz (eindeutig) bestimmten Charakter hat, kann aber nur bei zielenden (transitiven) Verben gebildet werden. Auch die Personalpronomen der 3. Person gelten als bestimmtes Objekt. In allen anderen Fällen und bei intransitiven Verben wird die unbestimmte Konjugation (alanyi ragozás) verwendet. Personalpronomen werden nur benutzt, um die Person besonders hervorzuheben. Ansonsten wird meistens nur das konjugierte Verb benutzt, da aus der entsprechenden Endung die Person eindeutig hervorgeht. Die Endungen können bei transitiven Verben auch auf das Personalpronomen im Akkusativ hinweisen und es ersetzen.
Bei Konstruktionen, die ein Subjekt in der 1. Person Singular und ein Objekt in der 2. Person aufweisen, wird eine Sonderform gebildet. Das oft zitierte Beispiel dafür ist szeretlek (ich liebe dich). Die vollständige Form wäre (én) szeretlek (téged), diese Struktur klingt aber fremd und umständlich. Steht das Objekt in dieser Konstruktion jedoch in der 2. Person Plural, wird das Personalpronomen genannt: Szeretlek titeket.

Satzbeispiele:

  • „Ich sehe den Bus.“ = Látom a buszt. (mit bestimmtem Objekt, bestimmte Konjugation)
  • „Ich sehe dich.“ = Látlak (téged). (Sonderverbform: Ich-dich-Beziehung)
  • „Ich sehe ihn/sie“ = Látom őt. (Personalpronomen der 3. Person als bestimmtes Objekt)
  • „Ich stehe und warte.“ = Állok és várok. (ohne Objekt, unbestimmte Konjugation)

Beispiel für die Konjugation von látni = „sehen“:

  • Bestimmte Konjugation: látom = „ich sehe es“, látod = „du siehst es“, látjuk = „wir sehen es“
  • Unbestimmte Konjugation: látok = „ich sehe (etwas)“ (auch in der Bedeutung: ich sehe, weil ich sehen kann, ich bin nicht blind), látsz = „du siehst (etwas)“, látunk = „wir sehen (etwas)“
kérni (fragen nach, fragen um)
unbestimmtbestimmt
INDIKATIV
Präsenskérekkérszkérkérünkkértekkérnekkéremkéredkérikérjükkéritekkérik
Präteritumkértemkértélkértkértünkkértetekkértekkértemkértedkértekértükkértétekkérték
Futurkérni
fogok
kérni
fogsz
kérni
fog
kérni
fogunk
kérni
fogtok
kérni
fognak
kérni
fogom
kérni
fogod
kérni
fogja
kérni
fogjuk
kérni
fogjátok
kérni
fogják
KONDITIONAL
Präsenskérnékkérnélkérnekérnénkkérnétekkérnénekkérnémkérnédkérnékérnénkkérnétekkérnék
Präteritumkértem
volna
kértél
volna
kért
volna
kértünk
volna
kértetek
volna
kértek
volna
kértem
volna
kérted
volna
kérte
volna
kértük
volna
kértétek
volna
kérték
volna
IMPERATIV / ADHORTATIV
Präsenskérjekkérjél
oder kérj
kérjenkérjünkkérjetekkérjenekkérjemkérjed
oder kérd
kérjekérjükkérjétekkérjék
zár (schließen)
unbestimmtbestimmt
INDIKATIV
Präsenszárokzárszzárzárunkzártokzárnakzáromzárodzárjazárjukzárjátokzárják
Präteritumzártamzártálzártzártunkzártatokzártakzártamzártadzártazártukzártátokzárták
Futurzárni
fogok
zárni
fogsz
zárni
fog
zárni
fogunk
zárni
fogtok
zárni
fognak
zárni
fogom
zárni
fogod
zárni
fogja
zárni
fogjuk
zárni
fogjátok
zárni
fogják
KONDITIONAL
Präsenszárnékzárnálzárnazárnánkzárnátokzárnánakzárnámzárnádzárnázárnánkzárnátokzárnák
Präteritumzártam
volna
zártál
volna
zárt
volna
zártunk
volna
zártatok
volna
zártak
volna
zártam
volna
zártad
volna
zárta
volna
zártuk
volna
zártátok
volna
zárták
volna
IMPERATIV / ADHORTATIV
Präsenszárjakzárjál
oder zárj
zárjonzárjunkzárjatokzárjanakzárjamzárjad
oder zárd
zárjazárjukzárjátokzárják
lenni (sein)
INDIKATIV
Präsensvagyokvagyvanvagyunkvagytokvannak
Präteritumvoltamvoltálvoltvoltunkvoltatokvoltak
Futurleszekleszelleszleszünkleszteklesznek
KONDITIONAL
Präsenslennék
oder volnék
lennél
oder volnál
lenne
oder volna
lennénk
oder volnánk
lennétek
oder volnátok
lennének
oder volnának
Präteritumlettem
volna
lettél
volna
lett
volna
lettünk
volna
lettetek
volna
lettek
volna
IMPERATIV / ADHORTATIV
Präsenslegyeklegyél
oder légy
legyenlegyünklegyeteklegyenek

Sonderfall: die Gruppe der ik-Verben

Die Verben, die in der 3. Person Singular die Endung -ik haben (ikes igék), weisen weitere Besonderheiten in der Konjugation auf. Eine auch von Muttersprachlern oft ignorierte Regel lautet, dass die Formen der unbestimmten Konjugation in der 1. Person Singular mit der bestimmten Form übereinstimmen: Eszem a kenyeret – Kenyeret eszem (und nicht *eszek). Es gibt aber Ausnahmen: die Form hazudom (ich lüge) statt hazudok wäre zum Beispiel hyperkorrekt und ist nicht gebräuchlich, obwohl die Form in der 3. Person Singular hazudik lautet. Da es wegen der Konjugation nötig ist, sofort feststellen zu können, ob das Verb zur ik-Gruppe gehört, wird in Wörterbüchern üblicherweise die Form der 3. Person Singular als Lemma angegeben, anstatt der Infinitivform.

Das Verb lenni („sein“) im Präsens

In der dritten Person Präsens werden die Verbformen van (Sg.) und vannak (Pl.) nur im Zusammenhang mit einer Ortsangabe verwendet, ansonsten entfallen sie.

  • Boldog vagyok. (Ich bin glücklich.)
  • Tamás boldog. (Tamás ist glücklich.)
  • Tamás orvos. (Tamás ist Arzt.)

Aber:

  • Tamás itt van. (Tamás ist hier.)
  • Az emberek kint vannak. (Die Menschen sind draußen.)

Die Verneinung wird regulär mit dem Wort nem gebildet. In den Fällen, wo eine Verneinung mit van in der 3. Person Singular oder Plural zusammentrifft, werden jedoch die Negationswörter nincs (Singular) oder nincsenek (Plural) verwendet. Auch hier entfällt dann das Verb. Somit ersetzt nincs die Wörter nem und van bzw. nincsenek die Wörter nem und vannak.

  • Nem vagyok boldog. (Ich bin nicht glücklich.)
  • Tamás nem boldog. (Tamás ist nicht glücklich.)

Aber:

  • Tamás nincs itt. (Tamás ist nicht hier.)
  • A barátok nincsenek itt. (Die Freunde sind nicht hier.)

Abgeleitete Verben

Im Ungarischen gibt es einige Suffixe zur Ableitung von Verben.

Hierzu gehören beispielsweise -gat/-get, -(t)at/-(t)et und -hat/-het.[1]

Das Suffix -gat/-get drückt einen Durativ bzw. Iterativ aus.[1]

  • ír-o-gat – „er/sie/es schreibt lange bzw. wiederholt“.[1]
  • tanít-gat – „er/sie/es unterrichtet [allmählich]“[1]
  • int-e-get – „er/sie/es winkt [wiederholt]“

Das Suffix -(t)at/-(t)et ist ein Faktitivsuffix.[1]

  • fek-tet – „er/sie/es legt, lässt [etwas/jemanden] liegen“
  • al-tat – „er/sie/es schläfert, lullt [etwas/jemanden] ein“

Das Suffix -hat/-het bezeichnet die Möglichkeit und wird ins Deutsche durch ‚dürfen‘, ‚können‘ oder ‚mögen‘ übersetzt.[1]

  • fek-het – „er/sie/es darf/kann/mag liegen“
  • al-hat – „er/sie/es darf/kann/mag schlafen“

Es wird sehr häufig gebraucht, und die Ableitung erfolgt vom Wortstamm sowohl intransitiver Verben wie z. B. megy

  • me-het – „er/sie/es darf/kann/mag gehen“,

als auch transitiver Verben wie z. B. ír

  • ír-hat – „er/sie/es darf/kann/mag schreiben“.

Dabei kann -hat/-het auch an die anderen beiden Suffixe angefügt werden:

  • tanul-gat-hat – „er/sie/es kann/darf [immer wieder] [etwas] lernen“
  • tanít-tat-hat – „er/sie/es kann/darf [etwas/jemanden] unterrichten lassen“

Anhäufung von Suffixen

Die Wortbildung durch Agglutination ist für das Ungarische charakteristisch. Die Suffigierung bewirkt jedoch nicht automatisch die Bildung eines neuen Lemmas. Im Ungarischen ist eine maximale Suffixtiefe von sechs zu beobachten. Unter anderem sind es diese Strukturen, die bewirken, dass ungarische Sätze kürzer ausfallen als Texte in anderen Sprachen und trotzdem genau die gleichen Informationen vermitteln. Hierzu müssen der Stamm und die Endungen des jeweiligen Wortes analysiert werden. Beispiele:

tehetetlenségével = mit seiner Unfähigkeit (wörtlich), durch seine Unfähigkeit
von:

tehetetlen = unfähig (< tehet (er kann tun) + (e)tlen (Negativpartikel), < ten(ni) (tun) + het (dürfen, können))
tehetetlenség = die Unfähigkeit
tehetetlensége = seine Unfähigkeit

igazságtalanságunkkal = mit (wörtlich), infolge unserer Ungerechtigkeit
von:

igaz = wahr
igazság = Wahrheit
igazságtalan = wahrheitslos = ungerecht
igazságtalanság = Ungerechtigkeit
igazságtalanságunk = unsere Ungerechtigkeit

Negation

Wird etwas verneint, fängt der unbetonte ungarische Satz mit der Negation an:
Nem látok. (Ich sehe nicht.) bzw. Nem látom. (Ich sehe ihn/sie/es nicht.)
Nincs itt. (Er/sie/es ist nicht da.)
Nem vettem meg. (Ich habe es nicht gekauft.)

Im Gegensatz zum Deutschen wird jedoch zur Betonung oft die doppelte Negation verwendet:
Nem látok semmit. (Ich sehe nichts.)
Nincs itt senki. (Niemand ist da.)
Nem vettem semmit. (Ich habe nichts gekauft.)

Soll das verneinende unbestimmte Fürwort betont werden, um die Negation noch stärker hervorzuheben, rückt es in Spitzenstellung und nem wird zu sem (was andernorts aus is + nem verschmolzen „auch nicht“ bedeutet); analog wird nincs zu sincs (was andernorts aus is + nincs verschmolzen „ist auch nicht“ bedeutet):
Semmit sem látok. (in etwa: Ich sehe gar nichts.)
Senki sincs itt. (in etwa: Es ist gar niemand da.)
Semmit sem vettem. (in etwa: Ich habe gar nichts gekauft.)

Anders als im Finnischen gibt es jedoch kein Verneinungsverb.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f József Tompa: Kleine Ungarische Grammatik, Seiten 36/50/56: -gat/-get, Seite 54: -hat/-het, -tat/-tet, Seite 60: -tat/-tet, Seite 63: -hat/-het

Literatur

  • Pál Kövesdi: Elementa Linguae Hungaricae sive Grammatica Hungarica. Svccincta methodo comprehensa et perspicuis exemplis illvstrata. Leuschoviae, 1686 (Digitalisat)
  • Anselm Mansvet Riedl: Magyarische Grammatik. Wien 1858 (Google-Digitalisat, dto. bei MEK)
  • Béla Szent-Iványi: Der ungarische Sprachbau. Hamburg: Buske, ³1995; ISBN 3-87548-101-1
  • László Keresztes: Praktische ungarische Grammatik. Debrecen: Debreceni Nyári Egyetem, 1992; ISBN 963-472-038-2
  • Mária D. Mátai: Kleine ungarische Sprachgeschichte. Hamburg: Buske, 2002; ISBN 3-87548-323-5
  • Tamás Forgács: Ungarische Grammatik. Wien: Edition Praesens, 2002 (²2004); ISBN 3-7069-0107-2

Weblinks