Shakespeares Werke

Shakespeares Werke umfassen 38 Dramen, die Versdichtungen und 154 Sonette. Einzelne moderne Herausgeber zählen außerdem noch zwei vermutlich verlorene Dramen und zwei Werke, an denen Shakespeare möglicherweise mitgearbeitet hat, zum Kanon.

Dramen

Die Dramen werden gemäß dem Verzeichnis der First Folio in Komödien, Historien und Tragödien eingeteilt.[1] Bei den Komödien unterscheidet man die heiteren Komödien, die sogenannten Problemstücke und die Romanzen. Von den Historien oder Königsdramen werden acht Werke zu zwei Tetralogien zusammengefasst, der Lancaster- und der York-Tetralogie, die die Epoche der sogenannten Rosenkriege beschreiben. Bei den Tragödien unterscheidet man die frühen Tragödien, die Römerdramen und die großen Tragödien.

Komödien

Die sogenannten „heiteren Komödien“ werden manchmal in zwei Gruppen unterteilt, die sieben frühen und die drei späten oder romantischen Komödien.[2] Entsprechend unterscheidet man die Gruppe der frühen Komödien: Die Komödie der Irrungen, Verlorene Liebesmüh, Der Widerspenstigen Zähmung, Zwei Herren aus Verona, Ein Sommernachtstraum, Der Kaufmann von Venedig und Die lustigen Weiber von Windsor von der Gruppe der romantischen oder späten Komödien Viel Lärm um nichts, Wie es euch gefällt und Was ihr wollt.

Die Problemstücke

Wiewohl der Begriff in jüngerer Zeit zunehmend in Frage gestellt wurde,[3] werden in der Literatur seit Frederick Boas[4][5] die drei Werke Troilus und Cressida, Ende gut, alles gut und Maß für Maß vielfach zu den sogenannten Problemstücken gezählt.[3] Die genannten Werke wurden schon von Coleridge und Dowden als eigenständige Gruppe angesehen. Boas wählte den Begriff in Anlehnung an die modernen Dramen von Ibsen, Pinero und Shaw und hat ihn auf Shakespeares Werke übertragen.[6] Charakteristisch für die Problemstücke ist der ernsthafte Ton und die im Gegensatz zu den Romanzen deutlich realistischere Handlung. Im Zentrum steht vor allem die gesellschaftliche Regulierung von Sexualität. Die Konfliktlösung erfolgt auch nicht mehr wie etwa im Sommernachtstraum durch Zauberei, sondern durch den „bed-trick“, den vertauschten Liebespartner und den gewaltförmigen Eingriff des Herrschers in die Partnerwahl.[7]

Die Romanzen

Zu den Romanzen werden seit den Arbeiten des irischen Kritikers Edward Dowden[8][9] die Stücke Perikles, Prinz von Tyrus, Ein Wintermärchen, Cymbeline, Der Sturm[10] und von manchen Autoren auch Die beiden edlen Vettern und Heinrich VIII. gerechnet.[11] Als wichtige Merkmale der Romanzen gelten Wunder, Märchenmotive, komplexe Familienbeziehungen und weitläufige Reisen. Die Auslösung einer existenzbedrohenden Krise einer Figur durch eine erzwungene Trennung mit einer unerwarteten Wiedervereinigung mit der Familie oder dem Partner[12], sowie eine problematische Vater-Tochter-Beziehung findet sich im Zusammenhang mit einer Tendenz zur Entpsychologisierung und eher schematischen Darstellung der Charaktere, die in eine unglaubwürdige Handlungsfolge eingebettet werden.[13] Das Vorkommen einer Schiffsreise oder eines Schiffbruches mit entsprechend aufwendigen Aufführungsbedingungen wird im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen, dass Shakespeares Theatergruppe ab 1608 die Möglichkeit hatte, regelmäßig im Blackfriars Theatre zu arbeiten, wo vermutlich eine komplexere Bühnentechnik zur Verfügung stand.[14]

Historien

Bei den Historien werden die Werke König Johann und Heinrich VIII. keiner größeren Gruppe zugerechnet. Den Werkzyklus der beiden Tetralogien hat Shakespeare mit der Arbeit am zweiten Teil von Heinrich VI. begonnen, also gewissermaßen mit dem durch den Tod von Richard III. nahenden Ende der Rosenkriege. Erst danach hat er die Lancaster-Tetralogie verfasst. Mit der Entthronung Richard II. durch Henry Bolingbroke, dem späteren König Heinrich IV. beginnen die Rosenkriege. Die Lancaster-Tetralogie endet mit dem Sieg von König Heinrich V. in der Schlacht von Agincourt.

Tragödien

Die Einteilung der Tragödien sieht die Unterscheidung der frühen Tragödien Titus Andronicus und Romeo und Julia vor, die Zusammenstellung von Julius Cäsar, Antonius und Cleopatra und Coriolanus zu den sogenannten Römerdramen und die Herausstellung von Hamlet, Othello, König Lear und Macbeth als „große“ Tragödien. Manchmal wird zu dieser letzten Gruppe Timon von Athen hinzugerechnet und man spricht dann weniger wertend von den späten Tragödien.

Sonstige Dramen

Die Werke The History of Cardenio und Love’s Labour’s Won werden in zeitgenössischen Verzeichnissen aufgeführt, sind aber vermutlich verloren.[15] Cardenio, inspiriert von einer Figur in Miguel de Cervantes’ Werk Don Quijote von der Mancha, hat allerdings laut neuerer Forschung fragmentarisch in dem 1727 aufgeführten Stück Double Falsehood von Lewis Theobald überlebt.[16][17] Das anonyme erschienene Drama Edward III. und das handschriftliche Fragment des kollaborativ verfassten Dramas Sir Thomas More werden von manchen Autoren zu Shakespeares Werken hinzugerechnet.[18] Zusammen mit den 36 Stücken aus der First Folio und den beiden nur als Quarto überlieferten Dramen Pericles und Two Noble Kinsmen, gehen verschiedene Gelehrte also von 42 bekannten Shakespeare-Dramen aus. Von den sogenannten Shakespeare-Apocryphen (sieben in der „Third Folio“ von 1664 aufgenommene Werke) betrachtet man heute nur noch Pericles als authentisch.[19][20]

Poetische Werke

Zu Shakespeares poetischen Werken gehören seine Sonette und die Gruppe der Versdichtungen, bestehend aus Venus und Adonis, Lucretia, Der Liebenden Klage, Der verliebte Pilger und Der Phoenix und die Turteltaube.

Literatur

  • Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001, 2. rev. Auflage 2015, ISBN 978-0-19-870873-5.
  • Hans-Dieter Gelfert: William Shakespeare in seiner Zeit. C. H. Beck Verlag, München 2014, ISBN 978-3-406-65919-5.
  • Charlton Hinman: The Norton Faksimile. The First Folio of Shakespeare. Based on the Folios in the Folger Library Collection. Zweite Auflage. New York 1996, ISBN 0-393-03985-4.
  • John Jowett et al.: The Oxford Shakespeare. The Complete Works. Second Edition. OUP 2005, ISBN 978-0-19-926718-7.
  • Alexander Leggatt: The Cambridge Companion to Shakespearean Comedy. CUP 2002, ISBN 978-0-521-77942-5.
  • Ina Schabert (Hrsg.): Shakespeare-Handbuch. Die Zeit, der Mensch, das Werk, die Nachwelt. 5., durchgesehene und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-520-38605-2.
  • Ulrich Suerbaum: Der Shakespeare-Führer. Reclam, Stuttgart 2006, 3. durchgesehene und ergänzte Auflage 2015, ISBN 978-3-15-020395-8.
  • Stanley Wells, Gary Taylor: William Shakespeare: A Textual Companion. Oxford 1987, korrigierte Neuauflage 1997, ISBN 978-0-393-31667-4.

Einzelnachweise

  1. The Norton Faksimile. The First Folio of Shakespeare. Based on the Folios in the Folger Library Collection. Prepared by Charlton Hinman. Zweite Auflage. New York 1996, S. 13 nach der Faksimilie-Zählung.
  2. Hans-Dieter Gelfert: William Shakespeare in seiner Zeit. C. H. Beck Verlag, München 2014, S. 263 und 303.
  3. a b Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001. Artikel „problem play“ von MD (Michael Dobson), S. 357.
  4. Frederick S. Boas: Shakespeare and his Predecessors. 1896.
  5. Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001. Artikel „Boas, Frederick Samuel“ von TM (Tom Matheson), S. 50.
  6. Ina Schabert: Shakespeare Handbuch. Kröner, Stuttgart 2009, S. 434.
  7. Ulrich Suerbaum: Der Shakespeare-Führer. Reclam, Stuttgart 2006, S. 178f.
  8. Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001. Artikel „Dowden, Edward“ von TM (Tom Matheson), S. 113f.
  9. Edward Dowden: Shakespeare: A Critical Study of His Mind and Art. 1875. Edward Dowden: Introduction to Shakespeare. Blackie and Son, London 1893, S. 82. (zit. nach Michael O’Connell: The experiment of romance. In: Alexander Leggatt: The Cambridge Companion to Shakespearean Comedy. S. 215–229; dort S. 215.)
  10. Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001, Artikel „romance“ von SM (Sonia Massai), S. 395.
  11. Ina Schabert: Shakespeare Handbuch. Kröner, Stuttgart 2009, S. 454.
  12. T. G. Bishop: Shakespeare and the Theatre of Wonder. Cambridge 1996. P. G. Platt: Reason Diminished. London 1997. Zitiert nach Ina Schabert: Shakespeare Handbuch. S. 455.
  13. Ina Schabert: Shakespeare Handbuch. S. 456.
  14. Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001. Artikel „Blackfriars“ von GE (Gabriel Egan), S. 48f.
  15. John Jowett, William Montgomery, Gary Taylor, Stanley Wells (Hrsg.): The Oxford Shakespeare. The Complete Works. Zweite Auflage. OUP 2005, S. 1245 und 337.
  16. Stanley Wells: Shakespeare Survey. Cambridge University Press, 2003, ISBN 978-0-521-54184-8 (google.de [abgerufen am 11. Dezember 2019]).
  17. Nick Britten: William Shakespeare's lost 18th Century play Double Falsehood 'not a hoax'. 16. März 2010, ISSN 0307-1235 (telegraph.co.uk [abgerufen am 11. Dezember 2019]).
  18. John Jowett, William Montgomery, Gary Taylor, Stanley Wells (Hrsg.): The Oxford Shakespeare. The Complete Works. Zweite Auflage. OUP 2005, S. 257 und 813.
  19. Ina Schabert: Shakespeare Handbuch. Kröner, Stuttgart 2009, S. 192.
  20. Michael Dobson, Stanley Wells: The Oxford Companion to Shakespeare. OUP 2001. Artikel „apogrypha“ von MD (Michael Dobson), S. 14 und 19.