Sensibilität (Neurowissenschaft)

Unter (somatoviszeraler) Sensibilität (von lateinisch sensibilitas „Fähigkeit, zu empfinden“, von sensibilis „empfindbar“), Sensitivität oder Empfindung versteht man in der Physiologie und Wahrnehmungspsychologie alle sensorischen Leistungen eines Lebewesens, die nicht von spezialisierten Sinnesorganen wie Auge, Ohr, Riechschleimhaut oder Zunge erbracht werden, sondern von Sensoren wie freien Nervenendigungen, die in unterschiedlicher Dichte im Körper vorkommen. Die Sensibilität lässt sich in viszerale Sensibilität (Eingeweide) und somatische Sensibilität gliedern, wobei innerhalb letzterer Oberflächensensibilität (der „fünfte Sinn“, also das Fühlen über die Haut inklusive Thermozeption und Nozizeption) und Tiefensensibilität (Knochen, Muskeln und Sehnen) unterschieden werden.

Den Begriff Sensibilität stellte (wie auch den der Irritabilität, eine Eigenschaft der Muskulatur) 1752 Albrecht von Haller auf. Er wies experimentell nach, dass es sich bei der Sensibilität um eine besondere Eigenschaft des Nervensystems handelt.[1]

Insofern die Somatosensorik auch das sensorische System der Nerven umfasst, kann neben den folgenden elementaren Nervenreizen und den aus ihnen resultierenden Empfindungen auch der psychologische Teil der Sensibilität in das Fühlen (als Sensibilität im allgemeinen Sinne) einbezogen werden.[2]

Einteilung

Nach der Art des Reizes

Nach Ursprung des Reizes

Nach der zentripetalen Weiterleitung

  • lemniskalen System (Hinterstrang und Lemniscus medialis) als epikritische Sensibilität („Feinwahrnehmung“, gut lokalisierbar)
  • extralemniskalen System (Vorderseitenstrang) als protopathische Sensibilität („Grobwahrnehmung“, schlecht lokalisierbar)

Nach der Verschaltung in verschiedenen Kernarealen

  • protopathische Sensibilität: Schmerz, Temperatur und grobe Tastempfindungen
  • epikritische Sensibilität: feine Tastempfindungen, Zwei-Punktediskrimination
  • propriozeptive Sensibilität: Eigenempfindung des Körpers (Lageempfindung, Spannung von Muskeln und Sehnen; Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken)

Siehe auch

Literatur

  • Martin Trepel: Neuroanatomie. Struktur und Funktion. Urban & Fischer, München 2004, ISBN 3-437-41297-3.
  • Robert F. Schmidt, Gerhard Thews, Florian Lang: Physiologie des Menschen (= Springer Lehrbuch.). 28., korrigierte und aktualisierte Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-540-66733-4.
  • Urs Boschung: Sensibilität. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1321.
  • E. Bruce Goldstein: Sensation and Perception. 6th edition, Wadsworth/ Thomson Learning, Pacific Grove (CA) 2002, ISBN 0-534-63991-7.
  • A Hick, Christian Hick: Physiologie. Kurzlehrbuch zum Gegenstandskatalog mit Einarbeitung der wichtigen Prüfungsfakten. 1. Auflage, 1. unveränderter Nachdruck, Jungjohann, Neckarsulm 1996, ISBN 3-8243-1272-7.

Einzelnachweise

  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 29.
  2. Sensibilität. In: Norbert Boss (Hrsg.): Roche Lexikon Medizin. 2. Auflage. Hoffmann-La Roche/ Urban & Schwarzenberg, München 1987, ISBN 3-541-13191-8, S. 1565, vgl. gesundheit.de/roche.