Salicylsäuremethylester

Strukturformel
Strukturformel von Salicylsäuremethylester
Allgemeines
NameSalicylsäuremethylester
Andere Namen
  • 2-Hydroxybenzoesäuremethylester (IUPAC)
  • Methylsalicylat (Ph. Eur.)
  • Methyl(2-hydroxybenzoat)
  • Wintergrünöl
  • Gaultheriaöl
  • METHYL SALICYLATE (INCI)[1]
SummenformelC8H8O3
Kurzbeschreibung
  • gelbliche, ölige, charakteristisch riechende Flüssigkeit[2]
  • farblose bis schwach gelb gefärbte Flüssigkeit[3]
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer119-36-8
EG-Nummer204-317-7
ECHA-InfoCard100.003.925
PubChem4133
ChemSpider13848808
DrugBankDB09543
WikidataQ407669
Eigenschaften
Molare Masse152,14 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig[2]

Dichte

1,18 g·cm−3[4]

Schmelzpunkt

−8 °C[4]

Siedepunkt

223 °C[4]

Dampfdruck

13 Pa (20 °C)[4]

Löslichkeit
Brechungsindex

1,535 (20 °C)[5]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[6] ggf. erweitert[4]
GefahrensymbolGefahrensymbol

Achtung

H- und P-SätzeH: 302​‐​317​‐​318​‐​361d​‐​412
P: 273​‐​280​‐​301+312​‐​302+352​‐​305+351+338​‐​308+313[4]
Toxikologische Daten

887 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[7]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Salicylsäuremethylester, auch Methylsalicylat kurz MeSA oder pharmazeutisch-lat. Methylum salicylicum, ist der Methylester der Salicylsäure. Salicylsäuremethylester wird auch als Wintergrünöl oder Gaultheriaöl bezeichnet, da es mittels Wasserdampfdestillation aus den Blättern der Gattungen Pyrola (Wintergrün) und Gaultheria (Scheinbeeren) isoliert werden kann.

Vorkommen

Niedere Scheinbeere

Zu Pflanzen, die größere (das heißt riechbare) Mengen Salicylsäuremethylester produzieren, gehören:

Die Zucker-Birke war früher Hauptquelle für Salicylsäuremethylester. Das Produkt aus den Blättern der Wintergrünsträucher ist als Wintergreen Oil bekannt.[9]

Methylsalicylat wird von Betula pendula zur Signaltransduktion über größere Entfernungen eingesetzt. Es spielt dabei eine wichtige Rolle bei der Reaktion der Pflanze auf abiotische Umweltfaktoren, Angriffe von Pflanzenfressern sowie Krankheitserregern.[10]

Herstellung

Salicylsäuremethylester 2 wird durch Veresterung von Salicylsäure 1 mit Methanol gewonnen, wobei Schwefelsäure als Katalysator verwendet wird:

Synthese des Salicylsäuremethylesters

Verwendung

Salicylsäuremethylester in der synthetischen Form wird äußerlich in Salben und anderen Einreibemitteln als durchblutungsförderndes (hyperämisierendes) Mittel eingesetzt,[11] etwa bei rheumatischen Beschwerden.[12] Auch in Form von Badezusätzen kommt es zu diesem Zweck zur Anwendung. Bevorzugt in der natürlichen Form als Wintergrünöl verwendet man es für kosmetische Mittel und Mundpflegemittel,[11] ferner auch in Parfümerie und Lebensmittelindustrie, da es einen sehr charakteristischen Geruch besitzt.

Das im Wesentlichen Salicylsäuremethylester enthaltende ätherische Öl des Wintergrüns wird in der Mikroskopie noch heute für Aufhellungspräparate nach Spalteholz gebraucht.

In Nordamerika bieten so gut wie alle Kaugummihersteller neben den klassischen Geschmacksrichtungen wie Pfefferminz auch den Geschmack Wintergreen an, in dem Salicylsäuremethylester enthalten ist. In Europa konnte sich diese Geschmacksrichtung in Kaugummis bisher nicht durchsetzen; viele Europäer empfinden den Geschmack als klinisch zahnarztähnlich und nicht schmackhaft. Auch in Snus wird die Geschmacksrichtung in Amerika und Skandinavien häufig angeboten.

Die in Deutschland noch am weitesten bekannten Produkte mit Wintergrün-Aroma sind die Lutschdragée-Marke Tic Tac des italienischen Süßwarenherstellers Ferrero und die Kaugummi-Marke Bazooka des US-amerikanischen Herstellers Topps Company, welche bis Ende der achtziger Jahre vom deutschen Süßwarenhersteller August Storck in Lizenz produziert und vertrieben wurde. Heutzutage sind Wintergreen-Kaugummis und -Pastillen in Deutschland ausschließlich als Importwaren, beispielsweise in American-Outlet-Stores erhältlich.

Wegen des intensiven Geruchs versuchte man bei den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Salicylsäuremethoxymethylester[13][14][15] als Alternative anzubieten. Er wurde von Arthur Eichengrün in der Pharmazeutischen Zeitung von 1902[16][17] unter dem Handelsnamen Mesotan vorgestellt.

In den 1930er Jahren wurde Wintergrünöl von Imkern und Bieneninstituten zu Behandlung gegen die Milbenseuche in Bienenstöcken eingesetzt.[18]

Anwendungseinschränkungen

Salicylsäuremethylester sollte während der Schwangerschaft möglichst nicht eingesetzt werden, da keine ausreichenden Daten vorliegen.[19]

Nebenwirkungen

Bei Anwendung handelsüblicher Präparate auf der Haut sind im Allgemeinen keine toxischen Wirkungen zu erwarten, da Serumspiegel über 50 µg/ml kaum erreicht werden. Bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch wie etwa längerfristiger oder größflächiger Anwendung oder dem Aufbringen auf nicht intakte Haut sind wegen einer möglichen systemischen Salicylatwirkung Nebenwirkungen wie Schwindel, Ohrensausen, Übelkeit oder andere Magen-Darm-Beschwerden und eine Beeinflussung des Blutgerinnungssystems nicht auszuschließen.[19] In den USA soll eine Leichtathletin an einer Überdosierung des Wirkstoffs gestorben sein.[20] Vergiftungen nach der Einnahme ungewöhnlich hoher Mengen medizinischer Öle sind bekannt. Aufgrund der flüssigen, konzentrierten, fettlöslichen Form kommt es zu besonders schweren und schnellen Salicylatvergiftungen.[21]

Chemische Eigenschaften

Salicylsäuremethylester kann mit Eisen(III)-nitrat nitriert werden. Es entsteht ein Isomerengemisch aus dem 3- und dem 5-Nitroderivat. In Anwesenheit von Salpetersäure entsteht hauptsächlich 5-Nitrosalicylsäuremethylester 4, im basischen Milieu hauptsächlich 3-Nitrosalicylsäuremethylester 3.[22]

Nitrierung von Methylsalicylat mit Eisen(III)-nitrat

Die Acetylierung von Salicylsäuremethylester mit Essigsäureanhydrid in Gegenwart von Aluminiumchlorid als Katalysator findet mit sehr guten Ausbeuten am C5-Kohlenstoff statt.[23]

Acetylierung von Methylsalicylat

Durch die Reaktion mit Natriumhypochlorit können bis zu zwei Chloratome in den Benzolkern eingeführt werden, es entsteht 3,5-Dichlorsalicylsäuremethylester.[24]

Chlorierung von Methylsalicylat mit Natriumhypochlorit

Bei der Reaktion mit elementarem Brom wird ein Bromatom an der Position 5 angelagert.[25]

Risikobewertung

Salicylsäuremethylester wurde 2013 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von Salicylsäuremethylester waren die Besorgnisse bezüglich Verbraucherverwendung und hoher (aggregierter) Tonnage sowie der Gefahren ausgehend von einer möglichen Zuordnung zur Gruppe der CMR-Stoffe. Die Neubewertung fand ab 2015 statt und wurde von Frankreich durchgeführt. Anschließend wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht.[26][27]

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu METHYL SALICYLATE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2019.
  2. a b c Eintrag zu Salicylsäureester. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 1. Februar 2012.
  3. a b Europäisches Arzneibuch, 8. Ausgabe, Grundwerk 2014, S. 4097.
  4. a b c d e f g Eintrag zu Methylsalicylat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  5. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-376.
  6. Eintrag zu Methyl salicylate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 15. April 2023. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  7. Eintrag zu Methyl salicylate in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 29. Mai 2021. (Seite nicht mehr abrufbar)
  8. Subhan C. Nath, Dina N. Bordoloi, Anil K. SarmaBoruah: Methyl Salicylate—The Major Component of the Stembark Oil of Betula alnoides Buch-Ham. In: Journal of Essential Oil Research. Band 3, Nr. 6, 1991, S. 463–464, doi:10.1080/10412905.1991.9697988.
  9. Earl H. Baxter, Ralph M. Hartwell, Lawrence E. Reck: Methyl Salicylate Poisoning. In: Journal of the American Medical Association. Band 111, Nr. 27, 1938, S. 2476–2477, doi:10.1001/jama.1938.72790530004009b.
  10. Bin Liu, Eve Kaurilind, Yifan Jiang, Ülo Niinemets: Methyl salicylate differently affects benzenoid and terpenoid volatile emissions in Betula pendula. In: Tree Physiology. Band 33, Nr. 5, 2021, S. 1513–1525, doi:10.1093/treephys/tpy050.
  11. a b R. Hänsel, O. Sticher: Pharmakognosie – Phytopharmazie. 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsges.mbH, Stuttgart 2010, S. 1036.
  12. RÖMPP Lexikon Chemie, 10. Auflage, 1996–1999: Band 6: T – Z.
  13. Patent DE137585: Verfahren zur Darstellung der Alkoxymethylester der Salicylsäure. Veröffentlicht am 26. November 1902, Anmelder: Farbenfabriken, vorm. Friedr. Bayer & Co. in Elberfeld.
  14. Patent US740628: Alkoxyalkyliden Esters of Salicylic Acid. Veröffentlicht am 6. Oktober 1903, Erfinder: Jürgen Callsen.
  15. Patent US706018: Alkyloxymethyl Esters of Salicylic Acid and Process of Making Same. Veröffentlicht am 5. August 1902, Erfinder: Jürgen Callsen.
  16. A. Eichengrün: Ueber Aristochin, Mesotan, Helmitol und Theoein. In: Pharmazeutische Zeitung. Band 47, November 1902, S. 857–858, urn:nbn:de:gbv:084-11022408557.
  17. A. Eichengrün: Ueber Aristochin, Mesotan, Helmitol und Theoein (Schluss). In: Pharmazeutische Zeitung. Band 47, November 1902, S. 866–867, urn:nbn:de:gbv:084-11022408557.
  18. Sigrun Mittl (2021), Nachhaltig imkern mit gesunden Honigbienen, Haupt Verlag, Bern, ISBN 978-3-258-08250-9, S. 136.
  19. a b Fachinformation Trauma-Salbe kühlend Mayrhofer, Kwizda Pharma GmbH, Wien. Stand: März 2018
  20. Better labels urged for sports creams, USA Today, The Associated Press, Juni 2007 (englisch).
  21. T. Y. Chan: The risk of severe salicylate poisoning following the ingestion of topical medicaments or aspirin. In: Postgraduate Medical Journal. Band 72, Nr. 844, 1996, S. 109–112, doi:10.1136/pgmj.72.844.109, PMID 8871462.
  22. Y.-Z. Liu, X.-Y. Li, X. Li, L. Zhang: Nitration Reaction between Methyl Salicylate and Iron(III) Nitrate and Its Regioselectivity. In: Chinese Journal of Applied Chemistry. 2010. Abstract.
  23. Pia Kahnberg, Choon Woo Lee, Robert H Grubbs, Olov Sterner: Alternative routes to pterulone. In: Tetrahedron. Band 58, Nr. 26, Juni 2002, S. 5203–5208, doi:10.1016/S0040-4020(02)00505-7.
  24. W. B. Salter, J. R. Owens, J. D. Wander: Methyl Salicylate: A Reactive Chemical Warfare Agent Surrogate to Detect Reaction with Hypochlorite. In: ACS Appl. Mater. Interfaces. 2011, 3(11), S. 4262–4267, doi:10.1021/am200929v.
  25. O. S. Tee, N. R. Iyengar: The bromination of salicylate anions. Evidence for the participation of the ortho carboxylate group. In: J. Org. Chem. 1985, 50(23), S. 4468–4473. doi:10.1021/jo00223a011.
  26. Europäische Chemikalienagentur (ECHA): Substance Evaluation Conclusion and Evaluation Report.
  27. Community rolling action plan (CoRAP) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA): Methyl salicylate, abgerufen am 6. März 2022.

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