Richard Ohnsorg

Büste im Ohnsorg-Theater in Hamburg

Richard Ohnsorg (* 3. Mai 1876 in Hamburg; † 11. Mai 1947 ebenda) war ein deutscher Bibliothekar, Theaterleiter, Schauspieler und Hörspielsprecher und -regisseur.

Leben

Ohnsorg studierte englische und deutsche Philologie an der Universität Marburg. Während seiner Studienzeit wurde er im Wintersemester 1896/1897 Mitglied der heutigen Marburger Burschenschaft Rheinfranken.[1][2] Er promovierte im Jahre 1900 in Rostock über englische Dramatik. 1901 wurde Ohnsorg von der Patriotischen Gesellschaft von 1765 in Hamburg, die in der Neustadt seit 1898 die erste öffentliche Bücherei unterhielt, als Volksbibliothekar angestellt. Ohnsorg arbeitete bis 1935 in diesem Beruf, von 1931 an als Oberbibliothekar der Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen.

Bekannt geworden ist Ohnsorg als Gründer, Leiter und Schauspieler einer Bühne, die er am 12. Oktober 1902 im Restaurant Kersten am Gänsemarkt als Dramatische Gesellschaft Hamburg ins Leben rief und die 1920 in Niederdeutsche Bühne Hamburg e. V. umbenannt wurde. Richard Ohnsorg verfolgte von Beginn an ein klar konturiertes kulturpolitisches Konzept, er wollte „eine niederdeutsche Volksbühne neben dem etablierten hochdeutschen Theater“ schaffen, das „anders sein sollte als die plattdeutschen Possen und Schwänke auf den Vorstadtbühnen des 19. Jahrhunderts“[3]. Zum Laienspielkreis gehörten vor allem Bildungsbürger, die im Erziehungsbereich tätig waren. Im Rahmen geschlossener Vorstellungen brachte Ohnsorg zunächst Werke der Heimatkunst-Dramatik zur Aufführung. Ihren Durchbruch als eine Bühne, die ganz überwiegend plattdeutsche Stücke spielte, erlangte die Dramatische Gesellschaft 1909 in einer gezielten Zusammenarbeit mit der von Ohnsorg mitbegründeten Stavenhagen-Gesellschaft. Mit seiner Inszenierung des Einakters „Der Lotse“ von Fritz Stavenhagen hatte sich Ohnsorg als jemand empfohlen, der willens und fähig war, die „Erbschaft Stavenhagens anzutreten“, so wie es 1907 Adolf Bartels gefordert hatte, der völkisch-antisemitische Journalist und maßgebende Förderer einer Heimatkunstbewegung[4]. Ab August 1945 führte die Bühne den Namen Richard-Ohnsorg-Theater, gleichzeitig wurde die Leitung des Hauses Rudolf Beiswanger übertragen. Anfang der 1950er Jahre wurde der Bühnenname auf Ohnsorg-Theater verkürzt.

Ohnsorg gelang es, eine ganze Reihe von Schauspielern zu engagieren, die dann jahrzehntelang dem Theater die Treue hielten und viel zur späteren Popularität des Hauses beitrugen. Dazu gehörten u. a. die Publikumslieblinge Hans Langmaack, Magda Bäumken, Walther Bullerdiek, Aline Bußmann, Otto Lüthje, Walter Scherau, Heidi Kabel, Hilde Sicks, Heinz Lanker und Heini Kaufeld.

1926 wurde er für seine Verdienste um das Niederdeutsche mit dem John-Brinckman-Preis geehrt.

Beim gerade gegründeten Hörfunksender NORAG betätigte sich Ohnsorg auch als Hörspielsprecher. So konnte man ihn beispielsweise am 24. Mai 1926 zusammen mit Magda Bäumken, Hans Freundt und Hermann Beyer, der auch die Regie führte, in einer Hauptrolle des HörspielsDie Fahrt nach Helgoland“ von Wilhelm Ehlers hören.[5]

Mit Ohnsorg verbunden ist auch der für Bühnenkunst von 1963 bis 1983 verliehene Richard-Ohnsorg-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S. zu Hamburg.

Sein Grabmal auf dem Friedhof Ohlsdorf

Richard Ohnsorg starb am 11. Mai 1947. Er wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt.[6] Den Grabstein schuf der Bildhauer Ludwig Kunstmann.[7]

Auf seinem Grabstein steht:

„Hollt fast! Hollt fast! Denn geiht dat klor, denn lewt uns Sprok noch dusend Johr!“

Schriften

  • John Lacy’s „Dumb Lady“, Mrs. Susanna Centlivre’s „Love’s contrivance“ und Henry Fielding’s „Mock Doctor“ in ihrem Verhältnis zueinander und zu ihrer gemeinschaftlichen Quelle. Verlag Bargstedt & Ruhland, Hamburg 1900 (Diss. Universität Rostock).
  • Maske und Schminke. Hamburger Theater-Anekdoten. Zeichnungen von Ruth Bessoudo [Niederdeutsche Bibliothek; Bd. 205]. Hamburg 1946.

Hörspiele (Auswahl)

Regie

Nur Sprecher

  • 1925: Heinrich Behnken: Versteckspeelen – Regie: Nicht angegeben (2 Übertragungen)
  • 1925: Heinrich Behnken: De erste Gast – Regie: Nicht angegeben (2 Übertragungen)
  • 1925: Hermann Boßdorf: De Fährkrog – Regie: Hans Böttcher (2 Übertragungen)
  • 1925: Wilhelm Friedrich Wroost: Wrack – Regie: Nicht angegeben (2 Übertragungen)
  • 1925: Wilhelm Meyer-Förster: Alt-Heidelberg – Regie: Hermann Beyer (2 Übertragungen)
  • 1925: Eduard Mörike: Der letzte König von Orplid – Regie: Nicht angegeben
  • 1925: Erich Hagemeister: Ulenspegel – Regie: Nicht angegeben
  • 1925: Heinrich Behnken: De Verschriewung – Regie: Hans Böttcher (2 Übertragungen)
  • 1925: Gorch Fock: Cili Cohrs – Regie: Nicht angegeben
  • 1925: Geert Teis: Meister öwer Meister – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Franz Grillparzer: Weh dem, der lügt – Regie: Hermann Beyer
  • 1925: Hans Hansen: Die Mainacht auf der Alster – Regie: Hans Bodenstedt
  • 1925: Georg Ruseler: De dulle Deern – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Wilfried Wroost: Slagsiet – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Fritz Stavenhagen: Mudder Mews – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Gustav Freytag: Die Journalisten – Regie: N. N.
  • 1925: Paul Schurek: Stratenmusik – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Hermann Boßdorf: Bahnmeester Dod – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Fritz Stavenhagen: Jürgen Piepers – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Hans Ehrke: Narrenspegel – Regie: Hans Böttcher
  • 1925: Johann Nestroy: Lumpazi Vagabundus – Regie: Ernst Pündter
  • 1926: Fritz Stavenhagen: Jürgen Piepers – Regie: Hans Böttcher (2 Übertragungen)
  • 1926: Hans Sachs: Der fahrende Schüler im Paradeis – Regie: Nicht angegeben
  • 1926: Hermann Boßdorf: De rode Uennerrock – Regie: Nicht angegeben
  • 1926: Gorch Fock: Cili Cohrs – Regie: Nicht angegeben
  • 1926: Hinrich Wriede: Leege Lüd – Regie: N. N.
  • 1926: Björnstjerne Björnson: Über unsere Kraft (2. Teil) – Regie: Hermann Beyer
  • 1926: Rudolf Werner: Seefahrt – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Gerhart Hauptmann: Die Weber – Regie: Hermann Beyer
  • 1926: Fritz Stavenhagen: Mudder Mews – Regie: Nicht angegeben
  • 1926: Alexander Zinn: Schlemihl – Regie: Hans Bodenstedt; Hermann Beyer
  • 1926: Wilhelm Ehlers: Die Fahrt nach Helgoland – Regie: Hermann Beyer
  • 1926: Karl Krickeberg: Pidder Lüng – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Hugo von Hofmannsthal: Jedermann – Regie: Hermann Beyer
  • 1926: Gorch Fock: Die Königin von Honolulu – Regie: Hans Böttcher (2 Übertragungen)
  • 1926: Rudolf Presber; Leo Walther Stein: Die selige Exzellenz – Regie: Nicht angegeben
  • 1926: Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm oder: Das Soldatenglück – Regie: Nicht angegeben
  • 1926: Ernst Elias Niebergall: Herr Bummerlunder (Datterich in niederdeutscher Sprache) – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Hermann Boßdorf: De Fährkrog – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Hermann Boßdorf: Kramer Kray – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Herman Heijermans: Keden – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Wilhelm Scharrelmann: Die Hochzeit in der Pickbalge – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Gustav Möhring: Dusenddüwelswarf – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: August Hinrichs: De Aukschon – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Paul Schurek: Sylvester – Regie: Hans Böttcher
  • 1926: Otto Franz Grund: Dat lütte Rümeken – Regie: Hans Böttcher
  • 1927: Wilfried Wroost: Wrack – Regie: Hans Böttcher
  • 1927: Paul Schurek: Stratenmusik – Regie: N. N.
  • 1927: Peter Werth: St. Elmsfüer – Regie: Hans Böttcher
  • 1927: Fritz Stavenhagen: Mudder Mews – Regie: Hans Böttcher

(Gastspiel der Niederdeutschen Noragbühne Hamburgbeim Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG in Frankfurt am Main)

  • 1928: Otto Franz Grund: Bangbüx. Komedi in fief Akten – Regie: Hans Böttcher
  • 1928: Wilhelm Scharrelmann: Die Hochzeit in der Pickbalge. Ein heiteres Schauspiel in vier Akten – Regie: Hans Böttcher
  • 1946: Paul Schurek: De politsche Kannengeter – Regie: Curt Becker

Literatur

  • Walter Braeuer: Ohnsorg, Richard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 495 f. (Digitalisat).
  • Ulf-Thomas Lesle: Richard Ohnsorg, Initiator und Förderer des plattdeutschen Theaters. In: Voß un Haas. Norddeutscher Heimatkalender 2001. Rostock 2000, S. 35–40.
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band II: Künstler. Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 528–529.

Weblinks

Commons: Richard Ohnsorg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Altherrenverband der Marburger Burschenschaft Rheinfranken e. V. http://www.mitglieder.rheinfranken.de/
  2. Willy Nolte (Hrsg.): Burschenschafter-Stammrolle. Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Burschenschaft nach dem Stande vom Sommer-Semester 1934. Berlin 1934. S. 358.
  3. Ulf-Thomas Lesle: Richard Ohnsorg, Initiator und Förderer des plattdeutschen Theaters. In: Voß un Haas. Norddeutscher Heimatkalender 2001. Rostock 2000, S. 36
  4. Ulf-Thomas Lesle: Richard Ohnsorg, Initiator und Förderer des plattdeutschen Theaters. In: Voß un Haas. Norddeutscher Heimatkalender 2001. Rostock 2000, S. 38
  5. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, Hörspieldatenbank
  6. knerger.de: Das Grab von Richard Ohnsorg
  7. Info auf der Website des Förderkreises Ohlsdorfer Friedhof e. V., abgerufen am 24. Oktober 2020

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Autor/Urheber: Maud Bgd, Lizenz: CC BY-SA 4.0
im unteren Foyer des Ohnsorg-Theaters am Heidi-Kabel-Platz in Hamburg
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Grab von de:Richard Ohnsorg auf dem Ohlsdorfer Friedhof