Rhabdomyolyse

Klassifikation nach ICD-10
M62.89Sonstige näher bezeichnete Muskelkrankheiten, nicht näher bezeichnete Lokalisationen
T79.6Traumatische Muskelischämie
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Mit Rhabdomyolyse (altgriechisch rhabdos – „Stab“) wird in der Medizin die Auflösung quergestreifter Muskelfasern bezeichnet. Dazu gehören die Skelettmuskulatur sowie Herzmuskulatur und Zwerchfell.

Ursachen

Traumatisch oder durch Einwirkung von außen

  1. Verletzungen, wobei nach einem Unfall verletzte Muskelfasern eliminiert werden (z. B. Crush-Syndrom)
  2. Elektroschock
  3. Nach Operationen
  4. Nach Krampfanfällen
  5. Compartment-Syndrom
  6. Durch langes Liegen
  7. Nach intensivem Training wie z. B. CrossFit, Body Building oder Cycling/Spinning, insbesondere bei Anfängern oder nach längerer Trainingspause.[1] Speziell beim EMS-Training kommt es, unsachgemäß angewendet, schnell zu erhöhten Creatin-Kinase-Werten im Blut.

Nichttraumatische Ursachen

  1. Medikamente/Drogen, z. B. Neuroleptika (siehe auch Malignes Neuroleptisches Syndrom), Präparate zur Cholesterinsenkung (Statine, z. B. Cerivastatin), Schlafmittelvergiftungen, Tokolytika (z. B. Ritodrin),[2] Isotretinoin, Propofol, Kokain
  2. Maligne Hyperthermie
  3. Hitzschlag
  4. Alkoholexzesse
  5. Infektiös, vor allem durch Virusinfektionen
  6. Elektrolytstörung
  7. Muskelentzündungen
  8. Stoffwechselstörungen, z. B. Myophosphorylase-Defizit (McArdle-Krankheit), Carnitin Palmityltransferase 2 (CPT 2)-Mangel
  9. Autoimmunerkrankungen
  10. Endokrinopathien
  11. Sichelzellkrisen
  12. Gasbrand
  13. Schlangengifte
  14. Pilzgifte, z. B. Grünling (Tricholoma equestre)
  15. Coturnismus (Wachtelvergiftung)

Diagnostik

Nachgewiesen wird eine leichte Rhabdomyolyse oftmals nur durch eine erhöhte Konzentrationen von Enzymen im Blut, die normalerweise im Muskel vorkommen. Zu diesen Enzymen gehören die Creatin-Kinase (CK) und die Lactatdehydrogenase (LDH). Bei einer hohen Konzentration von Myoglobin im Blut kommt es auch zu einer Myoglobinurie, also einer Ausscheidung von Myoglobin über die Nieren. Der Urin färbt sich dadurch rot-braun.

Komplikationen

Eine gefürchtete Komplikation der Rhabdomyolyse ist das akute Nierenversagen: Das freigewordene Myoglobin kann die Niere schädigen (akute Tubulusnekrose). Dies geschieht auf dreierlei Weise:

  1. Das im Myoglobin enthaltene Häm kann die Nierenkanälchen durch Pigmentzylinder verstopfen;
  2. Eisen wird frei und schädigt die Tubuluszellen;
  3. Durch die Verschiebung von Flüssigkeit in den geschädigten Muskel hinein kann es zu einem Volumenmangel in den Gefäßen und damit zu einer Minderdurchblutung der Nieren kommen.[3]

Behandlung

Eine ursächliche Behandlung steht nicht zur Verfügung. Allerdings bildet sich die Rhabdomyolyse meist über einen längeren Zeitraum aus und kann bei rechtzeitigem Unterbinden der auslösenden Faktoren möglicherweise rückgängig gemacht werden. Um eine Schädigung der Nieren zu verhindern, ist eine forcierte Diurese notwendig. Dabei werden dem Patienten mehrere Liter Flüssigkeit in Form von Infusionen zugeführt und die Harnausscheidung durch Schleifendiuretika stimuliert. Dies soll die Ausscheidung des Myoglobins beschleunigen und gleichzeitig das Myoglobin im Urin verdünnen. Außerdem kann der Urin alkalisiert werden, um ein Ausfallen des Myoglobins im sauren Milieu zu verhindern. In extremen Fällen kann eine Dialyse eingesetzt werden, um das schädliche Myoglobin aus dem Blut zu entfernen.[4]

Literatur

  • Dieter Pongratz, Stephan Zierz: Neuromuskuläre Erkrankungen. Deutscher Ärzte Verlag, 2003, ISBN 3-7691-1172-9 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Ana L. Huerta-Alardín, Joseph Varon, Paul E. Marik: Bench-to-bedside review: Rhabdomyolysis – an overview for clinicians. In: Critical Care. Band 9, Nr. 2, April 2005, S. 158–169, doi:10.1186/cc2978, PMID 15774072.

Weblinks

Wiktionary: Rhabdomyolyse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Robert Bublak: Muskelzerfall nach dem Power-Strampeln. In: Orthopädische Sportmedizin / Nachrichten. 4. September 2017, abgerufen am 8. September 2017.
  2. Lorenzo Verriello, Domenico D’Amico, Giada Pauletto, Gian Luigi Gigli, Paolo Bergonzi: Rhabdomyolysis caused by tocolytic therapy with ritodrine hydrochloride. In: Neuromuscular Disorders, 19, Nr. 10, Oktober 2009; doi:10.1016/j.nmd.2009.06.364.
  3. Xavier Bosch, Esteban Poch, Josep M. Grau: Rhabdomyolysis and Acute Kidney Injury. In: New England Journal of Medicine. Band 361, Nr. 1, 2. Juli 2009, S. 62–72, doi:10.1056/NEJMra0801327.
  4. Claudio Ronco: Extracorporeal therapies in acute rhabdomyolysis and myoglobin clearance. In: Critical Care. Band 9, Nr. 2, S. 141, doi:10.1186/cc3055.