Raschi-Haus

Jüdisches Museum im Raschi-Haus Worms
Raschi-Haus mit Synagoge
Das Raschi-Haus, aufgenommen vom Garten der Wormser Synagoge
Daten
OrtHintere Judengasse 6

67547 Worms

Art
Historisches Museum
ArchitektRittmannsperger + Kleebank GmbH
Eröffnung1982
Betreiber
Stadt Worms
Leitung
Website
ISILDE-MUS-359119

Das Raschi-Haus ist ein historisches Gebäude des Judenviertels der Stadt Worms. Es liegt im Süden des Synagogenbezirks und war seit jeher ein wichtiger Teil des jüdischen Worms. In seiner etwa 800-jährigen Geschichte wurde es auf verschiedene Weise genutzt: als Talmudschule, Spital, Tanz- und Hochzeitshaus, Rabbinerwohnung und Altersheim. Heute beherbergt es das Stadtarchiv Worms und ein jüdisches Museum.

Geschichte

Gedenktafel zur Grundsteinlegung des Raschi-Hauses

Das Raschi-Haus stammt in seinen mittelalterlichen Gebäudeteilen aus dem 14. Jahrhundert. Die mittelalterliche Talmudschule, heute nach ihrem Lehrer Rabbi Schelomo ben Jizchaki (1040–1105) Raschi-Lehrhaus genannt, galt als eine der bedeutendsten Deutschlands.

Während das Gebäude im 15. Jahrhundert Tanzhaus und Spital genannt wurde, findet sich später die Bezeichnung „Zur Klause“. Seine Kellergewölbe wurden wahrscheinlich als Weinkeller genutzt.[1] Was mit dem Tanzhaus bei der Zerstörung der Stadt 1689 durch die Truppen Königs Ludwigs XIV. von Frankreich passierte, ist nicht bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass es wie die ganze Judengasse abbrannte.[2] Das wiederaufgebaute Gebäude wird 1760 im Visitations-Protokoll des Magistrats mit allen anderen Häusern der Judengasse genannt.[3]

Im 18. Jahrhundert befand sich darin ein Raum mit Toraschrein. In dieser „Klaus-Synagoge“ fanden bis zum Bau der Levy’schen Synagoge 1875 die Werktagsgottesdienste statt. Damals wohnte und lehrte hier auch der Rabbiner, der „docierte“, also privaten Talmud-Unterricht erteilte.[3] Im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Gebäude als Altersheim (Hospital) der Jüdischen Gemeinde genutzt.[4]

Gemeinsam mit Synagoge, Gemeindehaus (Haus „Zur Sonne“) und der Levy’schen Synagoge bildete es den Mittelpunkt der Israelitischen Kultusgemeinde Worms.[5] Dies blieb so bis zur nationalsozialistischen Pogromnacht, als morgens am 10. November 1938 die Alte Synagoge niedergebrannt sowie das Gemeindehaus und die Levy’sche Synagoge verwüstet wurden.[5] Als „Judenhaus“ wurde das Haus daraufhin bis 1942 zur Zwischenstation für aus ihren Wohnungen in der Stadt vertriebene Juden auf dem Weg in die Vernichtungslager.[6]

Nach schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg drohte das Gebäude einzustürzen und wurde 1971 abgetragen. Als originale, mittelalterliche, teilweise bis in die Römerzeit zurückreichende Bausubstanz blieben die Gewölbe und Teile des Erdgeschosses erhalten. Wegen seiner städtebaulichen, historischen und liturgischen Bedeutung wurde der Wiederaufbau des abgetragenen Gebäudes als kulturelle Begegnungs- und Tagungsstätte beschlossen[7] und von 1980 bis 1982 vollendet; der Neubau wurde dem früheren Haus nachempfunden. Heute beherbergt das Raschi-Haus im Keller und Erdgeschoss ein Judaica-Museum, im Obergeschoss das Stadtarchiv Worms sowie die Untere Denkmalschutzbehörde und im Dachgeschoss das Fotoarchiv.[8]

Judaica-Museum

Blick in die 2020 eröffnete Ausstellung im mittelalterlichen Kellergewölbe des Raschi-Hauses

Schon bei der Gründung des Altertumsvereins und der Errichtung des Städtischen Museums 1879/81 wurde auf die Wichtigkeit der Wormser Judaica hingewiesen, die eine dauerhafte Präsentation wert seien. Nach einigen Anläufen wurde 1912 schließlich ein Jüdisches Museum gegründet. Die Ausstellungsstücke wurden im Obergeschoss des Vorbaus der Synagoge gezeigt. Viele dieser einzigartigen Stücke gingen jedoch bei der Zerstörung der Synagoge am 10. November 1938 verloren.

Das 1982 im neu aufgebauten Raschi-Haus eröffnete Judaica-Museum zeigt in einer Dauerausstellung Modelle, Urkunden, Pläne, Kultobjekte und Fotografien zur Geschichte des jüdischen Lebens von den Anfängen mit der ersten Erwähnung der Wormser Synagoge 1034 bis zum Ende der jüdischen Gemeinde im Nationalsozialismus.

Dazu zählt ein Faksimile der ältesten im Stadtarchiv erhaltenen Urkunde, mit der König Heinrich IV. im Jahre 1074 den „Juden und übrigen Wormsern“ Zollfreiheit verlieh, aber auch archäologische Funde zu den baulichen Überresten der Wormser Judengasse oder sakrale Gegenstände wie der Pokal der Wormser Beerdigungsbruderschaft.

Sonderausstellungen, wie etwa zur baugeschichtlichen Entwicklung des Synagogenbezirks, kommen hinzu.[9] Zuletzt wurde eine Erweiterung des Museums durch eine digitale Medienstation vorgenommen.[10] Insgesamt legt das Museum in seiner Ausstellung den Schwerpunkt vor allem auf sozialgeschichtliche Stücke. Ziel ist es, das jüdische Worms als Fallbeispiel für jüdisches Leben am Oberrhein zu präsentieren.[11]

Im Sommer 2020 wurde die bisherige Dauerausstellung geschlossen und bis September 2020 neu gestaltet. Der Themenschwerpunkt hat sich dabei von Worms auf die SchUM-Städte und SchUM allgemein verschoben.[12]

Gedenkstätte

Das Raschi-Haus dient als Begegnungs- und Gedenkstätte. Von hier aus wurden 1942 die letzten Wormser Juden deportiert.[13] Der „Verein Raschi-Lehrhaus Worms e.V.“ setzt sich seit 1968 für den Wiederaufbau ein. Ebenfalls in die Planungen einbezogen war die New Yorker „Rashi Association“, die sich der Erhaltung jüdischer Baudenkmäler in aller Welt widmet.

„Das neue Raschi-Haus wird eine Stätte der Begegnung, der Forschung und der wissenschaftlichen Pflege der Überlieferung werden. Neben einem Jüdischen Museum soll es das Stadtarchiv aufnehmen, in dem die pergamentenen und papiernen Zeugen der Vergangenheit auch des jüdischen Worms aufbewahrt werden.“

Fritz Reuter: Zu Geschichte und Entwicklung des Raschi-Lehrhauses[14]

Literatur

  • Otto Böcher: Raschis Lehrhaus in Worms, in: Emuna. Blätter für christlich-jüdische Zusammenarbeit 4/1. Köln 1969, S. 25–28.
  • Gerold Bönnen: Bemerkungen zur Wormser Raschi-Rezeption seit dem 17. Jahrhundert, in: Raschi und sein Erbe. Internationale Tagung der Hochschule für Jüdische Studien mit der Stadt Worms, hrsg. v. Daniel Krochmalnik/Hanna Liss/Ronen Reichman, Heidelberg 2007 (Schriften der Hochschule für Jüdische Studien 10), S. 185–198.
  • Fritz Reuter: Jüdisches Worms. Raschi-Haus und Judengasse. Worms 1992. (kürzere Fassung: Das Jüdische Museum Raschi-Haus in Worms, in: Der Wormsgau 15, 1987/91, S. 10–29)
  • Fritz Reuter: Warmaisa. 1000 Jahre Juden in Worms. Worms 1984.
  • Gerold Bönnen, Irene Spille: Jüdisches Museum im Raschi-Haus Worms. Worms 2000. (Broschüre) (Memento vom 19. Juni 2013 im Webarchiv archive.today)
  • Susanne Urban, Gerold Bönnen, Günter Illner (Hg.): Die Ausstellung SchUM am Rhein. Vom Mittelalter zur Moderne. Jüdisches Museum Worms – Raschi-Haus. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2021. ISBN 978-3-88462-402-9

Weblinks

Commons: Raschi-Haus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fritz Reuter: Warmaisa, S. 81f. „Seit 1600 lässt sich über die Wormser Judenordnung auch der Weinhandel nachweisen.“
  2. Fritz Reuter: Peter und Johann Friedrich Hamman. Handzeichnungen von Worms aus der Zeit vor und nach der Stadtzerstörung 1689 im „Pfälzischen Erbfolgekrieg“. Worms 1989, S. 70f.: „Blick auf die zerstörte Stadt von Norden her, wo in der Judengasse zwischen Martins- und Judenpforte nur ausgebrannte Ruinen dargestellt sind.“
  3. a b Fritz Reuter: Jüdisches Worms. Raschi-Haus und Judengasse. Worms 1998. S. 4
  4. Stadtverwaltung Worms: 5. Bürgerinformation. Stadtsanierung Worms: Die Judengasse. Worms 1978. S. 8
  5. a b Fritz Reuter: Jüdisches Worms. Raschi-Haus und Judengasse. Worms 1998. S. 5
  6. Annelore und Karl Schlösser: Keiner blieb verschont. Die Judenverfolgung 1933–1945 in Worms. Verlag Stadtarchiv Worms, Worms 1987, S. 74.
  7. Stadtverwaltung Worms: 5. Bürgerinformation. Stadtsanierung Worms: Die Judengasse. Worms 1978. S. 9
  8. Stadt Worms: Wegweiser durch das Raschi-Haus. (Memento vom 14. Februar 2013 im Internet Archive) (PDF; 0,22 MB) Aufgerufen am 14. Juni 2013.
  9. Artikel zur Ausstellung: „Auf den Spuren der Wormser Synagoge“ (Memento vom 19. Juni 2013 im Webarchiv archive.today)
  10. Joachim Bonath: Jüdisches Museum präsentiert neue Medienstation. (Memento vom 22. Februar 2014 im Internet Archive) in: W1-Extrablatt. Aufgerufen am 14. Juni 2013.
  11. Fritz Reuter: Jüdisches Worms. Raschi-Haus und Judengasse. Worms 1998. S. 10
  12. VRM GmbH & Co KG: Worms: Jüdisches Museum wird neu gestaltet - Wormser Zeitung. 23. Juni 2020, abgerufen am 29. August 2020.; Urban: Die Ausstellung [Begleitheft zur Ausstellung.]
  13. Annelore und Karl Schlösser: Keiner blieb verschont. Die Judenverfolgung 1933–1945 in Worms. Verlag Stadtarchiv Worms, Worms 1987, S. 74.
  14. Fritz Reuter, Direktor des Stadtarchivs Worms, zum Neubau des Raschi-Hauses (PDF; 219 kB) (Memento vom 14. Februar 2013 im Internet Archive)

Koordinaten: 49° 38′ 0,1″ N, 8° 21′ 58,6″ O

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Raschi-Haus mit Synagoge.jpg
Autor/Urheber: Stadtarchiv Worms Foto: B. Bertram, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Raschi-Haus mit Synagoge. Das jüdische Museum ( Raschi-Haus) im Mittelgrund (im Süden); im ersten Plan nach links, der Synagoge der Männer (Der Seite Westen der Synagoge, heute Jeschiwa); im ersten Plan vor dem jüdischen Museum, dem Garten der Synagoge.
Blick in UG Gelehrsamkeit.jpg
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Blick in die neue Dauerausstellung im Raschi-Haus, Untergeschoss.
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Gedenktafel zur Grundsteinlegung des Rasch-Hauses.
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