Raimundtheater

Das Raimundtheater in Wien

Das Raimundtheater (Eigenschreibung Raimund Theater) ist ein Theater im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf in der Wallgasse 18–20, das heute zu den Vereinigten Bühnen Wien gehört und hauptsächlich Musicals als Spielstätte dient. Die Sanierung und der Umbau wurde Ende Mai 2021 abgeschlossen.[1]

Geschichte

Logo des Raimund Theaters
Gründer-Schein des Raimund Theater-Vereins in Wien über 400 Gulden, ausgestellt im Dezember 1893, mit Porträt des Dramatikers Ferdinand Raimund
Gründer-Schein des Raimund Theater-Vereins in Wien über 400 Gulden, ausgestellt im Dezember 1893, mit Porträt des Dramatikers Ferdinand Raimund
Das Raimund Theater um 1898
Der Eingangsbereich während der Spielzeit von We Will Rock You
Zuschauerraum des Raimund Theaters
(c) Christian Michelides, CC BY-SA 4.0
Gedenkstein für den früheren Direktor Rudolf Marik

Das nach dem österreichischen Dramatiker Ferdinand Raimund benannte Theater wurde im Jahr 1893 von einem Verein von 500[2] Bürgern des Gemeindebezirks Mariahilf gegründet, nach Entwürfen des Architekten Franz Roth (1841–1909)[3] errichtet und, vollständig elektrisch beleuchtet,[4] am 28. November 1893 (erste Vorstellung am 27. November 1893)[2] mit Raimunds Zauberspiel Die gefesselte Phantasie[5] feierlich eröffnet (Prolog verfasst von Alfred von Berger)[6][Anm. 1]

Bis zum Jahr 1896 stand das Theater unter der Leitung von Adam Müller-Guttenbrunn.[7] Er und sein künstlerischer Beirat Hermann Bahr machten das Theater zu einer Sprechbühne mit klassischen Volksstücken, die ein Gegengewicht zur großbürgerlichen „Operettendekadenz“ darstellen sollten. Alexander Girardi, Eleonora Duse, Max Reinhardt, Louise Dumont und Adele Sandrock traten hier auf.

1907 übernahm der jüdische Regisseur und Theaterdirektor Sigmund Lautenburg (1851–1918)[8] die Leitung des Raimund-Theaters, jedoch nur für kurze Zeit. Er beauftragte für eine neue Inszenierung des Schauspiels Die Nibelungen von Friedrich Hebbel Carl Otto Czeschka, die Bühnenbilder und Kostüme zu entwerfen. Auf die Aufführung wurde aus verschiedenen Gründen verzichtet, aber ein unmittelbares Ergebnis der intensiven Beschäftigung Czeschkas mit dem Nibelungenthema für das Raimund-Theater waren die Zeichnungen, die dem kleinen Buch Die Nibelungen im Verlag Gerlach & Wiedling als Grundlage dienten.[9][8][10]

Unter Direktor Wilhelm Karczag hielt ab 1908 die Operette Einzug, etwa durch die Eigenproduktion „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss im Jahre 1908 oder Robert Stolz’ „Glücksmädel“ und dem auf Franz Schuberts Musik beruhenden Dreimäderlhaus. Von 1921 bis 1924 wurden unter Direktor Rudolf Beer wieder vor allem Sprechstücke gespielt.

Nach 1945 erlebte unter Rudolf Marik (1900–1976), der das Haus von 1948 bis 1976 leitete, die Operette mit Johannes Heesters, Marika Rökk, Zarah Leander und anderen bekannten Darstellern und Sängern einen Höhepunkt. Am Raimund Theater begannen viele berühmte Schauspieler ihre Karriere, wie zum Beispiel Hansi Niese, Paula Wessely, Attila Hörbiger, Karl Skraup.

Im Dezember 1968 beging das Raimundtheater sein 75-Jahr-Jubiläum mit der Aufführung der Operette Der Bettelstudent von Carl Millöcker.

Als Festwochenpremiere am 23. Mai 1969 wurde die Operette Giuditta von Franz Lehár gegeben, in der Gretl Schörg (1914–2006) nochmals glänzend in Erscheinung trat,[11] bevor sie sich wenig später ganz vom Bühnenleben zurückzog.

Nach 1976 wurden bereits sporadisch Musicals gespielt. In den Jahren 1984 und 1985 wurde das Theater generalsaniert. Seit 1987 gehört es gemeinsam mit dem Theater an der Wien und dem Ronacher zu den Vereinigten Bühnen Wien (GmbH) und ist seither hauptsächlich Spielstätte für Musicals.

Bekannte Musicals in deutscher Sprache wie zum Beispiel Die Schöne und das Biest mit Ethan Freeman und Caroline Vasicek in den Hauptrollen, Tanz der Vampire mit Steve Barton und Cornelia Zenz, Wake Up mit Alexander Goebel und Rainhard Fendrich und zuletzt auch Barbarella mit Nina Proll in der Titelrolle und Eva-Maria Marold, hatten jeweils am Raimund Theater ihre Uraufführung. Im Februar 2005 fand die Premiere der deutschsprachigen Erstaufführung von Romeo und Julia mit Lukas Perman und Marjan Shaki in den beiden Titelrollen statt. In weiteren Rollen waren unter anderem Carin Filipčić als Amme, Mark Seibert als Tybalt, Rasmus Borkowski als Mercutio und Mathias Edenborn als Benvolio sowie Thomas Mülner als Graf Paris zu sehen.

Das Musical Elisabeth wurde anlässlich dessen 20. Geburtstag von 2012 bis 2014 gespielt. Dabei wurden im Saal vier LED-Übersetzungstafeln angebracht, auf denen seither die Stücke in Englisch übersetzt werden.

Die Verleihung des im Jahr 2000 initiierten Nestroy-Theaterpreises fand 2011 zum ersten Mal im Raimund Theater statt.

Das Raimund Theater wird nach der Renovierung 1.400 Sitzplätze fassen. Bisher waren es 1.195 Sitzplätze und 40 Stehplätze, das konnte allerdings von Produktion zu Produktion variieren.

Im März 2018 beschloss der Kulturausschuss des Wiener Gemeinderats für die Sanierung des Theaters 12,76 Millionen Euro bereitzustellen. Das Theater war seit 17. Juni 2019 für Sanierungsarbeiten rund 14 Monate geschlossen, die Wiedereröffnung war ursprünglich für Herbst 2020 mit dem Musical Miss Saigon geplant.[12] Im Juni 2020 wurde die Wiedereröffnung auf Jänner 2021 verschoben.[13] Im Oktober 2020 wurde bekannt gegeben, dass die Premiere nochmals auf Herbst 2021 verschoben wurde. Am 26. September 2021 wurde mit der WE ARE MUSICAL – Die große Eröffnungsgala das Raimund Theater wiedereröffnet. Die Premiere von Miss Saigon hätte am 3. Dezember 2021 stattfinden sollen, aufgrund eines erneuten landesweiten Lockdowns musste diese wiederholt abgesagt werden.

Uraufführungen Operette / Singspiel

Uraufführungen Musical

MusicalMusik und BuchPremiereDerniereVorstellungen / BesucherZusätzliche Infos
Tanz der VampireJim Steinman, Michael Kunze4. Oktober 199715. Jänner 2000677 Vorstellungen / 805.000 BesucherRoman Polanski führte selbst Regie
Wake UpRainhard Fendrich29. September 20021. Jänner 2004
BarbarellaDave Stewart, Rudi Klausnitzer11. März 20041. Jänner 2005
RebeccaMichael Kunze, Sylvester Levay28. September 200631. Dezember 2008405.000 Besuchervon Jänner – Juni 2008 unterbrochen von We Will Rock You
22. September 2022vrsl. 07. Jänner 2024213 Vorstellungen (+5 Previews) Stand 24. Juni 2023Wiederaufnahme
RudolfFrank Wildhorn, Jack Murphy26. Februar 200924. Jänner 2010210 Vorstellungen / 180.984 Besucherdeutschsprachige Erstaufführung/ Uraufführung der Wiener Fassung, Ko-Produktion mit Operettenhaus Budapest
SchikanederStephen Schwartz, Christian Struppeck30. September 201621. Juni 2017216 Vorstellungen + 8 Previews / ca. 180.000 Besucher
I Am from AustriaRainhard Fendrich, Christian Struppeck, Titus Hoffman16. September 201716. Juni 2019462 Vorstellungen + 5 Previews / 500.000 BesucherMit den Songs von Rainhard Fendrich

Weitere Musicalaufführungen

MusicalMusik und BuchPremiereDerniereVorstellungen / BesucherZusätzliche Infos
A Chorus LineMarvin Hamlisch, Michael Bennett16. Oktober 19871. Juli 1988225 Vorstellungen / 235.000 Besucherösterreichische Erstaufführung
Les MisérablesAlain Boublil, Claude-Michel Schönberg15. September 198831. März 1990400 Vorstellungen / 420.000 Besucherdeutschsprachige Erstaufführung
Phantom der OperAndrew Lloyd Webber9. Juni 199030. Juni 19931.363 Vorstellungen / 1,4 Mio. Besucherzuvor von Dezember 1988 – Juni 1990 im Theater an der Wien, deutschsprachige Erstaufführung
15. März 2024offen(+8 Previews)Wiederaufnahme - Neue Fassung der US-Tournee und der australischen Version
Rocky Horror ShowRichard O’Brien7. September 199326. Oktober 1993siebenwöchiges Zwischenspiel, nicht von den VBW
Kuss der SpinnenfrauJohn Kander, Fred Ebb23. November 199330. Juni 1994deutschsprachige Erstaufführung
GreaseWarren Casey, Jim Jacobs28. September 199430. Juni 1995265 Vorstellungen / ca. 300.000 Besucherdeutschsprachige Erstaufführung
Disney’s Die Schöne und das BiestAlan Menken, Howard Ashman, Tim Rice28. September 199529. Juni 1997560 Vorstellungen / ca. 600.000 Besuchereuropäische Erstaufführung
Joseph and the Amazing Technicolor DreamcoatAndrew Lloyd Webber3. März 200014. Jänner 2001236 Vorstellungen / ca. 251.000 Besucherösterreichische Erstaufführung
HairGalt MacDermot, Gerome Ragni, James Rado10. März 200130. Juni 2002385 Vorstellungen / ca. 395.000 Besucherösterreichische Erstaufführung
Romeo und JuliaGérard Presgurvic24. Februar 20058. Juli 2006deutschsprachige Erstaufführung
We Will Rock YouQueen, Ben Elton16. Jänner 200813. Juli 2008203 Vorstellungen, ca. 250.000 Besucherösterreichische Erstaufführung
Ich war noch niemals in New YorkUdo Jürgens, Gabriel Barylli, Christian Struppeck17. März 201015. Juni 2012592 Vorstellungen / ca. 630.000 Besucher (1. Spielzeit)österreichische Erstaufführung (Wiener Fassung)
17. April 20163. Juli 201686 Vorstellungen / ca. 78.000 Besucher
ElisabethMichael Kunze, Sylvester Levay5. September 20121. Februar 2014381 Vorstellungen / ca. 412.000 Besucherleicht überarbeitete Wiener Version, zuvor zwei Spielzeiten im Theater an der Wien
Mamma Mia!Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Catherine Johnson19. März 201428. Juni 2015360 Vorstellungen, ca. 360.000 Besucher
Mozart!Michael Kunze, Sylvester Levay24. September 201520. März 2016161 Vorstellungen +7 Previews / ca. 175.000 Besucherzuvor im Theater an der Wien
Miss SaigonAlain Boublil, Claude-Michel Schönberg23. Jänner 202225. Juni 2022117 Vorstellungen + 6 Previews

Literatur

  • Adam Müller-Guttenbrunn: Die gefesselte Phantasie. Gelegenheitsschrift zur Eröffnung des Raimund-Theaters. (Beigefügte Werke: Zur Geschichte der Gefesselten Phantasie). Honegen, Wien 1893.
  • Oscar Friedmann: Zur Krise im Raimundtheater. August Schulze, Leipzig 1896.
  • 70 Jahre Raimund-Theater. 28. November 1893 – 28. November 1963. Wiener Theaterbetriebsgesellschaft, Wien 1963.
  • Satzungen des Raimund-Theater-Vereines. Gorischek, Wien 1892.
  • Eva Marlene Drnek: Entstehung des Wiener Raimund-Theaters. Burgtheater für das Volk. Diplomarbeit. Universität Wien, Wien 2007.
  • Adam Müller-Guttenbrunn: Das Raimund-Theater. Passionsgeschichte einer deutschen Volksbühne. Neue Revue, Wien 1897.
  • Gustav Andreas Ressel: Das Raimund-Theater. Eine Denkschrift. Reisser, Wien 1892.
  • Maria Kinz: Raimund Theater. Jugend und Volk, Wien u. a. 1985, ISBN 3-224-16003-9.

Weblinks

Commons: Raimundtheater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Raimund Theater fertig saniert. In: wien.orf.at. 31. Mai 2021, abgerufen am 1. Juni 2021.
  2. a b Raimund-Theater. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 10514/1893, 28. November 1893, S. 5 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  3. Franz Roth. In: Architektenlexikon Wien 1770–1945. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien. Wien 2007.
  4. Raimund-Theater. In: Josef Kareis (Red.): Zeitschrift für Elektrotechnik. Organ des Elektrotechnischen Vereins in Wien. XI. Jahrgang (1893). Selbstverlag, Wien 1893, S. 561. – Volltext online.
  5. Volltext online.
  6. Alfred Freiherr von Berger: Prolog zur Eröffnungs-Vorstellung im Raimund-Theater. Steyrermühl, Wien 1893.
  7. Adam Müller-Guttenbrunn: Der suspendierte Theaterdirektor. Rede des Direktors – Gehalten am 24. Februar 1896 in der außerordentlichen General-Versammlung des Raimund-Theater-Vereins in Wien. Zweite Auflage. Meyer, Leipzig 1896.
  8. a b Futter: Lautenburg, Sigmund. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1972, S. 52.
  9. "Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950", 1970, S. 52.
  10. Senta Siller, Carl Otto Czeschka – Leben und Werk, Dissertation 1990, S. 77.
  11. Harald Sterk: „Giuditta“ als Festwochenpremiere im Raimundtheater: Lehars unglückliche Liebe zur Oper. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 25. Mai 1969, S. 6, Mitte links.
  12. orf.at: Raimund Theater: Sanierung startet 2019. Artikel vom 7. März 2018, abgerufen am 7. März 2018.
  13. Raimund Theater öffnet erst 2021 wieder. In: ORF.at. 8. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020.

Anmerkungen

  1. Bei der Eröffnungsvorstellung waren unter anderem zugegen: k.k. Innenminister Bacquehem, Bürgermeister Prix sowie Statthalter von Niederösterreich Kielmansegg – der beim nachfolgenden Festbankett im Hotel Goldenes Kreuz, Mariahilfer Straße 99, als Ranghöchster das Wort ergriff. — Siehe: Raimund-Theater. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 10515/1893, 29. November 1893, S. 7, Mitte links. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp

Koordinaten: 48° 11′ 32″ N, 16° 20′ 23″ O

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