Orgellandschaft Litauen

Die Orgellandschaft Litauen umfasst heute mehr als 400 Orgeln, darunter über 100 historische Instrumente.

Geschichte

Die älteste erhaltene Nachricht über eine Orgel in Litauen ist von 1408 über ein Portativ als Geschenk für Ona, die Ehefrau des Großfürsten Vytautas durch den Hochmeister des Deutschen Ordens Ulrich von Jungingen. Aus den folgenden Jahrhunderten gibt es nur wenige erhaltene Informationen über Orgeln und Orgelbauer in Litauen.

Im 18. Jahrhundert prägten deutsche Orgelbauer die Herstellung, besonders Gerhard Arend Zelle, ein Schüler Georg Casparis aus Königsberg, und dessen Schüler Nicolaus Jentzen (Jantzon) aus Hamburg. Von Adam Gottlob Casparini aus Königsberg und dessen Schüler Johann Preuß sind einzelne Instrumente erhalten.[1] Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es überwiegend nur Positive, meist einmanualig mit etwa 7 bis 15 Registern und ohne Pedal. Besonderheiten waren fast immer ein Zimbelstern und ein Paukenregister (zwei schwebende große Holzpfeifen).

Der romantische Orgelbau im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde in Litauen durch Juozapas Radavičius, Jonas Garalevičius, der bei Barnim Grüneberg in Stettin gelernt hatte, und Martynas Masalskis dominiert. Es entstanden auch einzelne Instrumente durch bekannte Orgelbauer wie Friedrich Ladegast, E. F. Walcker und Franz Rieger. Im 20. Jahrhundert wurden zahlreiche historische Orgeln durch neuere ersetzt.

Nach der Eingliederung in die Sowjetunion 1944 verfielen zunächst viele Instrumente auf Grund von Kirchenschließungen. Seit den 1960er Jahren wurden einige wieder verstärkt genutzt, häufiger in Konzertsälen. Es wurden einige neue gebaut, unter anderem von Schuke Orgelbau aus Potsdam. 1972 wurde auf staatliche Anordnung eine einheimische Orgelbauwerkstatt durch Rimantas Gučas in Vilnius gegründet, die sich seitdem der Pflege, Restaurierung und Dokumentation der Orgeln im Land widmet.[2] Seit 1992 entstanden zahlreiche neue Instrumente.

Orgeln

Von den über 400 Orgeln in Litauen sind über 100 aus dem 17. bis 20. Jahrhundert erhaltene, dazu einige historische Gehäuse.

Die bedeutendste ist die fast vollständig erhaltene Orgel von Adam Gottlob Casparini von 1776 in der Heilig-Geist-Kirche in Vilnius, weitere Barockorgeln befinden sich in der Klosterkirche und der lutherischen Kirche in Kretinga, sowie in Tytuvėnai, Linkuva und Adakavas.

Die Instrumente sind nach der Anzahl der Register sortiert, ein großes „P“ bedeutet ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein angehängtes.

OrtGebäudeJahrErbauerBildManualeRegisterBemerkungen
VilniusSt. Johanneskirche1983–2000Rimantas GučasVilnius Historic Centre-110906.jpgIII/P64in historischen Gehäuse von 1765/66 von Nicolaus Jantzon
KaunasKathedrale St. Peter und Paul1882Juozapas Radavičius
Kaunas Kathedrale St. Peter & Paul Innen Orgel 1.JPG
III/P63nach französischem romantischem Vorbild
VilniusNationalphilharmonie1963Schuke, Potsdam
Lithuanian National Philharmony3.JPG
III/P52
VilniusKathedrale1969Schuke, PotsdamVilnius Cathedral Organ (2).jpgIII/P49in historischen Gehäuse von 1785 von Nicolaus Jantzon
VilniusKlosterkirche St. Kasimir1968/2003OberlingerOrgan in the Church of St. Casimir.JPGIII/P45ursprünglich in Durlach, Stadtkirche, 2003 in Vilnius neu zusammengesetzt, mit neuem Gehäuse
KaunasKirche St. Michael1939E. F. WalckerIII/P392008 von Ugale restauriert
KlaipėdaFranziskanerklosterkirche2013RiegerIII/P37
VabalninkasKirche Mariä Himmelfahrtum 1890Juozapas RadavičiusIII/P32
VilniusDominikanerklosterkirche Heilig Geist1775/1776Adam Gottlob Casparini
Šv. Dvasios bažnyčia Vilniuje. Vargonai.jpg
III/P31fast vollständig original erhalten, bedeutendste Barockorgel im Baltikum, 1995–2005 durch Gučas restauriert – Orgel
VilniusLutherische Kirche2008KlaisII/P29
ŠiauliaiKathedrale St. Peter und Paul1973E. F. WalckerII/P29ursprünglich in Bargteheide, 1995 durch Gučas umgesetzt[3]
TytuvėnaiSt. Marien1789Nicolaus JantzonII24ohne Pedal[4]
ŠvėkšnaSt. Jakobus1906Bruno GoebelII/P242005 restauriert durch Šauklys
LinkuvaKirche Maria Scapula1764Nicolaus JantzonII/p23älteste erhaltene Barock-Orgel in Nordlitauen, 1897 erweitert durch Emil Martin[5]
VilniusKirche St. Peter und Paul1905Juozapas RadavičiusVilnius Peter Paul Organ (2).jpgII/P22Orgelprospekt nach Aristide Cavaillé-Coll in Madeleinekirche in Paris
PumpėnaiSt. Marien1898Modest MasalskisII/P202007 restauriert durch Šauklys
KretingaLutherische Kirche1785Johann Preuß, KönigsbergII/P14ursprünglich in Werden (Verdaine), Kirche, 1899 umgesetzt
DotnuvaKlosterkirche St. Maria1827MichniewiczI/P121996 restauriert durch Gučas
GriškabūdisKirche1804Georg Adam NeppertI/P13im 19. Jhd. Erweiterung[6][7]
KartenaKirche Mariä Himmelfahrt1774Paul Gerhard ZelleI11Barock-Orgel, 1805 umgebaut und von 2007 bis 2009 restauriert[8]
VilniusMusikakademie1990–2000Orgelbau PirchnerI/P11ursprünglich für Mozarteum gebaut, 2008 nach Vilnius verlegt[9]
VilniusKirche St. Johannes, Oginski-Kapelle1974Rimantas GučasI/p8in historischem Gehäuse von 1778 , mit historischer Disposition
KretingaKlosterkirche Mariä Verkündigung1680?I8älteste erhaltene Orgel in Litauen, ursprünglich in Gintališkė, Kirche, 2004 restauriert durch Gučas, Kalnins
AdakavasKirche Johannes der Täuferum 1780??I7Positiv, Casparini oder seiner Umgebung zugeschrieben, 1986 restauriert durch Gučas[10]

Literatur

  • Rimantas Gučas: Lietuvos vargonai: katalogas (Litauische Orgeln. Katalog). Vilnius 2009.

Weblinks

Commons: Orgeln in Litauen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zum Königsberger Einfluss in Litauen siehe Rimantas Gučas: Die Orgelbautradition Königsberg-Litauen. In: Acta Organologica. Band 30. 2008. S. 35–66.
  2. Zur Geschichte auch Orgelbarock in Vilnius Baltisches Orgelcentrum
  3. Šiauliai, Kathedrale St. Peter und Paul Organindex, mit Disposition und Foto (deutsch)
  4. Tytuvėnai, Klosterkirche St. Marien Organindex, mit Disposition
  5. Orgel Linkuva vargonai.lt, mit Disposition und Foto (litauisch)
  6. Rimantas Gučas: Die Orgelbautradition Königsberg-Litauen. In: Acta Organologica. Band 30. 2008. S. 35–66, hier S. 46–52.
  7. Griškabūdis vargonai.com, mit Fotos und Dispositionen
  8. Orgel in Kartena vargonai.com, mit Disposition (litauisch)
  9. Orgel in der Musikakademie vargonai.lt, mit Disposition und Foto (litauisch)
  10. Instandsetzung und Dokumentation der Casparini-Orgel in Adakavas Baltisches Orgelcentrum

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Lithuanian National Philharmony3.JPG
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Lithuanian National Philharmony
Vilnius Peter Paul Organ (2).jpg
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Orgel in St. Peter and St. Paul, Vilnius, Litauen
Vilnius Cathedral Organ (2).jpg
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Orgel im Dom zu Vilnius, Litauen
Vilnius Historic Centre-110906.jpg
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Vilnius Historic Centre (Lithuania)
Šv. Dvasios bažnyčia Vilniuje. Vargonai.jpg
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Bažnyčios vargonai
Kaunas Kathedrale St. Peter & Paul Innen Orgel 1.JPG
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Orgel der Kathedrale St. Peter & Paul, Kaunas, Litauen
Organ in the Church of St. Casimir.JPG
Autor/Urheber: Alma Pater, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Organ in the Church of St. Casimir (Šv. Kazimiero bažnyčia) in Vilnius (Didžioji g. 34)