Olivier Gendebien

Olivier Gendebien
Olivier Gendebien (links) neben Giotto Bizzarini 1960
Nation:Belgien Belgien
Automobil-Weltmeisterschaft
Erster Start:Großer Preis von Argentinien 1956
Letzter Start:Großer Preis der USA 1961
Konstrukteure
1956–1959 Scuderia Ferrari · 1960 Yeoman Credit Racing Team · 1961 Emeryson CarsScuderia Ferrari SpA SEFACUDT-Laystall Racing Team
Statistik
WM-Bilanz:WM-Sechster (1960)
StartsSiegePolesSR
14
WM-Punkte:18
Podestplätze:2
Führungsrunden:3 über 41,6 km
Vorlage:Infobox Formel-1-Fahrer/Wartung/Alte Parameter

Olivier Jean Marie Fernand Gendebien (* 12. Januar 1924 in Brüssel; † 2. Oktober 1998 in Tarascon, Frankreich) war ein belgischer Automobilrennfahrer, der Ende der 1950er- bzw. Anfang der 1960er-Jahre das 24-Stunden-Rennen von Le Mans viermal gewinnen konnte und als einer der besten Sportwagenrennfahrer jener Ära gilt.

Karriere

Fallschirmspringer und Söldner

Sowohl seine Herkunft als auch sein Weg zum Motorsport waren ungewöhnlich. In der Fachpresse wurde oft darüber spekuliert, dass er adeliger Herkunft sei, ohne jedoch direkte Belege dafür zu finden. Fest steht allerdings, dass der aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Gendebien während des Zweiten Weltkrieges für die Résistance als Fallschirmspringer tätig war.

Selbst nach Kriegsende nicht zur Ruhe gekommen, verpflichtete er sich als Zeitsoldat für vier Jahre in Belgisch-Kongo, und wurde auf nicht überlieferte Art in der Umgebung von Stanleyville eingesetzt. Dort traf er den Rallye-Fahrer Charles Fraikin, der ihm den Weg zum Rennsport aufzeigte. Fraikin war angeblich von den Orientierungsfähigkeiten Gendebiens und dessen Fahrzeugbeherrschung beeindruckt. Nebenbei beklagte er, dass er zuhause in Europa keinen geeigneten Copiloten zur Verfügung habe.

Der Rallye-Copilot

Nachdem beide nach Belgien zurückgereist waren, startete Gendebien auf einem Veritas beim Grand Prix des Frontières bei Chimay, wo er als Sechstplatzierter ins Ziel kam. Daraufhin schloss er sich Fraikin an, um gelegentlich mit einem Jaguar an Rallye-Veranstaltungen teilzunehmen.

Ihre Zusammenarbeit dauerte bis 1955 an. Aber bis dahin hatte sich Gendebien schon als eigenständiger und konkurrenzfähiger Fahrer etabliert. Als sie sich trennten, hatten sie bereits den Spitznamen „Die ewigen Brautjungfern“, da sie bei vielen Rennen stets den zweiten Platz, aber eben nicht den Sieg errangen. Zweimal hatten sie auf diese Weise die Lüttich-Rom-Lüttich Rallye abgeschlossen, doch 1955 waren sie mit einem Mercedes-Benz 300 SL endlich erfolgreich.

Start der eigenen Karriere

Ohne Fraikin hatte Gendebien deutlich mehr Erfolg, so gewann er bereits 1954 innerhalb seiner Klasse mit einem Plymouth die Italien-Rallye, die niederländische Tulpen-Rallye und die Northern Roads Rally auf einem Porsche.

Sportwagen- und Formel-1-Rennen für Ferrari

Dennoch beruhigte sich seine Karriere etwas. Die weiteren Bemühungen erweckten den Eindruck, dass ihm Enzo Ferrari einen Werksvertrag für Sportwagenrennen und einige Einsätze in der Formel 1 offeriert habe. Doch sein erster Start für Ferrari endete beim Training zur RAC Tourist Trophy in Dundrod zur allseitigen Enttäuschung mit einem schweren Unfall, bei dem er eine Gehirnerschütterung erlitt.

Zum Beginn der Formel-1-Saison 1956 war seine Gesundheit wieder zufriedenstellend. Ohne jegliche Erfahrung auf einem Monoposto wurde er zum Großen Preis von Argentinien gemeldet, den er mit einem bemerkenswerten fünften Platz und seinen ersten Weltmeisterschaftspunkten abschloss. Ein sechster Rang beim Grand Prix von Mendoza bestätigte seine gute Form.

Im Verlauf des Jahres konnte er einige hervorragende Einsätze bei Sportwagenrennen vorzeigen: zweite Plätze in Buenos Aires, beim Supercortemaggiore in Monza und beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring an der Seite Alfonso de Portagos, dem dritten Platz in Le Mans mit seinem Kollegen Maurice Trintignant und bei der Targa Florio.

Danach startete er für die spätere Equipe Nationale Belge mit Jacques Swaters auf einem Ferrari 250 GT, mit dem er zwei große Rundfahrten ebenfalls auf dem dritten Platz beendete. 1956 war Gendebiens Durchbruch in der Rennsportszene, dem sechs weitere erfolgreiche Jahre folgten.

1957 feierte er mit seinem Cousin Jacques Washer als Beifahrer einen herausragenden Sieg bei der Tour di Sicilia auf einem Ferrari 250 GT, mit dem er bei der letzten Mille Miglia einen erstaunlichen dritten Platz herausfuhr.

Im weiteren Verlauf des Jahres gewann er mit demselben Wagen das 12-Stunden-Rennen von Reims mit seinem Kollegen Paul Frère und beendete die Saison mit dem Gewinn der Tour de France an der Seite von Lucien Bianchi. Gendebien, der in Belgien außerordentlich populär war, galt nun als Star der Sportwagenszene, der eine regelrechte Serie von Rennsiegen in den folgenden Jahren feiern konnte.

Die großen Siege

1958 gewann er erneut das Rennen in Reims. Es folgten eine Reihe von Siegen bei der Targa Florio, im selben Jahr zusammen mit Luigi Musso, drei Jahre später mit Wolfgang Graf Berghe von Trips und abschließend die Targa von 1962 mit Willy Mairesse und Ricardo Rodríguez.

Weitere herausragende Siege waren die beim 12-Stunden-Rennen von Sebring 1960, auf einem Porsche mit Hans Herrmann und 1961 mit Phil Hill für Ferrari. Außerdem konnte er das 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring ein Jahr später für sich entscheiden.

Seine größten Erfolge blieben die für eine lange Zeit beispiellosen vier Siege in Le Mans, wo er 1958, 1960, 1961 und 1962 triumphierte, um im Anschluss daran seinen Rückzug vom Rennsport zu erklären. Dreimal teilte er sich den Sieg mit Phil Hill; 1960 feierte Paul Frère mit ihm.

Seine Dominanz in der Sportwagenszene ist allein daran zu erkennen, dass er zusammen mit Phil Hill und Peter Collins maßgeblichen Anteil daran hatte, dass Ferrari Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre zahlreiche Sportwagen-Weltmeistertitel erringen konnte.

Abschluss seiner Grand-Prix-Karriere

Hinter diesen beeindruckenden Erfolgen steht seine Formel-1-Karriere etwas zurück. Bei 14 Starts zwischen 1956 und 1961 konnte er jedoch in der Hälfte der Rennen Punkte für sich verbuchen. Meist als Gastfahrer für Ferrari startend, erzielte er seine größten Grand-Prix-Erfolge 1960 mit einem Cooper T51: den dritten Platz in Spa-Francorchamps sowie den zweiten Rang in Reims. Obwohl er während der Formel-1-Saison 1960 vier Rennen versäumt hatte, erzielte er den sechsten Platz in der Weltmeisterschaft.

Im Folgejahr startete er bei seinem Heim-Grand-Prix in Spa auf einem in der gelben Nationalfarbe lackierten Ferrari 156, der allerdings im Gegensatz zu den Wagen seiner Teamkollegen nicht mit der neuesten Motorspezifikation ausgerüstet worden war. In den ersten Runden führte er von der Pole-Position aus zur Begeisterung des Publikums das Rennen souverän an, doch im weiteren Verlauf verwiesen ihn seine Kollegen auf den vierten Rang.

Rückzug ins Privatleben

Mit 38 Jahren nahm Gendebien seinen Abschied vom Motorsport, da er zu viele seiner Teamkollegen im Laufe der Jahre hatte sterben sehen und das Risiko seiner Frau zuliebe nicht mehr auf sich nehmen wollte. Tragischerweise starb seine Ehefrau wenig später an einem Krebsleiden. Daraufhin emigrierte er in die USA, wo er bei der Rinderzucht sehr erfolgreich war. Später ließ er sich im Süden Frankreichs nieder, wo er 1998 starb.

Statistik

Statistik in der Automobil-Weltmeisterschaft

Gesamtübersicht

SaisonTeamChassisMotorRennenSiegeZweiterDritterPolesschn.
Rennrunden
PunkteWM-Pos.
1956Scuderia FerrariFerrari 555 SupersqualoFerrari 2.5 L41223.
Ferrari D50Lancia 2.5 V81
1958Scuderia FerrariFerrari Dino 246F1Ferrari 2.4 V63NC
1959Scuderia FerrariFerrari Dino 246F1Ferrari 2.4 V62315.
1960Yeoman Credit Racing TeamCooper T51Climax 2.5 L4511106.
1961Scuderia FerrariFerrari 156Ferrari 1.5 V61314.
UDT Laystall Racing TeamLotus 18/21Climax 1.5 L41
Gesamt141118

Einzelergebnisse

Saison1234567891011
1955
DNA
1956
5DNFDNA
1958
6DNFDNF
1959
46
1960
DNA329712
1961
DNQ411
Legende
FarbeAbkürzungBedeutung
GoldSieg
Silber2. Platz
Bronze3. Platz
GrünPlatzierung in den Punkten
BlauKlassifiziert außerhalb der Punkteränge
ViolettDNFRennen nicht beendet (did not finish)
NCnicht klassifiziert (not classified)
RotDNQnicht qualifiziert (did not qualify)
DNPQin Vorqualifikation gescheitert (did not pre-qualify)
SchwarzDSQdisqualifiziert (disqualified)
WeißDNSnicht am Start (did not start)
WDzurückgezogen (withdrawn)
HellblauPOnur am Training teilgenommen (practiced only)
TDFreitags-Testfahrer (test driver)
ohneDNPnicht am Training teilgenommen (did not practice)
INJverletzt oder krank (injured)
EXausgeschlossen (excluded)
DNAnicht erschienen (did not arrive)
CRennen abgesagt (cancelled)
 keine WM-Teilnahme
sonstigeP/fettPole-Position
1/2/3/4/5/6/7/8Punktplatzierung im Sprint-/Qualifikationsrennen
SR/kursivSchnellste Rennrunde
*nicht im Ziel, aufgrund der zurückgelegten
Distanz aber gewertet
()Streichresultate
unterstrichenFührender in der Gesamtwertung

Le-Mans-Ergebnisse

JahrTeamFahrzeugTeamkollegePlatzierungAusfallgrund
1955Belgien Equipe Nationale BelgePorsche 550/4RS 1500 SpyderDeutschland Wolfgang SeidelRang 5
1956ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 625LM Spider TouringFrankreichFrankreich Maurice TrintignantRang 3
1957ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 250TR58FrankreichFrankreich Maurice TrintignantAusfallMotorschaden
1958ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 250TR58Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Phil HillGesamtsieg
1959ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 250TR59Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Phil HillAusfallMotor überhitzt
1960ItalienItalien Scuderia Ferrari SpAFerrari 250TR59/60Belgien Paul FrèreGesamtsieg
1961ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 250TRI/61Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Phil HillGesamtsieg
1962ItalienItalien SpA Ferrari SEFACFerrari 330TRI LM SpyderVereinigte StaatenVereinigte Staaten Phil HillGesamtsieg

Sebring-Ergebnisse

JahrTeamFahrzeugTeamkollegeTeamkollegeTeamkollegePlatzierungAusfallgrund
1957Vereinigte Staaten 48 Harry KullenFerrari 250 GT EuropaVereinigte Staaten 48 William GreenspunAusfallMotorschaden
1958ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 250TR/58ItalienItalien Luigi MussoRang 2
1959ItalienItalien Scuderia FerrariFerrari 250TR59Vereinigte Staaten 48 Phil HillVereinigte Staaten 48 Dan GurneyVereinigte Staaten 48 Chuck DaighGesamtsieg
1960SchwedenSchweden Joakim BonnierPorsche 718 RSDeutschland Hans HerrmannGesamtsieg
1961ItalienItalien Sefac Automobile FerrariFerrari 250TRIVereinigte StaatenVereinigte Staaten Phil HillGesamtsieg
1962Vereinigte StaatenVereinigte Staaten North American Racing TeamFerrari 250TRI/61Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Phil HillRang 2

Einzelergebnisse in der Sportwagen-Weltmeisterschaft

SaisonTeamRennwagen123456789101112131415
1953Ecurie FrancorchampsJaguar XK 120
Panhard Dyna
Jaguar C-Type
Vereinigte Staaten SEBItalien MIMFrankreich LEMBelgien SPADeutschland NÜRVereinigtes Konigreich RTTMexiko CAP
DNFDNFDNF
1954Olivier GendebienJaguar XK 120Argentinien BUAVereinigte Staaten SEBItalien MIMFrankreich LEMVereinigtes Konigreich RTTMexiko CAP
21
1955Equipe Nationale BelgeMercedes-Benz 300 SL
Porsche 550
Argentinien BUAVereinigte Staaten SEBItalien MIMFrankreich LEMVereinigtes Konigreich RTTItalien TAR
75
1956Scuderia FerrariFerrari 857S
Ferrari 250 GT
Ferrari 290MM
Argentinien BUAVereinigte Staaten SEBItalien MIMDeutschland NÜRSchweden KRI
253DNF
1957Harry Kullen
Scuderia Ferrari
Ferrari 250 GT
Ferrari 335S
Ferrari 250TR
Argentinien BUAVereinigte Staaten SEBItalien MIMDeutschland NÜRFrankreich LEMSchweden KRIVenezuela CAR
DNF32DNFDNF4
1958Scuderia FerrariFerrari 250TRArgentinien BUAVereinigte Staaten SEBItalien TARDeutschland NÜRFrankreich LEMVereinigtes Konigreich RTT
22131
1959Scuderia FerrariFerrari 250TRVereinigte Staaten SEBItalien TARDeutschland NÜRFrankreich LEMVereinigtes Konigreich RTT
1DNF2DNF3
1960Porsche
Scuderia Ferrari
Porsche 718 RSK
Ferrari 250TR
Argentinien BUAVereinigte Staaten SEBItalien TARDeutschland NÜRFrankreich LEM
DNF1321
1961Scuderia FerrariFerrari 250TRI
Ferrari Dino 246SP
Vereinigte Staaten SEBItalien TARDeutschland NÜRFrankreich LEMItalien PES
1131
1962Scuderia Serenissima
Ecurie Francorchamps
North American Racing Team
Scuderia Ferrari
Ferrari 250 GT
Fiat-Abarth 1000 Bialbero
Ferrari 250 GTO
Ferrari Dino 246SP
Ferrari 330TRI
Vereinigte Staaten DAYVereinigte Staaten SEBVereinigte Staaten SEBItalien MAIItalien TARDeutschland BERDeutschland NÜRFrankreich LEMFrankreich TAVItalien CCAVereinigtes Konigreich RTTDeutschland NÜRVereinigte Staaten BRIVereinigte Staaten BRIFrankreich PAR
16112111

Weblinks

Commons: Olivier Gendebien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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US Flag with 48 stars. In use for 47 years from July 4, 1912, to July 3, 1959.
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US Flag with 48 stars. In use for 47 years from July 4, 1912, to July 3, 1959.
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Flagge des Vereinigten Königreichs in der Proportion 3:5, ausschließlich an Land verwendet. Auf See beträgt das richtige Verhältnis 1:2.
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Flag of Italy from 1946 to 2003, when exact colors were specified.
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Flagge Portugals, entworfen von Columbano Bordalo Pinheiro (1857-1929), offiziell von der portugiesischen Regierung am 30. Juni 1911 als Staatsflagge angenommen (in Verwendung bereits seit ungefähr November 1910).
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Flag of the United States of America — version with reduced SVG code
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US Flag with 49 stars. In use 4 July 1959–3 July 1960. It was defined in Executive Order 10798.
1960s Gendebien e Bizzarrini.jpg
Olivier Gendebien and Giotto Bizzarrini (right) in early 1960s.