Oliver Kloss

Oliver Kloss 2018

Siegmar Oliver Kloss (* 16. Juni 1962 in Seitschen bei Bautzen) ist ein sorbisch-deutscher Politikwissenschaftler und Philosoph. Er gehörte in den 1980er Jahren zur Bürgerrechtsbewegung und zum organisierten Widerstand in der Deutschen Demokratischen Republik, war Mitinitiator des Aufrufs zum 13. Februar 1982 in Dresden sowie 1986 Mitbegründer der Arbeitsgruppe Menschenrechte in Leipzig.

Kindheit und frühe Jugend

Als älterer zweier Söhne gelangte Oliver Kloss mit dem Umzug der Familie aus dem Dorfe Seitschen zum Schulbesuch nach Dresden. War sein Vater bereits während des Studiums der Staatspartei SED beigetreten, riet die evangelisch-lutherische Mutter mit bildungsbürgerlichem Anspruch zum Besuch der Christenlehre an der Auferstehungskirche zu Dresden-Plauen. Dort lernte Oliver Kloss in Jungschar und Junger Gemeinde Dieter Brandes, einen künstlerisch begabten und kosmopolitisch gebildeten Diakon, kennen und schätzen. (In der Revolution 1989 wurde Dieter Brandes Mitglied der Dresdner Gruppe der 20.)

Auf Reisen mit seinem Freund Gerolf Schmidt in die ČSSR erfuhren beide von den 1968er Ereignissen des Prager Frühlings, sie lasen begeistert „Die wunderbaren Jahre“ von Reiner Kunze, beschäftigten sich kritisch mit Wolf Biermann und dem Eurokommunismus. Sie waren die Jüngsten in einem Rudolf-Bahro-Lesekreis. Mit Gerolf Schmidt unternahm Oliver Kloss auch erste politische Streiche: sie fotografierten zum 1. Mai 1978 die neben der Tribüne auf dem Altmarkt bereitgestellten Wasserwerfer, gerichtet auf die Maidemonstration; sie setzten in der Nacht vor dem Nationalfeiertag der DDR, vor dem 7. Oktober, die fertig gehissten Staatsflaggen in der Dresdner Südvorstadt vor der Schule, vor der Post bis zum Hauptbahnhof jeweils auf halbmast. Die am Morgen geordnet von den Lehrern zur Demonstration geleiteten Schulklassen zeigten sich amüsiert.[1] In der 9. Klasse entschloss sich Oliver Kloss zur Nachkonfirmation.

Nach der Schule begann er ein Fachschulstudium zum Unterstufenlehrer für Deutsch, Mathematik und Kunst am Institut für Lehrerbildung Löbau. Schon im November 1979 begann das Ministerium für Staatssicherheit einen Versuch der Anwerbung. Anfangs verwundert wie verängstigt, schränkte Kloss infolge des Ausbleibens erwarteter strafrechtlicher Erpressung den Kontakt zunehmend bis zur endgültigen Verweigerung ein.[2] Die einzige explizite Drohung des MfS-Offiziers Lohse,[3] die baldige Exmatrikulation, blieb wider Erwarten nach dem ersten Studienjahr aus, folgte erst Ende des zweiten. Offiziell wurde Oliver Kloss aus „disziplinarischen Gründen“ zu „zwei Jahren Bewährung in der Produktion“ exmatrikuliert; inoffiziell teilte Direktor Dr. Schulz (GMS) ihm mit, ein Studium an einer staatlichen Institution sei aufgrund der Kader-Akte fortan unmöglich.[4] Das Ministerium des Innern verfügte unmittelbar danach eine Auslandsreisesperre bis Jahresende.

Der seit erstem Studienjahr ins Vertrauen gezogene Löbauer Superintendent Hans-Georg Birkner vermittelte Oliver Kloss zur Bewerbung an das Theologische Seminar Leipzig (ThSL), wo vor dem Hochschulstudium der Theologie ein innerkirchlich anerkanntes humanistisches Abitur absolviert werden konnte. Die Aufnahmekommission des ThSL befand nach absolviertem Intelligenz- und Psychotest jedoch, die „christliche Motivation [sei] nicht hinreichend erkennbar“ und vertröstete auf einen nächsten Versuch im Folgejahr.

Politisch-subversives Engagement von 1981 bis zur Revolution 1989 in der DDR

Dresden: Vom Aufruf zum 13. Februar 1982 an der Frauenkirche zum „Forum Frieden“ in der Kreuzkirche

Oliver Kloss 1982 Dresden

Um der Arbeitspflicht (§ 249 StGB der DDR) nachzukommen, musste Kloss einen Job als Hilfsarbeiter annehmen. Er bewunderte die Solidarność in Polen, hielt jedoch – eingedenk aktueller Erfahrungen mit realer Arbeiterklasse im VEB Reifenwerk – die DDR-Bürger nicht reif für Streiks. Mehr noch als ein Ausreiseantrag in den Westen mit unbestimmter Wartezeit reizte Oliver Kloss einstweilen die Chance, dem DDR-Staat öffentlichkeitswirksam schaden zu können.

Das Thema „Frieden“ bewegte Anfang der 1980er Jahre die meisten Jugendlichen schon der allgegenwärtig ideologisch aufgeladenen Wehrpflicht-Propaganda wegen. Überdies hatte die Militarisierung des öffentlichen Lebens zugenommen, wovon nicht nur Wehrerziehung als Schulfach und die paramilitärischen GST-Lager für Studenten zeugten. Ohne die Verpflichtung zu mindestens dreijährigem Wehrdienst konnte kaum ein männlicher Jugendlicher studieren. Zugleich lobte der DDR-Staat die regierungs-kritische Friedensbewegung in den NATO-Staaten, die dort legal demonstrieren durfte.

Erst mit Annett Ebischbach (alias Johanna, später verehelichte Kalex), Nils Reifenstein und Torsten Schenk fand Oliver Kloss Verbündete auf der Suche nach einer zündenden Idee. Torsten Schenk machte ihn mit Christoph Wonneberger bekannt, dem Pfarrer der Weinbergskirche. Wenngleich Oliver Kloss dessen Initiative zu einem Sozialen Friedensdienst (SoFd), eingedenk der klug abgewogenen Politisierung der Kirche Bewunderung zollte, suchte er nach der Möglichkeit einer für den Staat noch provokanteren massenwirksamen Aktion jenseits der Organisationsformen von Staat und Kirche.

Von Torsten Schenk kam auch die Idee, die Geschichte Dresdens und das Gedenken an den 13. Februar 1945, dessen seitens der Kirchen alljährlich mit Glockenläuten erinnert wurde, aktuell zu nutzen. Gemeinsam mit Annett Ebischbach entwarfen sie ein Flugblatt, den Aufruf zum 13. Februar 1982, zu einer illegalen Versammlung an der Frauenkirche zum Gedenken der Zerstörung Dresdens. Verbreitung fand der Aufruf nach dem Modell des Kettenbriefes.[5] Tags darauf sprachen die drei Verfasser des Aufrufes mit Nils Reifenstein und Mac Scholz die DDR-weite Verbreitung ab. Für diese Personen eröffnete das MfS später den Operativen Vorgang OV „Ruine“.[6] Elke Schanz und Heike Kerstan, Auszubildende in der Dresdner Zeitungsdruckerei, dem VEB Grafischer Großbetrieb „Völkerfreundschaft“, fanden den Mut zum illegalen Druck des Flugblattes in beachtlicher Auflage.[7] Angesichts diverser Verhöre und Drohungen mit bis zu acht Jahren Haft für die „Rädelsführer“ eines „Zusammenschlusses von Personen“ zur „Zusammenrottung“ (§§ 217 und 218 StGB der DDR) kippte die Stimmung sowohl in der engeren Initiativgruppe wie auch in der weiteren ca. 50 Personen umfassenden Gruppe, die aktiv die DDR-weite Verbreitung unterstützte. Nach dem ersten Gespräch mit Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider ergab sich auch Oliver Kloss dem Stimmungswandel der Mehrheit und nahm das Angebot der Legalisierung an. Das „Forum Frieden“[8] in der Kreuzkirche war mit über 5.000 Beteiligten die größte Veranstaltung der staatskritischen Friedensbewegung und erfuhr auch Würdigung in den westlichen Medien.[9]

Mahnmal „Schwerter zu Pflugscharen – Steine des Anstoßes für eine Bewegung, die das Land veränderte“ vor dem Südportal der Kreuzkirche, installiert 2010 zum Gedenken an den 13. Februar 1982

„Die Initiativgruppe des Aufrufes zum 13. Februar 1982 unternahm ein ordnungspolitisches Experiment mit dem Staate, das ihn vor ein Legitimationsproblem stellen sollte. Angesichts des in der Verfassung verbürgten, aber faktisch nicht vorhandenen Rechtes der Versammlungsfreiheit war der Aufruf zur Versammlung eine klare Provokation. Der schwer diffamierbare und zugleich massenwirksame Inhalt ‚Frieden‘ hingegen erschwerte offenen staatlichen Gewalt-Einsatz. Kurz: Die Initiativgruppe betrieb bewusst die Subversion des offiziellen Feindbildes und stellte auf diese Weise die Staatsideologie selbst in Frage. Wenngleich die Intention letztlich weitgehend – und angesichts des Verfolgungsdrucks auch mit überwiegender Zustimmung der Initiatoren – von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens integriert und von der Frauenkirche in die Kreuzkirche kanalisiert worden war, wuchs in der DDR sowohl in der Kirche wie in deren Umfeld eine staatskritische Friedensbewegung heran, deren Akteure sie später in eine Bürger- und Menschenrechtsbewegung auszuweiten vermochten.“

Oliver Kloss[10]

In den Jahren 1980 bis 1982 beschäftigte sich Oliver Kloss mit Werken Immanuel Kants, mit Expressionismus, Absurdem Theater sowie dem Existentialismus von Jean-Paul Sartre über Albert Camus bis zu Nikolai Berdjajew, ebenso mit Karl Raimund Poppers Falsifikationismus, aber auch mit so abseitigen wie humorvollen Marxisten wie Adam Schaff oder Franz Loeser.[11] Angeregt von Christoph Wonneberger[12] wandte er sich auch der Theorie des gewaltfreien Widerstandes von Gandhi und Theodor Ebert zu.

Leipzig: Das Theologische Seminar und die Arbeitsgruppe Menschenrechte bis zur Revolution 1989

Im Herbst 1982 wurde Oliver Kloss durch Rektor Ernst Koch am Theologischen Seminar Leipzig (ThSL) immatrikuliert, obwohl die Zustimmung des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens erst im folgenden Frühjahr erteilt wurde. Nach dem humanistischen Abitur gewann Kloss in Berlin im Praktikum zu sozial-diakonischer Jugendarbeit bei Bernd Schröder Einblick in die ostdeutsche Punk-Bewegung. Anlässlich einer von Uwe Kulisch (Kirche von unten) geplanten Aktion zum Weltfriedenstag, am 1. September 1983, wurde Oliver Kloss mit anderen erkennungsdienstlich erfasst und bis zum nächsten Morgen in Berlin verhört.

Das Theologische Seminar schätzte Oliver Kloss als quasi-exterritoriales Bildungsgebiet. Er erfreute sich des strukturgeschichtlichen Ansatzes bei dem Historiker Karlheinz Blaschke, gewann sozialgeschichtliches Verständnis für die Anfänge des Christentums und für die Spät-Antike bei Christoph Kähler (Biblicum), erhielt einen Überblick in Religionsgeschichte (Islam bei Karl-Wolfgang Tröger; Buddhologie bei Heinz Mürmel), erahnte Altorientalisches bei den Alttestamentlern Wolfram Hermann und Hans Seidel, erfreute sich der Systematisierung von Ethik bei Joachim Wiebering, konnte sich in Philosophie bei Ernst Koch u. a., in Literatur und Psychologie bilden.

Das Direktstudium beendete Kloss nach zwei Jahren; das Latinum hatte er absolviert, doch angesichts der politischen Verhaftung seiner damaligen Berliner Partnerin Carola Hornig[13] sah er sich zur Teilnahme an der für ihn aussichtsarmen Prüfung zum Graecum nicht in der Lage. Als Gaststudent blieb er dem ThSL noch bis nach gelungener Überwindung der DDR verbunden. Einen „Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR“ hatte er gestellt, um im Westen Deutschlands ein minder sprachintensives Studium wählen zu können. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Teilzeit-Postler, -Lichtpauser, als Reiseleiter in der Betreuung polnischer und tschechischer Urlauber und als Aktmodell an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB) sowie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden.

Das Theologische Seminar Leipzig war nicht nur als Bildungsstätte eine „Insel im roten Meer“ (Wolf Krötke)[14], es zog als größte der drei nicht-staatlichen evangelischen Hochschulen der DDR vornehmlich Persönlichkeiten an, die in politisch-bewusster Weise den DDR-Staat der Überwindung wert befanden.[15] Viele Protagonisten der Revolution 1989 waren Studenten des ThSL oder kamen aus dessen Umfeld.[16]

Im Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit Sozial- und Ideengeschichte vertritt Oliver Kloss seit Mitte der 1980er Jahre einen prokapitalistischen Linksliberalismus, der die sozialen Errungenschaften der reformistischen Sozialdemokratie der westlichen Gesellschaften als Bedingung der Möglichkeit für weitere individualistische Veredelung der Menschheit schätzt.

Plakat für die Arbeitsgruppe Menschenrechte 1987

Im Jahre 1986 gehörte Oliver Kloss zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgruppe Menschenrechte (AGM) Leipzig. Steffen Gresch hatte Peter Grimm von der Initiative Frieden und Menschenrechte aus Berlin zu einer Lesung nach Leipzig eingeladen. Unter den Anwesenden war auch Christoph Wonneberger, inzwischen Pfarrer an der Lukaskirche in Leipzig-Volkmarsdorf. Aus dieser Veranstaltung ging die AGM hervor. Kloss engagierte sich als deren Delegierter im von Heiko Lietz moderierten und in der Samariterkirche zu Berlin veranstalteten DDR-weiten Arbeits- und Koordinierungskreis zum Wehrdienstproblem.[17] Das Ministerium für Staatssicherheit führte in Leipzig über Oliver Kloss die Operative Personenkontrolle OPK „Rechtler“.[18]

Als er am 15. März 1989 seinen Ausreiseantrag anlässlich der Einladung zur Abteilung Inneres zurückzog, konnte er nicht wissen, dass für diesen Tag infolge einer Veröffentlichung in den Berliner „Umweltblättern“ seine „schnelle Entlassung“ aus der DDR-Staatsbürgerschaft vom MfS angeordnet worden war. Er nahm damals an, den subversiven Gruppen werde die Überwindung des DDR-Staates in den nächsten zwei Jahren gelingen können, also werde jeder Gegner des DDR-Staates gebraucht. Die politische Pointe seiner Jugend wollte er nicht im Westen vor dem Fernsehgerät erleben.[19]

Bis zum Herbst 1989 gehörte die Arbeitsgruppe Menschenrechte neben dem Arbeitskreis Gerechtigkeit Leipzig zu den bewussten subversiven Gruppen in Vorbereitung der die Diktatur delegitimierenden Massendemonstrationen.[20] So gehörte die AGM auch zu den Mitverfassern des Appells zur Gewaltlosigkeit für den entscheidenden 9. Oktober 1989.[21]

Schon vor Auflösung der beiden Gruppen waren deren Mitarbeiter mehrheitlich der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) beigetreten, so auch Oliver Kloss. Er vertrat die Bürgerrechtsorganisation am Runden Tisch Bildung in Leipzig.

Wirken seit der Einheit Deutschlands

Am Tage der Währungsunion 1990 war Oliver Kloss nach Schweden aufgebrochen, besuchte die European Nuclear Disarmament Convention in Helsinki (Finnland) und Tallinn (Estland), hielt sich dann Monate ohne Visum in der Noch-Sowjetunion auf, kehrte in das inzwischen vereinigte Deutschland über Polen zurück.

Danach arbeitete er bei der IFM Sachsen als deren gewählter Landesgeschäftsführer bis zur Auflösung der Organisation in das Bündnis 90/Die Grünen. Als Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen 1994 einen Wahlkampf für Schwarz-Grün führte, verließ er die Partei, deren Mitbegründer er war. Sie verlor nach diesem Wahlkampf die Fraktion im Sächsischen Landtag bis 1999. Im Neuen Forum wurde Oliver Kloss bald darauf und bis 2000 in den Bundesvorstand gewählt.

Nach einer Ausbildung zum DTP-Fachmann studierte Oliver Kloss an der Universität Leipzig im Hauptfach Politikwissenschaft (bes. bei Hartmut Elsenhans, Wolfgang Fach, Christian Fenner und Klaus-Gerd Giesen), in den Nebenfächern Psychologie und Philosophie (bes. bei Ulla Wessels, Hans-Jürgen Engfer, Georg Meggle und Pirmin Stekeler-Weithofer). Um die Vorlesungen von Hartmut Elsenhans vertieft verstehen zu können, hörte er auch Makro-Ökonomik bei Spiridon Paraskewopoulos. 2002 schloss Oliver Kloss mit Magister Artium ab.

Von 2003 bis zur Abwahl der Regierung 2005 engagierte er sich in den Protesten gegen die Schröderschen Konterreformen[22] und die Hartz-Gesetze. Er war einer der Sprecher des SozialForum Leipzig.[23]

Aus der Ehe von 1992 bis 2008 mit der ägyptischen Künstlerin Mona Ragy Enayat ging 1998 eine Tochter hervor. In dieser Zeit besuchte die Familie Ägypten mindestens jährlich; in Vorbereitung der Frankfurter Buchmesse 2004 war Kloss in Ägypten Verlags-Gutachter.

Im Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. gehörte Kloss zehn Jahre dem Vorstande an,[24] heute ist er als Vorstandsvorsitzender des Archives der Initiative Frieden und Menschenrechte Sachsen e. V. tätig, mithin in der DDR-Forschung und als Zeitzeuge aktiv.

In der Politikwissenschaft gilt sein Interesse besonders der Politischen Theorie sowie den Internationalen Beziehungen und der Transformation von Gesellschaften. Sein philosophisches Interesse richtet sich besonders auf sozialphilosophische und ethische Themen sowie die Friedrich-Nietzsche-Forschung.

Im Oktober 2015 vor dem Hintergrunde der Flüchtlingskrise unterzeichnete er mit 46 weiteren DDR-Bürgerrechtlern aus unterschiedlichen politischen Lagern den von Katrin Hattenhauer initiierten Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem es eingangs heißt: „Wir unterstützen Ihre Politik der offenen Grenzen. Wir unterstützen Ihre Flüchtlingspolitik und Ihren Einsatz um der Menschen willen. Mit größtem Respekt sehen wir Ihre feste Haltung zur Aufnahme asylsuchender Flüchtlinge bei uns in Deutschland […] 70 Jahre nach dem Holocaust öffnet Deutschland seine Grenzen und rettet Menschen aus Not und Tod.“[25]

Ebenfalls im Oktober beteiligte er sich an der deutschen Delegation ehemaliger DDR-Bürgerrechtler zur International bikeathon along DMZ in Korea (Radfahrt entlang der Demilitarisierten Zone, d. h. entlang der Grenze zwischen Nord- und Südkorea) im Rahmen des Nationalen Kultur-Festivals für die friedliche Vereinigung Koreas.[26] Dazu bemerkte Wolfgang Templin in seiner Rede zur Demokratie in der Nikolaikirche am 9. Oktober 2015: „Es ist ein wunderbares Symbol, wenn in diesen Tagen Christoph Wonneberger, Gisela Kallenbach, Oliver Kloss und andere Leipziger ehemalige Oppositionelle an einer Fahrradtour entlang der Nord- und Südkoreanischen Teilungsgrenze teilnehmen.“[27] Bereits 2009 hatte Oliver Kloss in Seoul einen Vortrag zum Vergleich der Vereinigung Deutschlands mit einer möglichen Vereinigung Koreas gehalten.[28]

Nach einer Arbeit im Kulturbereich bis 2006 widmete er sich Lehraufträgen an der Universität Leipzig (ab 2005), an der Management Akademie Riesa, an Berufsschulen und Institutionen der Erwachsenenbildung in Leipzig, Dresden, Jena, Halle und Berlin besonders in Ethik, Konflikttheorie, Entwicklungspsychologie, Kommunikationstheorie und Sozialkunde.

Literatur

  • Thomas Mayer: Der nicht aufgibt. Christoph Wonneberger – eine Biographie. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2014, ISBN 978-3-374-03733-9, S. 137–140, Leseprobe.
  • Frank Richter: Wir sind so frei. Die »Arbeitsgruppe Menschenrechte«. In: Andreas Peter Pausch: Widerstehen – Pfarrer Christoph Wonneberger, Berlin, Metropol, 2014, ISBN 978-3-86331-184-1, S. 189–195.
  • Klaus Ehring (Pseudonym von Hubertus Knabe)/ Martin Dallwitz (Pseudonym von Ulrich Mickan): Schwerter zu Pflugscharen. Friedensbewegung in der DDR. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1982, ISBN 3-499-15019-0.
  • Wolfgang Büscher, Peter Wensierski, Klaus Wolschner, Reinhard Henkys (Hrsg.): Friedensbewegung in der DDR. Texte 1978–1982, Hattingen, Scandica, 1982, ISBN 3-88473-019-3, S. 265–281.
  • Sylvia Kabus: Neunzehnhundertneunundachtzig. Psychogramm einer Stadt. Beucha, Sax Verlag, 2009, ISBN 978-3-86729-041-8, S. 166.
  • Hermann Geyer: Nikolaikirche, montags um fünf: die politischen Gottesdienste der Wendezeit in Leipzig. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007 (Universität Leipzig, Habil.-Schr. 2006), ISBN 978-3-534-18482-8, Inhaltsverzeichnis.
  • Reinhard Bernhof: Die Leipziger Protokolle. projekte verlag, Halle 2004, S. 32 sowie Herbstmarathon – Innenräume einer Revolution. Leipzig, 2006, ISBN 3-938442-13-1, Leseprobe.
  • Frank Eckart (Hrsg.): Eigenart und Eigensinn. Alternative Kulturszenen in der DDR (1980–1990). Mit einem Bestandskatalog der Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, Edition Temmen, 1993, ISBN 978-3-86108-307-8, S. 202–204.
  • Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949–1989. 2. Auflage. Christoph Links Verlag, Berlin 1998 (Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000) ISBN 3-86153-163-1.

Weblinks

Commons: Oliver Kloss – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fernseh- und Radio-Dokumentation

Einzelnachweise

  1. Vgl. Thomas Mayer: Der nicht aufgibt. Christoph Wonneberger – eine Biographie. Leipzig, Evangelische Verlagsanstalt, 2014, ISBN 978-3-374-03733-9, S. 137.
  2. Weder eine Verpflichtungserklärung als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) noch die nach Ablehnung weiterer Kontakte geforderte Diskretionserklärung wurden von ihm unterschrieben. Gegenüber den Mitstudenten Uwe Feierabend, Sven Despang und Sabine Kahle dekonspirierte er sich.
  3. Frank-Jürgen oder Frank Lohse, geb. 6. Juli 1943, Personenkennzahl PKZ 060743 4 21032, anfangs Oberleutnant und später Hauptmann des MfS (Vgl. Liste des Dresdner Bürgerkomitees), war ebenso für die operative Bearbeitung von Sabine Kahle, der damaligen Partnerin von Oliver Kloss, mit der Zielstellung zuständig, sie aus dem Studium zu drängen, was nach der Exmatrikulation von Oliver Kloss in ihrem Falle ebenso „freiwillig“ gelang wie bei Sven Despang, da der Verlauf des Verfahrens als bedrohlich willkürlich wahrgenommen worden war.
  4. Erst nach der Exmatrikulation wurde die Akte IM „Hansi“ der Kreisdienststelle Löbau des MfS geschlossen, der Abschlussbericht bescheinigt: „Er zeigte mangelnde Treffdisziplin, […] die erarbeiteten Informationen keinen hohen operativen Wert besaßen. Im Ergebnis durchgeführter Überprüfungen wurde auch festgestellt, daß der IM nicht umfassend über Probleme berichtete, obwohl er davon Kenntnis hatte. […] In seinen Einstellungen zeigten sich verstärkt dekadente und westliche Auffassungen.“ (Dresden AIM „Hansi“ 4687/ 81, BStU-Seite 76 bzw. in der Akte AOPK „Rechtler“ 1853/ 88, BStU-Seiten 44 f.).
  5. Das heißt, er wurde mit der Aufforderung versehen, er möge mit Schreibmaschine vervielfältigt und weiter gegeben werden. Bereits die SoFd-Initiative hatte mit dieser Methode Bekanntheit erlangt. Maximal sieben lesbare Exemplare ließen sich pro Abschrift mit Kohlepapier als Durchschläge herstellen. Jegliche nicht-künstlerischen Vervielfältigungen ohne staatliche Erlaubnis konnten in der DDR kriminalisiert werden.
  6. OV „Ruine“ der Bezirksverwaltung des MfS Dresden. Der OV-Name „Ruine“ spielte auf den Zustand der Frauenkirche an, die dereinst in zerstörter Form zum Mahnmal an den II. Weltkrieg erklärt worden war.
  7. Aufruf zum 13. Februar 1982 in Dresden in Druckfassung von Elke Schanz und Heike Kerstan.
  8. Siehe bzw. höre Audio-Digitalisat Friedens-Forum in der Kreuzkirche am 13. Februar 1982.
  9. Das Ereignis wurde mit Bildmaterial in den Abendnachrichten westlicher Fernsehsender gemeldet, in Zeitungen und Zeitschriften – z. B. DDR: Fleißig Unterschriften. Die SED sorgt sich um eine neue Protestbewegung in der DDR: Junge Leute demonstrieren zu Tausenden gegen Rüstung und Militarismus. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1982, S. 28–31 (online22. Februar 1982, PDF). – sowie zeitnah in Buchform dokumentiert: Klaus Ehring, Martin Dallwitz: Schwerter zu Pflugscharen. Friedensbewegung in der DDR, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, 1982, ISBN 3-499-15019-0; Wolfgang Büscher, Peter Wensierski, Klaus Wolschner, Reinhard Henkys (Hrsg.): Friedensbewegung in der DDR. Texte 1978–1982, Hattingen, Scandica, 1982, ISBN 3-88473-019-3, S. 265–281.
  10. Oliver Kloss: Der Dresdner Aufruf zum 13. Februar 1982. In: Forum Politikunterricht. Heft 1 (2013). Hrsg. von der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung – Landesverband Bayern, ISSN 0941-5874, S. 41 f.
  11. Vgl. Beispiel aus: Franz Loeser: Durchbruch des neuen Geschlechts. Schöpfertum und Moral der Zukunft, Berlin, 1976.
  12. Vgl. Mitschrift Grundzüge der Gewaltfreiheit, Dresden, Weinbergskirche, 1981.
  13. Gemeinsam hatten sie 1983 an Berliner Aktionen teilgenommen, z. B. „Fasten für den Frieden“. Vgl. Thomas Klein: Frieden und Gerechtigkeit. Die Politisierung der Unabhängigen Friedensbewegung in Ost-Berlin während der achtziger Jahre, Böhlau, Köln/ Weimar 2007, ISBN 3-412-02506-2, S. 168 ff.
  14. Vgl. Wolf Krötke: Inseln im roten Meer. Die Kirchlichen Hochschulen in der DDR als Beispiel für freie Kirchliche Bildung. Vortrag vom 2. Dezember 2014 zum dies academicus an der Universität Leipzig; Eberhard Jüngel habe von „Oasen in einer ideologischen Wüste“ (Ebenda) gesprochen.
  15. In den Worten des Ministeriums für Staatssicherheit: „Das Theologische Seminar stellt einen Konzentrationspunkt von Personen mit einer politisch indifferenten bis politisch-negativen Grundhaltung dar. Die Ausbildung an dieser Einrichtung orientiert sich theologisch und politisch stark an westlichen Denkmodellen.“ (Hauptmann Otto und Leutnant Grießbach: Eröffnungsbericht zur Einleitung der OPK „Rechtler“ vom 14. August 1987. S. 3, in: AOPK „Rechtler“ 1853/ 88, BV Leipzig des MfS, Abt. XII, BStU-Seite 10.)
  16. Nicht nur die Gründungsmitglieder der Arbeitsgruppe Menschenrechte und des Arbeitskreises Gerechtigkeit waren Studentinnen und Studenten bzw. Gasthörerinnen und Gasthörer des ThSL, auch 1989 Sprecher des Neuen Forum wie Jochen Läßig und Edgar Dusdal oder Andreas Schurig als Mitbegründer der SDP in Leipzig u.v.m.
  17. Oliver Kloss: Diskussionsbeitrag zum Wehrdienstproblem. (Erweiterte Fassung des Vortrages, gehalten am 1. April 1989 in der Samariter-Gemeinde zu Berlin vor dem »DDR-weiten Arbeits- und Koordinierungskreis zum Wehrdienstproblem« von »Frieden konkret«), in: Forum für Kirche und Menschenrechte Nr. 2 (1989), Herausgegeben von der Arbeitsgruppe Menschenrechte der Lukaskirchgemeinde Leipzig-Volkmarsdorf in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Gerechtigkeit, Leipzig, Samisdat, S. 4–14.
  18. IFM-Archiv Sachsen e. V. (Hrsg.): Aus den MfS-Akten zur Arbeitsgruppe Menschenrechte Leipzig: Auswahl aus der archivierten Operativen Personenkontrolle AOPK „Rechtler“ der Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit der einstigen DDR. AOPK „Rechtler“ 1853/ 88 der Bezirksverwaltung Leipzig Abteilung XII Archiv, Leipzig, Digitalisat, 2014.
  19. Vgl. Joachim Güntner: Diese Freunde der Freiheit bleiben unbeirrt. Gegen Ostalgie sind sie für alle Zeit gefeit – ein Besuch bei Leipziger Bürgerrechtlern von 1989, in: Neue Zürcher Zeitung (NNZ). Internationale Ausgabe, Nr. 233 vom 8. Oktober 2009, S. 23.
  20. Martin Tröster: Dem Rausch der Revolution drohte ein Massaker. Die Leipziger Montagsdemos setzten dem taumelnden SED-Regime friedlich, aber heftig zu. Wir sprachen mit Beteiligten an vorderster Front. In: Mannheimer Morgen vom 4. September 2014, S. 3.
  21. Arbeitskreis Gerechtigkeit Leipzig, Arbeitsgruppe Menschenrechte und Arbeitsgruppe Umweltschutz: Appell des organisierten Widerstandes vom 9. Oktober 1989 zur Gewaltlosigkeit; IFM-Archiv e. V.: Leipziger Menschenrechtsgruppen 1989, Blatt 9: 9. Oktober 1989 – Tag der Entscheidung. 3. Auflage. 2009
  22. Vgl. z. B. Aufruf von über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am 23. Mai 2003: Sozialstaat reformieren statt abbauen - Arbeitslosigkeit bekämpfen statt Arbeitslose bestrafen, Spiridon Paraskewopoulos: Kritische Anmerkungen zur gegenwärtigen Wirtschaftspolitik „Agenda 2010“ (Vortrag vom 20. Oktober 2003 zur Veranstaltung mit Ottmar Schreiner); Albrecht Müller: Die Reformlüge. München, Droemer Knaur, 2004, ISBN 3-426-27344-6; Arno Luik: Ein Putsch von ganz oben, in: stern Nr. 44 vom 21. Oktober 2004, S. 64 f. oder in der Nachbetrachtung von Gustav Horn: Des Reichtums fette Beute. Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert. Frankfurt am Main, Campus, 2011, ISBN 978-3-593-39347-6.
  23. Siehe z. B. J. Rometsch: SozialForum bestimmt drei neue Sprecher, in: LVZ vom 4./5. Sept. 2004, S. 13; Einspruch gegen Hartz IV vom 28. September 2003, Erklärung von Angehörigen ehemaliger DDR-Oppositionsgruppen: „Wir protestieren gegen Hartz IV“ vom 29. August 2004 sowie Oliver Kloss im ddp-Interview, in: Freie Presse vom 4. Oktober 2004.
  24. Oliver Kloss: Offene Worte an Leipziger „Aktivistinnen und Aktivisten der letzten Stunden“ der einstigen „DDR“ – Ein Jahrzehnt im Vorstand des Archivs Bürgerbewegung Leipzig e. V. – Eine Stellungnahme zur aktuellen Situation in Leipzig (mit Anhang: Ein Fake im Lexikon: Christian Dietrichs „Initiative zur demokratischen Erneuerung der Gesellschaft“), Leipzig, 2012.
  25. Deutsche Welle: Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Flüchtlings- und Asylpolitik vom 23. Oktober 2015 im Wortlaut.
  26. Bericht zur DMZ-Fahrrad-Tour für die Wiedervereinigung Koreas, in: Magazin des Bundesverbandes der Koreaner in Deutschland, Nr. 12 2015, S. 35; Björn Meine: Leipziger auf Friedensfahrt in Korea. In: Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 11. Januar 2016, S. 16.
  27. Wolfgang Templin: Rede zur Demokratie in der Leipziger Nikolaikirche am 9. Oktober 2015.
  28. Oliver Kloss: Die Behandlung der ostdeutschen Machteliten im Zuge der deutschen Wiedervereinigung, Seoul, 2009; Übersetzung in Koreanisch: Koreanisch-Deutsche Gesellschaft für Soziologie (Hrsg.): Ostdeutsche Machteliten vor und nach der Wiedervereinigung Deutschlands – Lehren für Korea./ German Unification and Power Elites in the East Germany – Lessons for the Korean Unification, Seoul, Hanul Books, 2011, ISBN 978-89-460-5312-0, S. 15–56.

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Plakat der Arbeitsgruppe Menschenrechte Leipzig zur Veranstaltung "Ich bin so frei ... - Das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit im Gespräch". Gestaltung von Oliver Kloss; Druck von Christoph Wonneberger und Oliver Kloss im Siebdruck-Verfahren.
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Mahnmal „Schwerter zu Pflugscharen – Steine des Anstoßes für eine Bewegung, die das Land veränderte“ vor dem Südportal der Kreuzkirche in Dresden, installiert 2010 zum Gedenken an den 13. Februar 1982
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Portrait von Oliver Kloss in Berlin im Jahre 2018