Niederösterreichische Landesbahnen

Anleihe der N. Ö. Waldviertelbahn von 1902

Das Niederösterreichische Landeseisenbahnamt bzw. ab 1908 die Niederösterreichischen Landesbahnen (NÖLB) waren eine Behörde des Kronlandes Niederösterreich der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bzw. des gleichnamigen Bundeslandes der Republik Österreich, die für Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb von Lokalbahnen zuständig war. Sie bestand bis 1922.

Geschichte

Zug der Mariazellerbahn um 1908
Dampftriebwagen in Groß Gerungs
Zug der Pressburger Bahn im Eisenbahnmuseum Schwechat

Nachdem während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Eisenbahn-Hauptstreckennetz in Österreich-Ungarn weitgehend fertiggestellt worden war, zeigte sich, dass abseits der Eisenbahnstrecken keine konkurrenzfähige wirtschaftliche Entwicklung möglich war. Das Straßennetz war in ländlichen Regionen nur rudimentär vorhanden. Das ursprünglich zeitlich befristete Lokalbahngesetz für die österreichische Hälfte der Doppelmonarchie vom 25. Mai 1880, das mehrmals verlängert wurde, verschaffte eine Reihe von Erleichterungen und Vereinfachungen technischer, betrieblicher und bürokratischer Natur für den Bau und Betrieb von Bahnen abseits der Hauptdestinationen. Über diese Maßnahmen der Staatsregierung hinaus ergriffen auch die Kronländer selbst Initiativen zur Erweiterung des Streckennetzes, eigene Beschlüsse auf Landesebene sollten die Schaffung von Landesbahnen ermöglichen.

Durch Beschluss des Landesgesetzes vom 28. Mai 1895 wurde daher in Niederösterreich die Schaffung eines Landeseisenbahnamtes und eines Landeseisenbahnrates abgesegnet. Die durch diese Behörden errichteten Landesbahnen waren formell eigenständige Aktiengesellschaften, für die das Land finanzielle Garantien übernahm. Üblicherweise erfolgte dies durch die Übernahme von bis zu 70 % der Stammaktien,[1] sowie durch den Ankauf weiterer von der Bahngesellschaft aufgelegter Aktien, die Sicherstellung von Betriebserträgen (im Prinzip die Übernahme des Defizits) oder Anleihen. Bis 1914 wurden 351 km Normalspurbahn und 200 km Schmalspurbahn errichtet.

Ab etwa 1905 war als Sammelbegriff für das Eisenbahnamt und die von ihm betriebenen Strecken die Bezeichnung „Niederösterreichische Landesbahnen“ üblich, ab 1. Jänner 1908 war diese Bezeichnung per Landtagsbeschluss amtlich. Zugleich erfolgte aufgrund des gestiegenen Umfanges der durchzuführenden Tätigkeiten die Teilung des Amtes in eine Landeseisenbahn-Direktion für Betrieb und Verwaltung bestehender und in eine Landeseisenbahn-Baudirektion für Projektierung und Bau neuer Landesbahnen.[2] Die Lokomotiven erhielten ein neues Nummernschema und alle Fahrzeuge das Kürzel NÖLB angeschrieben.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam der Bau von Eisenbahnen, die nicht ausdrücklich kriegswichtigen Zwecken dienten zum Erliegen. Eine Reihe bereits im Detail ausgearbeiteter Projekte gelangte daher nicht mehr zur Realisierung, die Bautätigkeit wurde aus finanziellen Gründen nach dem Krieg auch nicht mehr aufgenommen. Als einziges Projekt wurde 1927 noch die schmalspurige Lokalbahn Ruprechtshofen–Gresten fertiggestellt, mit deren Bau aber bereits 1914 begonnen worden war. Als sich in den Jahren nach dem Krieg die finanzielle Situation des Landes nachhaltig verschlechterte und dieses die Mittel für die Abdeckung des Betriebsabganges nicht mehr bereitstellen konnte, versuchten die Landesbahnen zunächst durch Einschränkungen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dennoch verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Landesbahnen zusehends, so dass der Staat das Unternehmen mit 1. Jänner 1921 zunächst pachtete. Am 30. September 1922 wurde die Landeseisenbahn-Direktion aufgelöst, die Bahnen von den Österreichischen Bundesbahnen BBÖ übernommen. Das Personal wurde in die BBÖ eingegliedert und in seinem bisherigen Aufgabenbereich weiter eingesetzt.

Streckennetz

Der landschaftlichen Vielfalt des Landes Niederösterreich Rechnung tragend, wurden Bahnen von sehr unterschiedlichem Charakter errichtet. So waren z. B. die Strecken im Marchfeld klassische Flachland-Lokalbahnen, für deren Betrieb leistungsschwache B-Kuppler genügten, während die schmalspurige Mariazellerbahn eine anspruchsvoll trassierte Gebirgsbahn war, für die mit der Reihe Mh eine eigene Sonderkonstruktion entwickelt wurde. In den Knotenpunkten mit dem übergeordneten Streckennetz verfügten die Landesbahnen meistens über eigene Landesbahnhöfe, durchgehende Züge zwischen Landesbahnen und Staatsbahn wurden nicht geführt, Fahrgäste mussten stets auf die Landesbahnzüge umsteigen.

Normalspurbahnen

StreckeGesellschaftLänge in km[3]KonzessionEröffnung
StammersdorfAuersthalLokalbahn Stammersdorf–Auersthal21,87816. Nov. 190126. April 1903
Gänserndorf–Gaunersdorf (heute Gaweinstal)Lokalbahn Gänserndorf–Gaunersdorf22,51315. März 190213. Sep. 1903
Korneuburg–ErnstbrunnLokalbahn Korneuburg–Ernstbrunn29,88318. Juni 190427. Nov. 1904
ErnstbrunnHohenauLokalbahn Ernstbrunn–Hohenau
Poysdorf–Gaunersdorf
48,82314. Feb. 190615. Nov. 1906
Dobermannsdorf–PoysdorfLokalbahn Ernstbrunn–Hohenau
Poysdorf–Gaunersdorf
21,55614. Feb. 19068. Mai 1907
Mistelbach-Gaunersdorf (heute Gaweinstal)Lokalbahn Ernstbrunn–Hohenau
Poysdorf–Gaunersdorf
12,54412. Sep. 190615. Nov. 1906
WillendorfNeunkirchenLokalbahn Willendorf–Neunkirchen12,16626. Juni 190721. Juni 1909
FreilandTürnitzLokalbahn Freiland–Türnitz9,2426. Nov. 190714. Okt. 1908
Auersthal–Groß-SchweinbarthLokalbahn Stammersdorf–Auersthal7,5576. Jän. 19089. Aug. 1909
Bad PirawarthZistersdorfLokalbahn Stammersdorf–Auersthal20,6286. Jän. 190815. Juli 1911
Zistersdorf–DobermannsdorfLokalbahn Stammersdorf–Auersthal8,2656. Jän. 190814. Aug. 1909
Lokalbahn Siebenbrunn–Engelhartstetten und
BreitstettenOrth an der Donau
Lokalbahn Siebenbrunn–Engelhartstetten22,248
5,688
27. Juni 190830. Juni 1909
RetzDrosendorfLokalbahn Retz–Drosendorf39,96527. Juli 190820. Aug. 1910
Wien–LandesgrenzeElektrische Lokalbahn Wien-Landesgrenze nächst Hainburg60,77524. Juni 19125. Feb. 1914
Preßburg–LandesgrenzePozsony Országhatárszéli Helyiérdekű Villamos Vasút7,4925. Juni 19095. Feb. 1914

Die Pressburger Bahn wurde von der Eröffnung an elektrisch betrieben. Da sie sowohl in der österreichischen als auch in der ungarischen Reichshälfte lag, mussten zwei separate Gesellschaften gegründet werden.

Eine Besonderheit der Lokalbahn Freiland–Türnitz war, dass, obwohl sie eine Landesbahn war, die Staatsbahnen kkStB mit dem Betrieb beauftragt waren.[4]

Schmalspurbahnen

Alle Schmalspurstrecken der NÖLB wurden nach Vorgabe der Heeresverwaltung in der so genannten Bosnischen Spurweite von 760 mm errichtet.

StreckeGesellschaftLänge in km[3]KonzessionEröffnung
GmündLitschau und
Alt NagelbergHeidenreichstein
N. Ö. Waldviertelbahn26,020
13,039
12. Nov. 18984. Juli 1900
Gmünd–SteinbachN. Ö. Waldviertelbahn24,23412. Nov. 189810. Aug. 1902
Steinbach–Groß GerungsN. Ö. Waldviertelbahn19,41012. Nov. 18981. März 1903
St. PöltenKirchberg an der Pielach und
Ober-GrafendorfMank
Lokalbahn St. Pölten–
Kirchberg an der Pielach–Mank
31,316
18,007
11. Juli 18964. Juli 1898
27. Juli 1898
Mank–RuprechtshofenLokalbahn St. Pölten–
Kirchberg an der Pielach–Mank
8,2801. Juni 19046. Aug. 1905
Kirchberg an der Pielach–LaubenbachmühleLokalbahn St. Pölten–
Kirchberg an der Pielach–Mank
17,10515. Okt. 19046. Aug. 1905
Laubenbachmühle–MariazellLokalbahn St. Pölten–
Kirchberg an der Pielach–Mank
35,91415. Okt. 190417. Dez. 1906
Mariazell–GußwerkLokalbahn St. Pölten–
Kirchberg an der Pielach–Mank
7,13015. Okt. 190415. Juli 1907

Nach Fertigstellung der Mariazellerbahn wurde die Gesellschaft der Lokalbahn St. Pölten–Kirchberg an der Pielach–Mank im Juli 1908 in „Niederösterreichisch-Steirische Alpenbahn“ umbenannt. Ab 1911 wurde die Mariazellerbahn elektrisch betrieben.

Fahrbetriebsmittel

Dampflokomotiven (Normalspur)

  • 1
  • 2
  • 102
  • 202

Dampftriebwagen (Normalspur)

Dampflokomotiven (Schmalspur)

Dampftriebwagen (Schmalspur)

Elektroloks (Schmalspur)

Das Land Niederösterreich als Bahnbetreiber ab 2010

Im Jänner 2010 wurde zwischen dem Land Niederösterreich, dem Bund und den ÖBB beschlossen, bis Ende des Jahres mehrere Strecken vom Bund an das Land Niederösterreich zu übergeben. Dies betraf 26 Strecken mit insgesamt 624 km Länge, darunter jedoch mehrere Abschnitte, auf denen bereits seit Jahren kein Betrieb mehr durchgeführt wurde.[5] Einige wie die Mariazellerbahn und andere Schmalspurstrecken, die Wachaubahn oder die Strecke nach Drosendorf werden vom Land unter der Regie der NÖVOG als neue Landesbahngesellschaft weiter betrieben. Der Besitzer- und Betreiberwechsel wurde mit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2010 vollzogen.

Einzelnachweise

  1. H. Felsinger: „Die Mariazellerbahn.“ S. 19, Verlag P. Pospischil, Wien 2002.
  2. Wolfdieter Hufnagl: „Die Niederösterreichischen Landesbahnen.“ Transpress, Stuttgart 2003, S. 28
  3. a b R. Holzinger: „Die Niederösterreichischen Landesbahnen.“ Zeitschrift Eisenbahn 12/1968, Verlag Bohmann, Wien, S. 209
  4. R. Holzinger: „Die Niederösterreichischen Landesbahnen.“ Zeitschrift Eisenbahn 12/1968, Verlag Bohmann, Wien, S. 208
  5. NÖ: Ein Bundesland als Bahnunternehmen in der Presse, 26. März 2010, abgerufen am 30. April 2010

Literatur

  • Rudolf Elmayer-Vestenbrugg: „Denkschrift über die Errichtung der niederösterreichischen Landes-Elektrizitätswerke als Grundstock der NEWAG und über die Elektrifizierung der niederösterreichisch-steirischen Alpenbahn St. Pölten–Mariazell–Gusswerk“. NEWAG, 1961
  • Horst Felsinger, Walter Schober: „Die Mariazellerbahn.“ Pospischil, Wien 1971, 1973, 1979, 2002.
  • Reimar Holzinger: „Die Niederösterreichischen Landesbahnen.“ Zeitschrift Eisenbahn 12/1968, Verlag Bohmann, Wien
  • Wolfdieter Hufnagl: „Die Niederösterreichischen Landesbahnen.“ Transpress, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-71214-8

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Am 25. Mai 2013 war die 399.06 der Mariazellerbahn als Ersatz für die zur Zeit bei einer Hauptuntersuchung befindlichen 399.01 in Gmünd.
Mariazellerbahn saugrabenviadukt 1908.jpg
Personenzug der Mariazellerbahn auf dem Saugrabenviadukt bei Annaberg, gezogen von einer Lokomotive der Reihe Uv.
NoELB Steam Railcar.jpg
Schmalspur-Dampftriebwagen der Niederösterreichischen Landesbahnen, gebaut 1903 von Komarek in Wien, Werksfoto
075L25121080 Eisenbahn, Tag der offenen Tuer OEBB, Hauptwerkstaette Floridsdorf, Lok 88.01.jpg

Tag der offenen Tür ÖBB-Hauptwerkstätte Floridsdorf, Details siehe Dateiname
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Lokomotive 21 (später Uv.2 und ÖBB 298.206) der Waldviertler Schmalspurbahnen, Werksfoto
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DTKC Nr. 32 spätere NÖLB 6.02, BBÖ 296.02

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ÖBB 1099.02 im Bahnhof Mariazell
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Lokomotive Eg2 mit dazu passenden Waggons
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Lokalbahn Korneuburg–Ernstbrunn, Dampftriebwagen Nummer 30
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Schwerer Dampftriebwagen im Bahnhof Groß Gerungs der Waldviertler Schmalspurbahnen, Niederösterreich
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NÖLB DT 12 auf der Pielachtalbahn