Ministerpräsidentenkonferenz
Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist ein Gremium der Selbstkoordination der 16 deutschen Länder. In ihr werden länderspezifische Themen zwischen den Ministerpräsidenten beraten, gemeinsame Positionen der Länder untereinander abgestimmt und gegenüber der Bundesebene vertreten. Zu den klassischen Aufgaben gehören die Verhandlung und der Abschluss von Staatsverträgen und Abkommen unter den Ländern oder mit dem Bund. Bekannte Beispiele sind der Länderfinanzausgleich oder die Rundfunkstaatsverträge. Da die MPK selbst jedoch kein offizielles Verfassungsorgan ist, sind ihre Sitzungen rein informeller, koordinativer Natur. Ähnliche Gremien gibt es auch auf Ebene der Fachminister (etwa die Kultusministerkonferenz).[1]
Die Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie in Deutschland werden von der Bund-Länder-Konferenz koordiniert.[2]
Geschichte
Das erste Treffen der Ministerpräsidenten aller deutschen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg fand Anfang Juni 1947 in München statt. Die Vertreter der Länder Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und der Mark Brandenburg verließen die Konferenz allerdings gleich zu Beginn der Beratungen wieder, weil sie sich nicht mit ihrer Forderung nach der sofortigen Bildung einer deutschen Zentralverwaltung durchsetzen konnten. Die westdeutschen Ministerpräsidenten setzten die Konferenz danach allein fort.[3]
Als „eigentliche Geburtsstunde“[3] der Ministerpräsidentenkonferenz (noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland) gilt das Treffen der Regierungschefs der Länder der drei westlichen Besatzungszonen vom 8. bis 10. Juli 1948 in Koblenz. Diese als Rittersturz-Konferenz (benannt nach dem Tagungsort Hotel Rittersturz) in die Geschichte eingegangene Tagung beschloss die Einsetzung des Parlamentarischen Rates zur Erarbeitung des Grundgesetzes und ebnete damit den Weg zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
Ab 1954 war die Ministerpräsidentenkonferenz eine ständige Einrichtung.[3] Erster MPK-Vorsitzender war der damalige bayerische Ministerpräsident Hans Ehard. Seit der Wiedervereinigung nehmen auch die fünf neuen Länder an der Konferenz teil. Im Herbst 1992 übernahm erstmals ein östliches Land – Sachsen – den Vorsitz.
Anlässlich der 1000. Sitzung des Bundesrates sagte der turnusmäßige Bundesratspräsident Reiner Haseloff unter anderem: … sie [unsere Demokratie] ist […] unter Einbeziehung der Ministerpräsidentenkonferenz in der Lage, den Ausgleich zwischen den einzelnen Ländern und mit dem Bund herzustellen. Sie schafft es, über die föderale Ordnung Deutschlands Menschen in Ost und West und Nord und Süd zu verbinden. Ihnen Heimat und Bezug in ihrer Region zu bieten.[4]
Verfassungsrechtliche Grundlage
Die Ministerpräsidentenkonferenz ist im Gegensatz zum Bundesrat kein Verfassungsorgan und auch nicht an der Gesetzgebung des Bundes oder der Länder beteiligt. Deshalb sind ihre Beschlüsse rechtlich nicht-bindend und müssen gegebenenfalls erst durch Gesetzgebungsverfahren in den einzelnen Bundesländern umgesetzt werden.
Grundlage dafür ist der Föderalismus in Deutschland (Artikel 20 Absatz 1 GG), nach dem die Länder eigene Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland sind. Dadurch kann jedes Land die eigenen Kompetenzfelder eigenverantwortlich gestalten (Art. 30, 70, 83 GG) und dabei mit anderen Ländern zusammenarbeiten.
Um dabei die Kompetenzen des Bundesrats nicht zu beeinträchtigen, hat die Ministerpräsidentenkonferenz am 17. Dezember 1992 beschlossen, dass eine Angelegenheit nicht in einer Minister(präsidenten)konferenz beraten werden darf, wenn sie Gegenstand von Beratungen des Bundesrats ist.[5]
Organisation und Arbeitsweise
Die Ministerpräsidentenkonferenz findet regelmäßig viermal jährlich statt. Im Sommer und im Dezember kommen die Regierungschefs der Länder im Anschluss an die MPK zu einer Besprechung mit dem Bundeskanzler zusammen. Wenn besonderer Bedarf besteht, finden zusätzliche Sonderkonferenzen statt. Das war bisher beispielsweise bei der Föderalismusreform und dem Länderfinanzausgleich der Fall. Die Ministerpräsidentenkonferenzen werden durch die Leiter der Staats- und Senatskanzleien der Länder in entsprechenden Konferenzen vorbereitet (CdS-Konferenzen). Im Falle der persönlichen Verhinderung des Regierungschefs des Vorsitzlandes an einer MPK übernimmt ein Mitglied der Landesregierung im Ministerrang, in der Regel der Chef der Staats- bzw. Senatskanzlei seine Vertretung.
Themen der Beratungen der vergangenen Jahre waren die Europapolitik, Föderalismusreform, Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die Medien- und die Bildungspolitik. Besondere Themen werden in vertraulichen Gesprächsrunden, den sogenannten Kamingesprächen, behandelt. An diesen Gesprächen nehmen nur die Regierungschefs ohne ihre Mitarbeiter teil.
Entscheidungen mussten bis Ende 2004 immer einstimmig gefällt werden. Dieses Konsensprinzip wurde während der Beratungen zur Föderalismusreform gelockert, um die Handlungsfähigkeit der Bundesländer zu stärken. Die Entscheidungen bedürfen seit Ende 2004 nur noch der Zustimmung von mindestens 13 Ländern. Ausnahmen bilden dabei die Geschäftsordnung, haushaltswirksame Angelegenheiten und die Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen. Hier gilt weiterhin das Prinzip der Einstimmigkeit. Die Ministerpräsidenten der A-Länder und die der B-Länder führen in der Regel vor der Konferenz getrennte Vorbesprechungen durch, um die Verhandlungsposition festzulegen.
Die Ministerpräsidentenkonferenz schlägt der Bundesregierung zudem eine Liste von 21 der 24 deutschen Mitglieder (und ebenso viele Stellvertreter) des Europäischen Ausschusses der Regionen vor, die die vollständige Liste gewählter Vertreter dann wiederum dem EU-Ministerrat zu Ernennung für die fünfjährige Amtszeit vorschlägt.[6]
Vorsitzwechsel
Der Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz wechselt jährlich nach einer vereinbarten Reihenfolge. Vorsitzender ist der Ministerpräsident des jeweiligen Landes.
Eine gesonderte Regelung betrifft den Ko-Vorsitz als Koordinator und Sprecher der politisch konkurrierenden Ländergruppe (A- und B-Länder) in den traditionell abschließenden Pressekonferenzen der MPK. Falls beim Wechsel des MPK-Vorsitzes ein Übergang vom A-Land auf ein B-Land (oder umgekehrt) erfolgt, bleibt der ausscheidende Ministerpräsident Ko-Vorsitzender seiner Ländergruppe und zwar so lange, bis der MPK-Vorsitz wieder in seine eigene Ländergruppe fällt. So war z. B. MP Klaus Wowereit nach Übergang des MPK-Vorsitzes im Jahre 2005 von Berlin auf Nordrhein-Westfalen für weitere 4 Jahre (Vorsitzführung durch die B-Länder NW, NI, HE, SN) Ko-Vorsitzender der sozialdemokratisch geführten A-Länder, bis er 2009 durch MP Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) abgelöst wurde.
Bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990 wechselte der Vorsitz in folgender Reihenfolge zwischen den elf damaligen Ländern:
Nummer | Bundesland |
---|---|
1 | Bayern |
2 | Berlin |
3 | Nordrhein-Westfalen |
4 | Niedersachsen |
5 | Hessen |
6 | Rheinland-Pfalz |
7 | Schleswig-Holstein |
8 | Baden-Württemberg |
9 | Bremen |
10 | Saarland |
11 | Hamburg |
Seit 1990 ist die aktuelle Reihenfolge zwischen den 16 Ländern:
Nummer | Bundesland |
---|---|
1 | Niedersachsen |
2 | Hessen |
3 | Sachsen |
4 | Rheinland-Pfalz |
5 | Sachsen-Anhalt |
6 | Schleswig-Holstein |
7 | Thüringen |
8 | Baden-Württemberg |
9 | Brandenburg |
10 | Bremen |
11 | Mecklenburg-Vorpommern |
12 | Saarland |
13 | Hamburg |
14 | Bayern |
15 | Berlin |
16 | Nordrhein-Westfalen |
Liste der Vorsitzenden
Name | Partei | Bundesland | Zeitraum | |
---|---|---|---|---|
Hans Ehard | CSU | Bayern | 1. Oktober 1954 – 30. September 1955 | |
Otto Suhr | SPD | Berlin | 1. Oktober 1955 – 30. September 1956 | |
… | … | … | … | |
Franz Josef Strauß | CSU | Bayern | 1. Oktober 1987 – 30. September 1988 | |
Eberhard Diepgen | CDU | Berlin | 1. Oktober 1988 – 16. März 1989 | |
Walter Momper | SPD | 16. März 1989 – 30. September 1989 | ||
Johannes Rau | SPD | Nordrhein-Westfalen | 1. Oktober 1989 – 30. September 1990 | |
Gerhard Schröder | SPD | Niedersachsen | 1. Oktober 1990 – 30. September 1991 | |
Hans Eichel | SPD | Hessen | 1. Oktober 1991 – 30. September 1992 | |
Kurt Biedenkopf | CDU | Sachsen | 1. Oktober 1992 – 30. September 1993 | |
Rudolf Scharping | SPD | Rheinland-Pfalz | 1. Oktober 1993 – 30. September 1994 | |
… | … | … | … | |
Edmund Stoiber | CSU | Bayern | 1. Oktober 2003 – 30. September 2004 | |
Klaus Wowereit | SPD | Berlin | 1. Oktober 2004 – 30. September 2005 | |
Jürgen Rüttgers | CDU | Nordrhein-Westfalen | 1. Oktober 2005 – 30. September 2006 | |
Christian Wulff | CDU | Niedersachsen | 1. Oktober 2006 – 30. September 2007 | |
Roland Koch | CDU | Hessen | 1. Oktober 2007 – 30. September 2008 | |
Stanislaw Tillich | CDU | Sachsen | 1. Oktober 2008 – 30. September 2009 | |
Kurt Beck | SPD | Rheinland-Pfalz | 1. Oktober 2009 – 30. September 2010 | |
Wolfgang Böhmer | CDU | Sachsen-Anhalt | 1. Oktober 2010 – 19. April 2011 | |
Reiner Haseloff | 19. April 2011 – 30. September 2011 | |||
Peter Harry Carstensen | CDU | Schleswig-Holstein | 1. Oktober 2011 – 12. Juni 2012 | |
Torsten Albig | SPD | 12. Juni 2012 – 30. September 2012 | ||
Christine Lieberknecht | CDU | Thüringen | 1. Oktober 2012 – 30. September 2013 | |
Winfried Kretschmann | Grüne | Baden-Württemberg | 1. Oktober 2013 – 30. September 2014 | |
Dietmar Woidke | SPD | Brandenburg | 1. Oktober 2014 – 30. September 2015 | |
Carsten Sieling | SPD | Bremen | 1. Oktober 2015 – 30. September 2016 | |
Erwin Sellering | SPD | Mecklenburg-Vorpommern | 1. Oktober 2016 – 4. Juli 2017 | |
Manuela Schwesig | 4. Juli 2017 – 30. September 2017 | |||
Annegret Kramp-Karrenbauer | CDU | Saarland | 1. Oktober 2017 – 28. Februar 2018 | |
Tobias Hans | 1. März 2018 – 30. September 2018 | |||
Peter Tschentscher | SPD | Hamburg | 1. Oktober 2018 – 30. September 2019 | |
Markus Söder | CSU | Bayern | 1. Oktober 2019 – 30. September 2020 | |
Michael Müller | SPD | Berlin | 1. Oktober 2020 – 30. September 2021 | |
Armin Laschet | CDU | Nordrhein-Westfalen | 1. Oktober 2021 – 25. Oktober 2021 | |
Hendrik Wüst | seit dem 27. Oktober 2021 |
Siehe auch
- Liste der Ministerpräsidenten der deutschen Länder
- Fachministerkonferenzen der deutschen Länder
- Landeshauptleutekonferenz – informelle Gruppe im politischen System Österreichs
Weblinks
- Informationen zur Ministerpräsidentenkonferenz beim Vorsitzland 2015/16, Bremen
- Wissenswertes über die Ministerpräsidentenkonferenz auf berlin.de (abgerufen am 23. April 2021).
Einzelnachweise
- ↑ Ministerpräsidentenkonferenz | Das Landesportal Wir in NRW. 16. März 2017, abgerufen am 25. November 2020.
- ↑ Kurzinformation Bund-Länder-Konferenzen zur Corona-Pandemie. WD 3-3000 - 031/21 (8. Februar 2021). Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Berlin 2021. Abgerufen am 22. April 2021.
- ↑ a b c Die Ministerpräsidentenkonferenz, Abschnitt „Historischer Rückblick“ auf www.berlin.de, abgerufen am 25. März 2014.
- ↑ bundesrat.de (Jubiläumssitzung am 12. Februar 2021): Der Bundesrat als Bindeglied zwischen Bund und Ländern
- ↑ Winfried Kluth, Günter Krings (Hrsg.): Gesetzgebung. Rechtsetzung durch Parlamente und Verwaltungen sowie ihre gerichtliche Kontrolle. C. F. Müller, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-8114-5423-1, S. 430.
- ↑ European Communities: The selection process for Committee of the Regions members Procedures in the Member States. (Nicht mehr online verfügbar.) In: cor.europa.eu. Archiviert vom Original am 15. Mai 2012; abgerufen am 21. Oktober 2017.
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Die Rautenflagge des Freistaates Bayern seit 1971. Das Seitenverhältnis ist nicht vorgegeben, Abbildung 3:5.
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(c) Bundesarchiv, Bild 183-H27936 / CC-BY-SA 3.0
Zum ersten Male nach dem Zusammenbruch hatten sich die Ministerpräsidenten und Vertreter der deutschen Länder, mit Ausnahme der 5 Ministerpräsidenten der sowjetischen Besatzungszone, gemeinsam an einen Konferenztisch gesetzt, um die für die deutschen Zukunft wirtschaftlichen und politischen Fragen zu erörtern. Die Konferenz fand am 6. und 7. Juni 1947 unter Vorsitz des bayrischen Ministerpräsidenten Dr. Ehard in München statt.
UBz: den bayrischen Ministerpräsidenten während seiner Ansprache. Linke Seite v. l: Dr. Hermann Wandersleb (Nordrhein-Westfalen) - Minister Lübke (Nordrhein-Westfalen) Dr. Amelunxen (geschäftsführender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen) Rechte Seite: Wirtschaftsminister Dr. Haberer und Ministerpräsident Dr. Boden (beide Rheinland-Pfalz).