Menge (Betäubungsmittelrecht)

Das deutsche Betäubungsmittelgesetz kennt drei verschiedene Mengenbegriffe. Anhand der Einteilung in verschiedenen Mengenkategorien – geringe Menge (auch Kleinstmenge), Normalmenge und nicht geringe Menge – beurteilt ein Gericht die Schwere eines Betäubungsmitteldeliktes und entsprechend die zugehörige Strafe. Vergleichbare Regelungen enthält das österreichische Suchtmittelgesetz.

Mengenbegriffe des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG)

Geringe Menge

Die geringe Menge umfasst höchstens drei Konsumeinheiten. Unter Konsumeinheit ist die Menge eines Betäubungsmittels zu verstehen, die zur Erzielung eines Rauschzustandes beim Gelegenheitskonsumenten erforderlich ist. Weil ein Wirkstoffgutachten teuer ist, wird in der Praxis auf die Bruttomenge abgestellt. Eine geringe Menge bezeichnet also die (Brutto-)Menge einer illegalen Droge, bis zu welcher nach § 29 Abs. 5, § 31a BtMG von einer zwangsläufigen strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden kann. Es ist ein Irrtum, insoweit eine grundsätzliche Straflosigkeit anzunehmen. Der Gesetzgeber geht von einem vorliegenden Delikt nach § 29 BtMG aus. Es kann Anklage erhoben werden, muss aber nicht. Ein Absehen von Verfolgung setzt weiter voraus, dass die Betäubungsmittel zum Eigenverbrauch bestimmt waren und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. So besteht ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, wenn der Eigenverbrauch mit einer Fremdgefährdung verbunden ist.[1] Fremdgefährdung ist anzunehmen, wenn die Tat Anlass zur Nachahmung gibt, die Tat in Schulen, Kasernen, Jugendheimen oder Justizvollzugsanstalten begangen wurde oder der Täter dort als Erzieher, Ausbilder oder ähnliches tätig ist. Auch ist die Abgabe auch nur einer Konsumeinheit von einem Erwachsenen (erwachsen im strafrechtlichen Sinne, also min. 21 Jahre alt, vgl. § 1 JGG) an einen Minderjährigen ein Verbrechen nach § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG.

Normalmenge

Bei einem Überschreiten der geringen Menge liegt zunächst eine normale oder einfache Menge vor, welche nach § 29 Abs. 1 (Vollendung), Abs. 2 (Versuch) oder Abs. 4 (Fahrlässigkeit) strafbar ist. Diese stellt eine Menge dar, die zwar oberhalb der Bruttomenge (geringe Menge im Sinne von § 31a BtMG) liegt, aber noch unterhalb der „nicht geringen Menge“ (im Sinne des § 29a BtMG). Das Vorliegen der „nicht geringen Menge“ wird gemäß Rechtsprechung des BGH anhand des Nettowirkstoffgehaltes der Bruttomenge des jeweiligen Betäubungsmittels bestimmt. In den meisten Bundesländern endet – bei Cannabis – die „geringe Menge“ (§ 31a BtMG) bei 6 g Bruttogewicht. Die „nicht geringe Menge“ (§ 29a Abs. 2 BtMG) beginnt bei 7,5 g reinem Wirkstoff (THC), was bei Cannabis mit einem prozentualen Wirkstoffgehalt von 10 % einer Bruttomenge von 75 g entspräche. In diesem Rechenbeispiel entspräche also eine Bruttomenge von mehr als 6 g, aber weniger als 75 g, einer „Normalmenge“.

Nicht geringe Menge

Für den Umgang mit einer nicht geringen Menge ist gemäß § 29a BtMG eine Strafdrohung von nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen. Diese erhöht sich im Falle der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf 2 Jahre. Wer als Mitglied einer Bande oder mit Waffen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel treibt oder sie einführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft (§ 30a BtMG).

Hierbei kommt es jeweils auf die verbotene Substanz an, also nicht auf die Brutto-Menge der jeweiligen Darreichungsform. Laut Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)[2] handelt es sich um eine nicht geringe Menge Cannabis, wenn das betreffende Cannabisprodukt mindestens 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. Den Grenzwert für eine nicht geringe Menge Methamphetamin („Crystal Meth“) setzte der BGH 2008 auf 5 g Metamphetaminbase oder ca. 6,2 g Metamphetaminhydrochlorid fest.[3]

Der Bundesgerichtshof hat am 14. Januar 2015 in einer Entscheidung die nicht geringe Menge von verschiedenen synthetischen Cannabinoiden geregelt.[4] Der Grenzwert der nicht geringen Menge wurde bei den Cannabinoiden JWH-018 und CP 47,497-C8-Homologes bei zwei Gramm festgesetzt. Die Wirkstoffe JWH-073 und CP 47,497 erreichen den Grenzwert bei sechs Gramm.[5]

Geringe Menge bei Cannabisprodukten

1994 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Cannabisverbot nicht gegen die Verfassung verstößt, solange bei geringen Mengen keine Strafverfolgung stattfinde. In den darauffolgenden Jahren wurde die Grenze von den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich oder auch gar nicht gesetzt. Bundeseinheitliche Regelungen zur Anwendung des § 31a BtMG, wie sie das Bundesverfassungsgericht beabsichtigt hatte, sind nicht in Kraft; vielmehr gibt es in den Bundesländern geringfügig sich unterscheidende Vorschriften, die eine einheitliche Praxis im jeweiligen Bundesland gewährleisten. (Stand März 2008)

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht kam noch 2006 zu der Feststellung, dass die geringe Menge in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt wurde, und kritisierte diese Rechtsunsicherheit gerade im Hinblick auf den Bundesverfassungsgerichtsentscheid.[6]

Im Laufe der Jahre 2006 und 2007 änderten mehrere Bundesländer ihre Grenze, so dass es im Sommer 2007 nur noch drei Grenzwerte gab: Berlin und Bremen setzen die „geringe Menge“ bei 15 g an, Mecklenburg-Vorpommern bei 5 g. Baden-Württemberg betrachtet drei „Konsumeinheiten“ als geringe Menge. Als Konsumeinheit wurden oft 2 g betrachtet, so dass dort 6 g als Grenze gelten dürfte. Auch die übrigen Bundesländer hatten 6 g als geringe Menge festgelegt.[7]

BundeslandMasse
(in Gramm)
Baden-Württemberg6[8]
Bayern6
Berlin15
Brandenburg6
Bremen15[9]
Hamburg6
Hessen6
Mecklenburg-Vorpommern6
Niedersachsen6[10][11]
Nordrhein-Westfalen10[12]
Rheinland-Pfalz10[13]
Saarland6
Sachsen6
Sachsen-Anhalt6
Schleswig-Holstein6
Thüringen10[14]

Zu beachten ist, dass es sich bei den Festlegungen der einzelnen Bundesländer um Richtwerte handelte, von denen Staatsanwälte und Richter im Einzelfall abweichen konnten. Es gibt keinen Anspruch auf das Absehen von Strafverfolgung beim Drogenbesitz in geringen Mengen. Wird von Strafverfolgung abgesehen, so heißt das nicht automatisch, dass auch von Sanktionen abgesehen wird. Staatsanwälte haben nach § 153a StPO die Möglichkeit, ein Verfahren gegen Auflagen (z. B. Arbeitsstunden, Geldauflage oder Beratung in einer geeigneten Einrichtung) einzustellen. Dies wird etwa bei Delinquenten angewendet, die wiederholt wegen Drogenbesitzes in geringen Mengen oder geringfügig mehr als einer geringen Menge angezeigt wurden. Aber auch besondere Umstände im Zusammenhang mit der Tat können dazu führen, dass von Strafverfolgung wegen Drogenbesitzes in geringen Mengen nicht oder nur unter Auflagen abgesehen wird.

Im Juni 2018 beschlossen die Justizminister der deutschen Bundesländer, eine einheitliche Obergrenze für den Eigenbedarf an Cannabis festzulegen. Beim Besitz von bis zu sechs Gramm könnten Strafverfahren eingestellt werden.[15] Berlins Justizsenator Dirk Behrendt kündigte an, dass die Obergrenze in Berlin weiter bei 15 Gramm Cannabis liegen würde.[16]

Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2021 haben sich Grüne und CDU Ende April 2021 darauf geeinigt, dass künftig der Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabis als Eigenbedarf gewertet werden soll und dann nicht strafrechtlich verfolgt werden muss.[17]

Geringe Mengen bei anderen Betäubungsmitteln

Die Bundesländer Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben auch Regelungen für die Einstellung des Verfahrens bei anderen Betäubungsmitteln ausdrücklich geregelt. Sie sehen die Möglichkeit vor, das Verfahren beim Besitz von 1 g Heroin und 1 g Kokain (Schleswig-Holstein 3 g) einzustellen. Bei Amphetamin sehen Bremen bei 1,6 g, Hessen bei 2,5 g und Schleswig-Holstein bei 3 g eine Einstellungsmöglichkeit vor. Bei Ecstasy ist das in Bremen bei 3 Tabletten, in Hamburg bei weniger als 10 und Hessen bei weniger als 20 Tabletten üblich.[18]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jörn Patzak, Wolfgang Bohnen: Betäubungsmittelrecht. 1. Auflage. Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-58639-2, Kapitel 2 Rdn. 122.
  2. BGH Urteil vom 18. Juli 1984, BGHSt 33, 8.
  3. Bundesgerichtshof senkt Grenzwert für nicht geringe Menge bei Metamfetamin, Pressemitteilung Nr. 228/2008 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 9. Dezember 2008 (zum Urteil Az. 2 StR 86/08)
  4. BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13
  5. Juris.de: Legal Highs – Grenzwerte für synthetische Cannabinoide festgesetzt abgerufen am 24. Januar 2015
  6. Studie des Max-Planck-Instituts für Strafrecht zur geringen Menge aus dem Jahre 2006 (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
  7. Bundesland-Vergleich der Richtlinien zur Anwendung des § 31a BtMG. Deutscher Hanf Verband, 11. Juli 2011, abgerufen am 10. März 2012.
  8. Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums für eine einheitliche Praxis der Strafverfolgung bei Verfahren nach dem Betäubungsmittelgesetz. 11. Oktober 2016, abgerufen am 6. April 2022.
  9. Mehr Augenmaß im Umgang mit Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten. Pressestelle des Senats, 6. März 2020, abgerufen am 16. Januar 2022.
  10. Einheitliche Cannabishöchstgrenze gefordert. Rheinische Post, 11. November 2012, abgerufen am 11. November 2012.
  11. Anwendung des § 31 a Abs. 1 BtMG und Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Strafsachen gegen Betäubungsmittelkonsumenten. 7. Dezember 2012, abgerufen am 30. April 2015.
  12. Vorläufige Richtlinien zur Anwendung des § 31a Abs. l BtMG Gem. RdErl. des Justizministeriums – 4630 – III A. 7 „IMA“ – und des Innenministeriums – IV D l – 6507.1 vom 13. Mai 1994 – JMBl. NW S. 133. In: Justizportal Nordrhein-Westfalen. Die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, 13. Mai 1994, abgerufen am 17. März 2015.
  13. Drucksache 17/5629 - Antwort des Ministeriums der Justiz auf. (PDF; 0,7 MB) Drucksache 17/5400 - Kleine Anfrage Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Katharina Binz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 13.02.2018. In: Landtag Rheinland-Pfalz. Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz, 7. März 2018, S. 2, abgerufen am 9. November 2022 (deutsch).
  14. Medieninformation 02/2017 - Mengenregelung bei Cannabis geändert. Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, 9. Januar 2017, abgerufen am 17. Januar 2017.
  15. Rainer Kellers: Sechs Gramm: Justizminister stimmen für Cannabis-Obergrenze. 7. Juni 2018, abgerufen am 13. April 2020.
  16. Eigenbedarf für das Kiffen. Einheitliche Cannabis-Obergrenze - nicht mit Berlin. In: Der Tagesspiegel. 7. Juni 2018, abgerufen am 13. April 2020.
  17. S. W. R. Aktuell, S. W. R. Aktuell: Lockerung beim Besitz von Cannabis in Baden-Württemberg hochumstritten. Abgerufen am 20. Mai 2021.
  18. Jörn Patzak, Wolfgang Bohnen: Betäubungsmittelrecht. 1. Auflage. Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-58639-2, Kapitel 2 Rdn. 124.

Anmerkungen