Machtelite

Der Begriff der Machteliten bezeichnet Eliten, zu denen Akteure unterschiedlicher gesellschaftlicher Felder gehören, die auf Grundlage des (ggf. gemeinsamen) Zugriffs auf Macht­mittel (wie etwa sozialen Sanktionen) Entscheidungen durchsetzen können. Diese Entscheidungen haben innerstaatliche oder gar überstaatliche Auswirkungen.[1]

Ein Kontrastbegriff zur „Machtelite“ ist die „Leistungselite“; Leistungseliten vermögen aufgrund besonderer (fachlicher oder funktioneller) Leistungen Entscheidungen durchzusetzen.

Theorie der Machteliten

Der Begriff geht im Wesentlichen auf Charles Wright Mills Studie The Power Elite (1956) zurück, in der er die Eliten der Vereinigten Staaten untersuchte. Nach Mills entstand eine Machtelite erst durch Konzentrationsprozesse im Zuge des New Deals. Sie setze sich aus einem Machtdreieck (The Triangle of Power) aus elitären Zirkeln aus der Politik, dem Militär und der Wirtschaft zusammen. Mills beobachtete, dass die einflussreichen Personen dieser Felder meist eine Spitzenuniversität besucht hatten, Mitglieder der gleichen exklusiven Klubs seien, und dass sie oftmals innerhalb ihres engen Kreises heirateten.

Während Mills nur von einem Dreieck der Macht ausging, haben spätere Sozialwissenschaftler die zunehmende Bedeutung weiterer Sektoren betont. Neben der direkten Einflussnahme auf die Politik wurde verstärkt untersucht, wie Machteliten versuchten, über die Beeinflussung der Öffentlichkeit eine „kulturelle Hegemonie“ (Gramsci) herzustellen.

Nach G. William Domhoff sind in den Vereinigten Staaten die Richtlinien der Politik (policy formation process) durch ein System der "Wirklichkeitsproduktion" bestimmt, welches durch die Zusammenarbeit von wirtschaftlich abhängigen Universitäten, Denkfabriken und Stiftungen hergestellt worden sei. Auch Pierre Bourdieu richtete mit seinen Veröffentlichungen den Blick auf die Wichtigkeit gesellschaftlicher Bereiche wie Wissenschaft und Medien für die Zusammensetzung heutiger Machteliten.[2]

Nach Rainer Geißler setzen sich Machteliten aus neun Elitengruppen zusammen, die in den folgenden Sektoren wichtige Entscheidungsträger sind: Politik, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Gewerkschaften, Massenmedien, Kultur, Wissenschaft und Militär.[3] Mit der Power Structure Research wird versucht, die Verflechtungen der Machteliten zu analysieren.

Kritik am Begriff „Machtelite“

Der liberale Soziologe Ralf Dahrendorf kritisierte Anfang der 1960er Jahre Mills Ansatz als Verschiebung von der Klassen- zur Elite-, ja zur Verschwörertheorie.[4] Auch Marxisten kritisierten Mills’ Ansatz, wie beispielsweise sein Freund Ralph Miliband, der in The State in Capitalist Society 1969 dem Konzept der Machtelite das der „herrschenden Klasse“ gegenüberstellte.

Siehe auch

Literatur

  • C. Wright Mills: The Power Elite, 1956 Auszüge
    • deutsche Ausgabe: Die Machtelite, Westend, Frankfurt am Main 2019 ISBN 978-3-86489-270-7.
  • Hans Jürgen Krysmanski: Hirten & Wölfe. Wie Geld- und Machteliten sich die Welt aneignen, 2004 im Internet.
  • Marcus B. Klöckner: Machteliten und Elitenzirkel. Eine soziologische Auseinandersetzung, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007, ISBN 978-3-8364-1332-9.
  • Rainer Rilling: Auf der Suche nach der verlorenen Bourgeoisie. Aspekte der US-amerikanischen Elitenforschung 1982 im Internet.
  • Anatol Rapoport: Das Klasseninteresse der Intellektuellen und die Machtelite.
  • G. William Domhoff: Who Rules America? Power, Politics, and Social Change, 1967 ISBN 0-07-287625-5.
  • Urs Jaeggi: Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main/Hamburg 1969.

Weblinks

Fußnoten

  1. Charles Wright Mills (2000): The Power Elite, S. 18.
  2. Marcus B. Klöckner (2007): Machteliten und Elitezirkel S. 40 ff
  3. Rainer Geißler: Rolle der Eliten in der Gesellschaft, in: Sozialer Wandel in Deutschland. Informationen zur politischen Bildung (Heft 324) 2014 [1]
  4. Ralf Dahrendorf: Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Soziologie in Amerika. Piper, München 1962.