Liste der Herzöge der Normandie

Die Liste der Herzöge der Normandie enthält alle mittelalterliche Herrscher des historischen französischen Herzogtums Normandie von deren Entstehung vom Jahr 911 an bis zu ihrer Integration in die französische Krondomäne im Jahr 1204, sowie die mit ihr apanagierten Prinzen des königlichen Hauses.

Das seit dem späten 12. Jahrhundert bekannte Wappen der Normandie.

Die Liste der Herzöge beginnt mit dem Wikingerführer Rollo, der sich 911 taufen und von König Karl III. dem Einfältigen Land am Unterlauf der Seine um Rouen als Lehen zugewiesen bekam. Welche Titel die ersten beiden Normannenfürsten allerdings trugen, ist nicht eindeutig auszumachen, da zu ihnen keine zeitgenössische Urkunden erhalten sind. Von mittelalterlichen Geschichtsschreibern wurden sie rückwirkend jedoch freilich als Herzöge bezeichnet. Richard I. Ohnefurcht wird in den zwei erhaltenen an ihn ausgestellten Urkunden (968, 990) unterschiedlich als Markgraf (marchio), Fürst der Normannen (princeps Normannorum) und als Graf (comes) betitelt. Das Kartular der Abtei Saint-Père-en-Vallée bei Chartres nennt ihn bereits Herzog (dux), aber erst im Urkundenverkehr seines Sohnes Richard II. dem Guten ist dieser Titel (Normannorum dux), neben vielen anderen, erstmals im Jahr 1006 für den offiziellen Gebrauch belegt. Von da an blieb bis 1204 der Herzogstitel gleichberechtigt neben anderen in Gebrauch. In von der Kanzlei der französischen Könige ausgehenden Urkunden wurden die Normannenfürsten fast ausschließlich als Grafen bezeichnet.

Liste der Herzöge der Normandie

Normannische Dynastie (Rolloniden)

BildName
Alternativnamen
(Lebensdaten)
RegierungszeitVerwandtschaftAnmerkungen
RolloA.jpgRollo
Hrólf
(* ?; † 931/932)
911–931/932Anführer eines Normannenheers, das plündernd durch den Norden des westfränkischen Regnums zog und im Juli 911 bei Chartres von einer Koalition unter Robert von Neustrien, Richard dem Gerichtsherrn und Ebalus Manzer geschlagen wurde. Darauf wurde ihm im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte von König Karl III. dem Einfältigen das Land um Rouen zugewiesen, um das die Normandie erstand.
Vilda.jpgWilhelm I. Langschwert
Vilhjálmr Langaspjót
(* ?; † 17. Dezember 942)
931/932–942Sohn des Vorgängers
Richard I, Duke of Normandy.jpgRichard I. der Furchtlose
Richard Sans-Peur
(* um 935; † 20. November 996)
942–996Sohn des VorgängersNahm im Machtkampf zwischen den Karolingern und Kapetingern Partei für letztere und nahm König Ludwig IV. gefangen. War Schutzherr des jungen Hugo Capet, dessen Wahl zum König er 987 unterstützte.
Richard2Nrom.jpgRichard II. der Gute
Richard le Bon
(* ?; † 1026)
996–1026Sohn des Vorgängers
Richard III.
(* um 1001; † 6. August 1027)
1026–1027Sohn des Vorgängers
Robert I. der Prächtige
Robert le Magnifique
(* ?; † 22. Juli 1035)
1027–1035Bruder des Vorgängers
BL MS Royal 14 C VII f.8v (William I).jpgWilhelm II. der Bastard / der Eroberer
Guillaume le Bâtard
Guillaume le Conquérant
(* 1027/28; † 9. September 1087)
1035–1087unehelicher Sohn des VorgängersSetzte sich mit der Unterstützung König Heinrichs I. in harten Kämpfen gegen Konkurrenten durch. Schuf eine straff geführte und zentralisierte Hofverwaltung und emanzipierte sich erfolgreich von der Oberhoheit des französischen Königs. Beanspruchte die Nachfolge Eduards des Bekenners auf den englischen Thron, führte 1066 die Invasion auf der britischen Insel (Wilhelm der Eroberer) und besiegte in der Schlacht bei Hastings seinen Rivalen Harald II. Im Anschluss unterwarf er das angelsächsische Königreich und begründete das „anglo-normannische Reich“.
Tinchebray Courteheuse 1054-1134.jpgRobert II. Kurzhose
Robert Courteheuse
(* 1051/52; † 1134)
1087–1106Sohn des VorgängersRebellierte gegen seinen Vater, worauf ihm die Nachfolge auf den englischen Thron verwehrt wurde, konnte als ältester Sohn aber das normannische Herzogtum übernehmen. Nahm von 1096 bis 1100 am ersten Kreuzzug teil, wofür er in seiner Abwesenheit die Regierung in der Normandie seinem Bruder, König Wilhelm II. Rufus, übertrug. Nach seiner Rückkehr unterlag er im Machtkampf um den englischen Thron gegen seinen jüngsten Bruder Heinrich Beauclerc. Von diesem wurde er schließlich in der Schlacht bei Tinchebray 1106 geschlagen und in die Gefangenschaft geführt, in der er die letzten Lebensjahre verbrachte.
BL MS Royal 14 C VII f.8v (Henry I).jpgHeinrich I. Beauclerc
Henri Beauclerc
(* um 1068; † 1. Dezember 1135)
1106–1135Bruder des VorgängersVereinte 1106 das Reich seines Vaters und verteidigte es gegen die Ansprüche seines Neffen Wilhelm Clito. Besiegte diesen und den König von Frankreich 1119 in der Schlacht von Brémule.
Wilhelm Ætheling
(* um 1103; † 25. November 1120)
1120Sohn von Heinrich I.Designierter Erbe seines Vaters. Im Zuge eines vertraglichen Ausgleichs zwischen dem Vater und dem französischen König huldigte William Ætheling 1120 gegenüber König Ludwig VI. „so wie einst Rollo [zu Karl III.] geschworen hat“.[1] Kurz darauf starb er beim Untergang des weißen Schiffs, woraufhin Heinrich seine Tochter Matilda „die Kaiserin“ zur Erbin bestimmte.
BL MS Royal 14 C VII f.8v (Stephen).jpgStephan
Étienne de Blois
(* 1097; † 25. Oktober 1154)
1135–1144Neffe des VorgängersUsurpierte den anglo-normannischen Thron gegen seine Cousine Matilda und löste damit einen Bürgerkrieg (the Anarchy) aus. 1144 wurde die Normandie von Matildas Ehemann erobert.

Angevinische Dynastie (Plantagenet)

BildName
Alternativnamen
(Lebensdaten)
RegierungszeitVerwandtschaftAnmerkungen
Geoffrey of Anjou Monument.jpgGottfried Plantagenet
(* 24. August 1113; † 7. September 1151)
1144–1150Ehemann von MatildaGraf von Anjou. Eroberte während des Krieges gegen Stephan die Normandie und wurde von den normannischen Großen als Herzog anerkannt. Überließ das Herzogtum 1150 seinem Sohn.
BL MS Royal 14 C VII f.9 (Henry II).jpgHeinrich II. Kurzmantel
Henri Court-manteau
(* 5. März 1133; † 6. Juli 1189)
1150–1189Sohn des VorgängersDurch Huldigung an König Ludwig VII. im Sommer 1151 als Herzog anerkannt. Begründete durch seine Ehe mit Eleonore von Aquitanien das „angevinische Reich“. Befand sich im ständigen Kampf gegen seine Söhne und den französischen König.
Heinrich der Jüngere
Henri le jeune roi
(* 28. Februar 1155; † 11. Juni 1183)
1160–1183Sohn von Heinrich II.Huldigte mit Zustimmung des Vaters 1160 als Herzog der Normandie gegenüber Ludwig VII., ohne vom Vater an der tatsächlichen Macht beteiligt zu werden. 1170 zum Mitkönig des Vaters in England gekrönt. Starb beim Aufstand gegen diesen.
BL MS Royal 14 C VII f.9 (Richard I).jpgRichard IV. Löwenherz
Richard Cœur de Lion
(* 8. September 1157; † 6. April 1199)
1189–1199Sohn des VorgängersHuldigte bereits 1188 dem König Philipp II. August für die Normandie, konnte aber erst nach dem Tod des Vaters die Herrschaft übernehmen. Führte den dritten Kreuzzug (1190–1192) an und geriet in Gefangenschaft des römisch-deutschen Kaisers. Behauptete sich anschließend erfolgreich gegen den französischen König im Kampf um seine kontinentalen Besitzungen. Starb bei der Unterwerfung einer seiner Vasallen.
BL MS Royal 14 C VII f.9 (John).jpgJohann Ohneland
Jean sans Terre
(* 24. Dezember 1167; † 19. Oktober 1216)
1199–1204Bruder des VorgängersUnter ihm brach das angevinische Reich zusammen. Per Gerichtsurteil wurde er von Philipp II. August all seiner Besitzungen in Frankreich für verlustig erklärt. Am 1. Juni 1204 kapitulierte Rouen, in das der französische König wenig später einzog und die Vereinigung der Normandie mit der königlichen Domäne vollzog. Johann Ohneland akzeptierte diesen Verlust im Waffenstillstandsvertrag von Thouars vom 13. Oktober 1206.[2]
Ende der anglo-normannischen Personalunion nach 138 Jahren durch Vereinigung der Normandie mit der französischen Krondomäne im Juni 1204. Im Vertrag von Paris (1259) leistete König Heinrich III. von England einen endgültigen Erbverzicht auf die Normandie.[3]

Apanagierte Herzöge aus königlichem Haus

BildName
Alternativnamen
(Lebensdaten)
RegierungszeitVerwandtschaftAnmerkungen
JeanIIdFrance.jpgJohann der Gute
Jean le Bon
(* 16. April 1319; † 8. April 1364)
1332–1350Sohn von König Philipp VI.Bestieg 1350 als Johann II. den französischen Thron.
Karl der Weise
Charles le Sage
(* 21. Januar 1338; † 16. September 1380)
1355–1364Sohn von König Johann II.Bestieg 1364 als Karl V. den französischen Thron.
Zwischen den Jahren 1418 und 1450 war die Normandie von England okkupiert, dessen Könige einen Anspruch auf den französischen Thron erhoben. (siehe Hundertjähriger Krieg)
Blason Charles de France (1446-1472) duc de Normandie.svgKarl von Valois
(* 28. Dezember 1446; † 24. Mai 1472)
1465–1469Sohn von König Karl VII.Tauschte 1469 die Normandie gegen die Guyenne ein.
Endgültige Vereinigung der Normandie mit der Krondomäne.

weitere Verwendung des Titels:

Duke of Normandy

Wilhelm der Eroberer hatte 1066 eine Personalunion zwischen der Normandie und England begründet, die heute als „anglo-normannisches Reich“ bekannt ist und die 1153 zum „angevinischen Reich“ der Plantagenets erweitert wurde. Diese Union wurde 1204 durch König Philipp II. August von Frankreich durch Besetzung der Normandie beendet. Vom alten Herzogtum verblieben lediglich die normannischen Kanalinseln bis heute im Besitz der englisch/britischen Monarchen, die ihretwegen den Titel „Duke of Normandy“ noch heute in ihrer Titulatur verwenden.

Literatur

  • Reginald L. Poole: Henry II, Duke of Normandy, in: The English Historical Review Vol. 42 (1927), 569–572
  • C. Warren Hollister: Normandy, France and the Anglo-Norman „Regnum“, in: Speculum 51 (1976), S. 202–242
  • Walther Kienast: Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland (9. bis 12. Jahrhundert), in: Historische Zeitschrift Bd. 203 (1966), S. 532–580

Einzelnachweise

  1. „…tandem conventum fuit et Willelmus filius Henrici Regis Anglorum Normanniam teneret de Rege Franciæ, et hommagium sibi faceret, sicut Rollo primus Normanniæ Dux jure perpetuo promiserat.“ Siehe Ex anonymi Blandiniensis appendicula ad Sigibertum, in: Recueil des Historiens des Gaules et de la France 14 (1877), S. 16. Siehe Hollister, S. 226.
  2. Rigord, Gesta Philippi Augusti, hrsg. in: Recueil des Historiens des Gaules et de la France 17 (1878), S. 60
  3. Heinrich III. von England hatte dieser Bedingung bereits am 8. Mai 1258 zugestimmt. Siehe Calendar of Patent Rolls 1247–1258 (CPR), S. 663.

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Richard I, Duke of Normandy.jpg
Richard I, Duke of Normandy
BL MS Royal 14 C VII f.8v (Stephen).jpg
Stephen of Blois, King of England. (British Library, MS Royal 14 C VII f.8v)
BL MS Royal 14 C VII f.9 (John).jpg
John with the Cistercian Abbey of Beaulieu(British Library, MS Royal 14 C VII f.9)
RolloA.jpg
Rollo, Duke of Normandy. Detail from the roll of the dukes of Normandy: Rollo, William, and Richard, with seven roundels showing Richard's children [1].
BL MS Royal 14 C VII f.8v (Henry I).jpg
Henry I with Reading Abbey (British Library, MS Royal 14 C VII f.8v)
BL MS Royal 14 C VII f.8v (William I).jpg
William I the Conqueror with Battle Abbey (British Library, MS Royal 14 C VII f.8v)
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Kings of England: Henry II and his eldest son Henry the Younger. (British Library, MS Royal 14 C VII f.9)
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Gules, two lions passant guardant in pale or armed and langued azure, used as the inofficial "coat of arms of Normandy".

Coat of arms attributed to "Arms of William the Conqueror (William I of England)"
Richard2Nrom.jpg
Richard II of Normandy
Vilda.jpg
William I, Duke of Normandy
Geoffrey of Anjou Monument.jpg
Enamel effigy of Geoffrey Plantagenet, Count of Anjou on his tomb, formerly at Le Mans Cathedral, now in the Museum of Archeology and History in Le Mans.
Tinchebray Courteheuse 1054-1134.jpg
Autor/Urheber: hamon jp, Lizenz: CC BY-SA 3.0
La stèle représentant Robert Courteheuse (1054-1134) Duc de Normandie, au champ Henriet (champ de foire) à Tinchebray.
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Johann II. Strukturierte Daten auf Commons bearbeiten
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Richard I Lionheart, King of England. (British Library, MS Royal 14 C VII f.9)