Krzysztof Komeda

Komeda vor Klaviertasten, Gedenktafel von Michał Selerowski in Posen an der Filiale der Polnischen Nationalbank

Krzysztof Komeda (gebürtig: Krzysztof Trzciński; * 27. April 1931 in Posen, Polen; † 23. April 1969 in Warschau) war ein polnischer Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Komeda wurde ein Jazz-Pianist und Komponist von Jazz- und Filmmusik von internationaler Bedeutung. Nach Angaben von Jan Wróblewski nimmt Komeda in Polen einen ähnlichen musikalischen Rang wie Chopin ein.[1]

Leben

Filialgebäude der Polnischen Nationalbank (NBP) in Poznań, Komedas Wohnung 1952–56 während seines Studiums

In seinen Jugendjahren erhielt er Klavierunterricht in Ostrów Wielkopolski (deutsch: Ostrowo), wo er von 1946 bis 1951 lebte. Später wurde er Schüler am Konservatorium in Posen (Klavierunterricht und Musiktheorie). Danach entschied er sich für ein Studium der Medizin. Sein Vater Mieczysław Trzciński war Bankkaufmann und übernahm im Dezember 1952 die Position eines Filial-Direktors der Polnischen Nationalbank in Poznań (Posen). Während seines Studiums wohnte er hier ab 1952 bis 1956[2] bei seinen Eltern und hatte ein eigenes Klavier.[3] Als Student knüpfte er Kontakte mit der Krakauer Untergrund-Jazz-Szene. Man traf sich in Privatwohnungen oder Nachtclubs, den „Katakomben des Jazz“.[3] Sein Interesse für Unterhaltungsmusik und Tanzmusik verschob sich von Dixieland über Bebop bis schließlich zu zeitgenössischem Jazz.

Den ersten nationalen Erfolg feierte Komeda-Trzciński im August 1956 auf dem ersten Jazz-Festival in Sopot mit dem Komeda-Sextett. Die Nachricht von einem Jazzfestival verbreitete sich zuvor wie ein Lauffeuer in ganz Polen. Die vollständig improvisierte Veranstaltung zog etwa 30 bis 50.000 junge Polen an, die auf Rasenflächen, in Parks oder in Badekörben am Strand übernachteten. Zum Festivalbeginn fand ein Umzug statt nach Art der Paraden der New-Orleans-Orchester am Mardi Gras. Symbolisch trug das Komeda-Sextett in zwei Kästen den üblichen Jazz à la Dixieland und Tanzmusik zu Grabe. Da über das erste freie Jazzfestival alle Zeitungen berichteten, konnte danach die Jazzmusik in der Öffentlichkeit nicht mehr so einfach wie bisher verboten werden.[4]

Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt verwendete seitdem den Künstlernamen Komeda, um vor den Ärztekollegen seine Leidenschaft für eine nur halblegale Musikrichtung zu verbergen, der man im damaligen Polen noch mit Misstrauen begegnete. Inhaltlich galt das Repertoire des Komeda-Sextetts als Synthese der damals bekannten Jazz-Gruppen wie The Gerry Mulligan Quartet und Modern Jazz Quartet. Beim 2. Jazz-Festival in Sopot führte Komeda mit seiner Frau Zofia eine Prozession im Sportstadion an. Der westdeutsche Jazzjournalist Joachim-Ernst Berendt und sein polnisch sprechender Kollege Werner Wunderlich waren Augenzeugen dieser „vorsichtigen Liberalisierung“. „Das Wort ‚Jazz‘ wurde in Polen zum Symbol für Freiheit. In keinem anderen Land hatte Jazz je eine so große politische Bedeutung. Jazz gewann in Polen Signalfunktion. Und Komeda war dabei eine Schlüsselfigur.“[1]

In den Jahren 1956 bis 1962 folgten weitere Festivals im In- und Ausland (Moskau, Grenoble, Paris). Komeda begann auch Filmmusik zu komponieren. Insgesamt schrieb er die Musik zu 70 Filmen.[5] Am bekanntesten davon sind Nóż w wodzie (dt. Das Messer im Wasser), Tanz der Vampire und Rosemary's Baby, alle drei vom Regisseur Roman Polański. Für die Musik zu Rosemary's Baby erhielt er 1969 eine Golden Globe Nominierung für die beste Musik.

Auf dem Jazz Jamboree 1962 stellte Komeda seine Ballet-Études vor. Sie wurden in der Heimat des Musikers kühl aufgenommen, aber sie ebneten ihm den Weg zu einer europaweiten Karriere. Komeda gastierte in den Konzerthallen in Stockholm und Kopenhagen, auf Jazz-Festivals in Prag, Bled, ging auf Tournee nach Bulgarien sowie Ost- und Westdeutschland.

Seine Quintett-Einspielung Astigmatic von 1965 mit Tomasz Stańko und Zbigniew Namysłowski mit Songs wie Svantetic gilt bei Kennern der europäischen Jazzszene als gelungener Ausdruck einer eigenständigen europäischen Jazz-Ästhetik. In Polen wird dieses Album bis heute als das zentrale Jazzalbum angesehen.[6] Bis heute (2019) wurde Astigmatic alljährlich auf den ersten Platz der bedeutendsten Jazzaufnahme Polens gewählt.[7] Seine Platte Dichtung und Jazz (1967), eine Aufnahme mit polnischen Gedichten in deutscher Übersetzung, ist in der Zeit des Kalten Krieges politisch riskant und ungewöhnlich.

Marek Hłasko (li.) und Krzysztof Komeda, September 1968[3]

1967 holte ihn Polański nach Hollywood, um gemeinsam mit ihm weitere Filmprojekte auszuarbeiten, darunter die Filmmusik zu Rosemaries Baby. Nach Angaben von Berendt zog er sich bei einem unglücklichen Sturz im Januar 1969 eine chronische Hirnblutung zu.[8] Der Schriftsteller Marek Hłasko war ein gemeinsamer Freund der beiden Freunde und bekannt für sein Temperament und seine körperliche Stärke. Als Hłasko wieder einmal bei einem Gelage den schmächtigen Komeda hochleben ließ und ihn dabei auf den Armen trug, soll er dabei ausgerutscht sein und Komeda sei mit dem Kopf auf eine Tischkante aufgeschlagen. Anderen Quellen zufolge sei die Unglücksursache ein Autounfall in Los Angeles gewesen.[1] Im Krankenhaus wurde ein Hämatom im Gehirn nicht korrekt diagnostiziert und behandelt. Komeda fiel ins Koma. Nach mehreren Monaten wurde Komeda nach Polen geflogen, wo polnische Spezialisten ihn operieren sollten. Kurz darauf verstarb Komeda und nachdem Hłasko von der Nachricht gehört hatte, beging er Selbstmord.[5][7] Er wurde auf dem Powązki-Friedhof in Warschau beigesetzt.

Komeda war seit 1959 verheiratet mit der Musikmanagerin Zofia Komedowa, geb. von Tittenbrun (13. November 1929[9] – 20. August 2009). Der damalige Staatspräsident Lech Kaczyński verlieh ihr 2009 posthum das Offizierskreuz des Ordens Polonia Restituta „für ihre herausragenden Verdienste um die Unabhängigkeit der Republik Polen, für Aktivitäten zu einem demokratischen Wandel und für die Förderung der polnischen Jazzmusik.“[10]

Galerie

Diskographie (Auswahl)

  • 1961 – Jazz Jamboree. Komeda Trio
  • 1964 – Jazz Greetings from the East.
  • 1966 – Astigmatic. K. Komeda Quintet
  • 1967 – Meine süße europäische Heimat. Dichtung und Jazz mit Helmuth Lohner als Sprecher
  • 1998 – Zofia Komeda presents Vol. 1: Ballet Etudes / Breakfast at Tiffany's
  • 1998 – Zofia Komeda presents Vol. 2: Memory of Bach
  • 1998 – Zofia Komeda presents Vol. 6: Crazy Girl
  • 1998 – Zofia Komeda presents Vol. 9: What's up Mr. Basie
  • 1998 – Zofia Komeda presents Vol. 10: Astigmatic in Concert
  • 2000 – Zofia Komeda presents Vol. 11: Knife in the Water / Two Man and a Wardrobe / When Angels Fall
  • 2004 – Zofia Komeda presents Vol. 13: Ballads
  • 2005 – Zofia Komeda presents Vol. 14: Kattorna, Sult, People Meet And Sweet Music Fills The Heart
  • 2011 – Krzysztof Komeda Live at The Jazz Jamboree Festival 1961 – 1967

Filmografie (Auswahl)

Würdigungen

  • Regisseur Roman Polański, der Komeda seit dem Besuch der Filmhochschule Łódź 1957 kannte,[1] würdigte seinen Freund mit den Worten: „Komedas Musik war kühl und modern, aber in ihr schlug ein menschliches Herz. Er war der Filmmusiker par excellence. Er gab meinen Filmen Wert. Sie wären wertlos ohne seine Musik.“[11]
  • Joachim-Ernst Berendt produzierte und veröffentlichte 1973 ein Album in Andenken an Komeda: We'll Remember Komeda.[1] Mitwirkende waren u. a. Michał Urbaniak, Tomasz Stańko, Attila Zoller, Urszula Dudziak und Zbigniew Seifert.[12]
  • Seit 1995 wird ihm zu Ehren das «Komeda Jazz Festival» in Słupsk bei Danzig alljährlich im November veranstaltet.[13] Das Festival dient der Förderung junger Jazzmusiker und schreibt auch einen Komponierwettbewerb aus.
  • Mehrere Gebäude in Posen tragen den Namen Komedas, darunter ein Kino,[14] ein Hotel[15] und eine überdachte Promenade mit einer Wandserie von Plakatkunst, die Aleja Krzysztofa Komedy.[16]

Literatur (Auswahl)

  • Joachim-Ernst Berendt: We’ll Remember Komeda. In: Ein Fenster aus Jazz. Essays, Portraits, Reflexionen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1977, 428 S., Ill., ISBN 3-10-003801-0, S. 117–123.
  • Magdalena Grzebałkowska: Komeda. Osobiste życie jazzu. Znak, Kraków 2018, ISBN 978-83-240-5365-0, Biographie.
    • englische Übersetzung: Komeda: A Private Life in Jazz. Equinox, Sheffield 2020, ISBN 978-1-78179-945-1.
  • Marek Hendrykowski: Komeda. Wydawnictwo Miejskie, Poznań 2009, ISBN 978-83-7503-066-2.
  • Zofia Komedowa Trzcińska: Komeda, Zośka i inni. [= Komeda, Zośka und andere.] J.P. - Poland, Warschau 1996, 267 S., ISBN 83-906497-0-5, Autobiographie.
  • Roman Kowal: Polski jazz. Wczesna historia i trzy biografie zamknięte: Komeda – KoszSeifert. Akademia Muzyczna, Kraków 1995, 205 S., ISBN 83-901888-5-6.

Dokumentarfilm

Radio-Feature

Weblinks

Commons: Krzysztof Komeda – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Datenbanken

Zu Komeda

Bilder

Einzelnachweise

  1. a b c d e Bert Noglik: Ein Lyriker des Klanges. Krzysztof Komeda – Erinnerungen an eine polnische Jazz-Legende. In: Jazzzeitung, 2006, Nr. 4, S. 13.
  2. Cultural events connected with Komeda • 2008. In: komeda.pl, aufgerufen am 19. Dezember 2019.
  3. a b c Piotr Bojarski: Krzysztof Komeda – z katakumb jazzu do Sopotu (= Krzysztof Komeda – Von den Katakomben des Jazz nach Sopot). In: Gazeta Wyborcza, 9. September 2016.
  4. Piotr Bojarski: Krzysztof Komeda i trumna w Sopocie. (= Krzysztof Komeda und der Sarg in Sopot). In: Gazeta Wyborcza, 12. September 2016.
  5. a b Werner Wunderlich: Fast wie ein Heiliger verehrt. (Memento vom 25. März 2013 im Internet Archive). In: Südwestfunk, 16. April 1990 (3:19 Min., MP3), am unteren Bildrand Dreieck anklicken.
  6. Hans Kumpf: Możdżers Komeda. Solopianistische Ehrung für die Filmmusiklegende. (Memento vom 18. Juli 2011 im Internet Archive) In: Jazz Podium, 2011, Nr. 9, S. 7; Nachdruck in Jazzpages.
  7. a b Daniel Wyszogrodzki: Krzysztof Komeda: A flight so senselessly interrupted. In: thefirstnews.com / PAP, 24. April 2019.
  8. Joachim-Ernst Berendt: We’ll Remember Komeda. In: Ein Fenster aus Jazz. Essays, Portraits, Reflexionen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1977, 428 S., Ill., ISBN 3-10-003801-0, S. 117–123.
  9. Donata Subbotko: Zmarła Zofia Komedowa. (Memento vom 26. August 2009 im Internet Archive). [= Zofia Komedowa ist verstorben.] In: Gazeta Wyborcza, 21. August 2009.
  10. Prezydent odznaczył „Crazy Girl“. [= Der Präsident zeichnet „Crazy Girl“ aus. (Komedas Komposition für Zofia Komedowa)] In: Prezydent.pl, 11. September 2009, aufgerufen am 17. Januar 2022.
  11. Polański wird zitiert in Berendt: We’ll Remember Komeda, online-Quelle.
  12. LP-Daten: Michał Urbaniak · Tomasz Stanko · Attila Zoller · Urszula Dudziak – We'll Remember Komeda. In: discogs.com, aufgerufen am 19. Dezember 2019.
  13. Komeda Jazz Festival & Komeda Composers’ Competition. (polnisch, englisch).
  14. Foto: Kino Komeda. In: commons.wikimedia.org.
  15. Foto: Wielkopolski, Hotel Komeda.jpg In: commons.wikimedia.org.
  16. Foto: Aleja Krzysztofa Komedy. In: commons.wikimedia.org.
  17. Filmmusik: Andreas & Matthias Hornschuh, Produktion: Benedikt Pictures, Studio Filmowe Kalejdoskop, arte, ZDF, TVP2, SF, DR, YLE Teema, gefördert durch media und SFP Poland, DEFA-Stiftung; Auszeichnungen: Fipa d'argent Biarritz 2010, nominiert für den Prix Europa 2010, Meldung in Filmportal.de.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Krzysztof Komeda by Zbigniew Kresowaty 2.jpg
Autor/Urheber: Zbigniew Kresowaty , Lizenz: Attribution
Krzysztof Komeda, właśc. Krzysztof Trzciński (1931-1969) – polski kompozytor i pianista jazzowy, twórca znanych na całym świecie standardów jazzowych i muzyki filmowej. Pionier jazzu nowoczesnego w Polsce.
Komeda Grave.jpg
Autor/Urheber: Cezary Piwowarski, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Grób Krzysztofa Komedy i Zofii Komedy Trzcińskiej na warszawskim Cmentarzu Powązkowskim
Al. Marcinkowskiego bank.jpg
Autor/Urheber: Stiopa, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Budynek banku przy Alejach Marcinkowskiego 12, adres Krzysztofa Komedy po powrocie do Poznania w 1952 r. ( widok współczesny )
Krzysztof Komeda Poznań.jpg
Autor/Urheber: Klapi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Krzysztof Komeda, fragment tablicy pamiątkowej autorstwa rzeźbiarza Michała Selerowskiego, al Marcinkowskiego 12, ściana budynku NBP, Poznań.
Marek Hłasko and Krzysztof Komeda.JPG
Marek Hłasko i Krzysztof Komeda
Komeda1.2.jpg
Autor/Urheber: Stiopa, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Pomnik u zbiegu ulic Bukowskiej i Przybyszewskiego w Poznaniu (po zmianie lokalizacji, przed biblioteką przy ul. Przybyszewskiego)
K.Komeda-Trzciński..jpg
Autor/Urheber: Stiopa, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Ostrów Wlkp., Plac Bankowy. Tablica pamiątkowa na ścianie budynku banku w którym mieszkał ( elewacja od strony ul. Kościuszki )
Komeda Jazz Festival 2014.JPG
Autor/Urheber: 10minutTV, Lizenz: CC BY 3.0
Słupsk, Komeda Jazz Festival w 2014.