Krav Maga

Training in der israelischen Fallschirmjägerbasis in Tel Nof.
Rechts: ein Absolvent des Kurses, 1955
Imrich Lichtenfeld (links) mit Yaron Lichtenstein.
Die Kleidung ist an die Übungs-Bekleidung (inkl. Gürtel) der seinerzeit vorherrschenden japanischen Kampfkünste angelehnt.

Krav Maga (hebräisch קרב מגע für Kontaktkampf) ist ein modernes, eklektisches israelisches Selbstverteidigungssystem, das bevorzugt Schlag- und Tritttechniken nutzt, aber auch Grifftechniken, Hebel und Bodenkampf beinhaltet.

Etymologie

Der Name Krav Maga (קרב מגע) bedeutet Kontaktkampf, wobei krav (קרב) Kampf und maga (מגע) Kontakt bedeutet.

Geschichte

Slowakei: Selbstverteidigung gegen antisemitische Schläger

Die Ursprünge des Krav Maga gehen auf den 1910 in Budapest geborenen und später in Bratislava aufgewachsenen Imrich Lichtenfeld zurück. Lichtenfeld hatte von seinem Vater, einem Polizisten, Techniken des Jiu Jitsu erlernt und war später als Boxer und Ringer erfolgreich. Aus seiner Erfahrung in diesen drei Kampfsportarten entwickelte er eigene Selbstverteidigungstechniken, um sich und seine jüdischen Mitbürger vor antisemitischen Übergriffen in der von den ultranationalistischen Ludaken dominierten Ersten Slowakischen Republik zu schützen. Nachdem sich diese als Verbündete der Achsenmächte am deutschen Angriffskrieg gegen Polen beteiligt hatte und zugleich Rassengesetze ausrief, die später im Holocaust mündeten, gelang Lichtenfeld 1940 die Flucht ins Exil und mit Hilfe der britischen Armee die Emigration nach Palästina.

Palästina: Militärischer Nahkampf

Im damaligen britischen Protektorat Palästina unterrichtete Lichtenfeld, zuerst mit britischer Unterstützung, Nahkampf in den zionistischen Untergrundorganisationen Haganah und Palmach. Seinen Familiennamen änderte er in die hebräische Form Sde-Or. Nach Gründung des Staates Israel 1948 wurde er Nahkampfausbilder in der israelischen Armee.

Israel und später weltweit: Selbstverteidigungssystem

Nach seiner Tätigkeit in der israelischen Armee adaptierte Lichtenfeld das militärische Krav Maga für Polizisten und Zivilisten. Dazu wurden die Techniken der nichtmilitärischen Rechtslage angepasst (siehe Notwehr). Nach dem Tod Lichtenfelds 1998 erhoben mehrere seiner Schüler den Anspruch auf den Titel des „legitimen Nachfolgers“ im Bereich des zivilen Krav Maga, so zum Beispiel:

  • Gabi Noah (Leiter IKM International Krav Maga),
  • Haim Gidon (Leiter Israeli Krav Maga Association),
  • Eyal Yanilov (Leiter Krav Maga Global),
  • Avi Moyal (Leiter International Krav Maga Federation),
  • Haim Zut (Leiter Krav Maga Federation Haim Zut) und
  • Yaron Lichtenstein (siehe Bild, rechts).
Krav-Maga-Gurtfarben und -Aufnäher, wie sie in manchen Schulen verwendet werden
weiß
gelb
orange
grün
blau
braun
schwarz

Krav Maga in der Gegenwart

Krav-Maga-Training, US Marine Corps, 2009

Heute wird Krav Maga weltweit unterrichtet. Dabei muss zwischen drei Zielgruppen unterschieden werden:

  • Krav Maga für Privatpersonen: zur Selbstverteidigung, zur Deeskalation, zur Stressresistenz und mit Zusatznutzen für die Gesundheit und Fitness[1]
  • Krav Maga für den Sicherheitsbereich und die Polizei
  • Krav Maga für das Militär

Die Zielsetzung für Privatpersonen besteht darin, effektive und einfache Methoden zu erlernen, um sich gegen Gewalt wehren zu können. Für viele gibt der Spaß- und Fitnessfaktor den Ausschlag, Krav Maga zu trainieren. In den USA wird Krav Maga beispielsweise stark als Fitnesssystem genutzt.[2]

Im Sicherheitsbereich und bei der Polizei liegen die Schwerpunkte der Ausbildung in Deeskalation, Eigenschutz, Einsatztaktik, Personenschutz, Veranstaltungsschutz sowie Abführ- und Kontrolltechniken.

Krav Maga im zivilen Bereich

Krav Maga zeichnet sich durch einfache Techniken aus. Natürliche und instinktive Reaktionen werden im System berücksichtigt und sinnvoll eingebunden. Dadurch ist Krav Maga relativ schnell zu erlernen. Krav Maga ist seinem Selbstverständnis nach kein Sport, sondern ein reines Selbstverteidigungssystem. Es gibt keine Wettkämpfe. Besonders das richtige Reagieren unter Stress wird trainiert. Dabei wird der richtigen Taktik in Gefahrensituationen viel Raum eingeräumt. So gilt beispielsweise die Empfehlung, die eigenen Hände in Kinnhöhe zu halten, um sie schnell zur Abwehr oder zum Gegenangriff einsetzen zu können. Zusätzlich geht es auch darum, Gefahren frühzeitig zu erkennen und durch geschicktes Verhalten dem Konflikt auszuweichen oder den Gegner zu entwaffnen.

Aufgrund der historischen Entwicklung, des Kampfsport-Hintergrundes vieler Vertreter und der Orientierung nach Prinzipien und weniger nach starren Techniken sind inzwischen verschiedene Organisationen und Interpretationen des Krav Maga entstanden, die sich teilweise in der Auswahl der Techniken (vor allem bei fortgeschrittenen Programmen) und Trainingsmethoden unterscheiden. Im deutschsprachigen Raum werden mittlerweile unterschiedlichste Krav-Maga-Varianten unterrichtet.

Verschiedene internationale Krav-Maga-Verbände bieten Seminare in Deutschland an:

  • Ein Beispiel hierfür ist das Krav Maga von Moni Aizik Commando Krav Maga.
  • Im internationalen Vergleich war die International Krav Maga Federation (IKMF) die größte Krav-Maga-Organisation.
  • Der ehemals zur IKMF gehörende US-amerikanische Krav-Maga-Verband nennt sich seit 2005 Krav Maga Worldwide und versucht, über die USA hinaus zu expandieren.
  • Im Juni 2010 trennte sich Eyal Yanilov von der IKMF und gründete mit Krav Maga Global (KMG) einen neuen weltweiten Krav-Maga-Verband.

Dadurch ist die IKMF in ihrer Größe deutlich reduziert worden, weist aber immer noch eine internationale Verbreitung auf. Die Leitung der IKMF übernahm Avi Moyal.

Krav Maga bei der deutschen Bundeswehr

An der Luftlande- und Lufttransportschule der deutschen Bundeswehr lehren seit Anfang 2008 zwei IKMF-Instruktoren militärisches Krav Maga im Rahmen des Einzelkämpferlehrgangs.[3]

Krav-Maga-Techniken und -Methoden

Im Krav Maga werden je nach Zielgruppe unterschiedliche Techniken und Methoden trainiert.

Dazu zählen:

  • verbale Deeskalation
  • Rollenspiele
  • Bewegungslehre
  • 360-Grad-Abwehr
  • Innenabwehr
  • Fausttechniken
  • Handballentechniken
  • Hammerschläge
  • Ellbogentechniken
  • Tritttechniken
  • Knietechniken
  • Einsatz von Alltagsgegenständen zur Selbstverteidigung
  • Waffenabwehr, gezielte Entwaffnung von Gegnern
  • Stressdrills
  • Situationstraining
  • Mugging-Training: Training mit einem Vollkontaktschutzanzug

Verhältnis zu KAPAP

Innerhalb des israelischen Militärs existieren verschiedene Nahkampfsysteme. Der allgemeine und offizielle Begriff für alle diese Systeme ist KAPAP (קפא״פ, Abkürzung für קרב פנים אל פניםKrav Panim el Panim „Kampf von Angesicht zu Angesicht“). Durch den internationalen Erfolg von Krav Maga inspiriert, begannen auch andere Nahkampfausbilder ihre Systeme an die Erfordernisse von Zivilpersonen anzupassen, teilweise auch unter dem Namen Krav Maga, etwa Moni Aizik (Commando Krav Maga) oder Amnon Maor (Krav Maga Maor). Andere Beispiele von Selbstverteidigungssystemen, die aus dem militärischen Nahkampf entsprungen sind, sind etwa das SPEAR-System[4] und Combatives.

Siehe auch

  • Combatives
  • Moshé Feldenkrais – begründete einige der Grundkonzepte des KAPAP, zum Beispiel Ausnutzen der natürlichen Abwehrreflexe

Literatur

  • Imi Sde-Or, Eyal Yanilov: Krav Maga. Abwehr bewaffneter Angriffe. 1. Auflage. Weinmann-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-87892-074-1.
  • Carsten Draheim: Krav Maga – Effektive Selbstverteidigung. Das große Ausbildungsbuch. 1. Auflage. Meyer & Meyer Sport, 2015, ISBN 3-89899-907-6.
  • Darren Levine, John Whitman: Krav Maga. Das umfassende Handbuch mit über 230 Selbstverteidigungs- und Kampftechniken. 5. Auflage. riva Verlag, München 2018, ISBN 978-3-86883-297-6.
  • Carsten Draheim: Krav Maga: Effektive Techniken zur Selbstverteidigung. 1. Auflage. Meyer & Meyer, 2018, ISBN 3-8403-7581-9.

Weblinks

Commons: Krav Maga – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Raphael Geiger: Der Verteidigungsminister. Wie ein Engländer seinen Kunden beibringt, sich gegen Randalierer auf der Straße zu wehren. In: Der Spiegel. Nr. 45, 2011 (online).
  2. Sweat SF: Everything You Need to Know About Krav Maga San Francisco 7x7, 4. Mai 2015, abgerufen am 7. Februar 2018.
  3. Das tut richtig weh. In: Y – Das Magazin der Bundeswehr. 14. Juli 2009, archiviert vom Original am 5. März 2010; abgerufen am 2. Juli 2017.
  4. The United Kingdom Adopts the Blauer Tactical S.P.E.A.R. System. Abgerufen am 14. April 2020 (englisch).

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