Kausativ

Als Kausativ (Veranlassungswort) wird in der Sprachwissenschaft eine Form der Diathese bezeichnet. Mit dem Kausativ wird ausgedrückt, dass ein erstes Agens ein zweites Agens dazu veranlasst, eine Handlung auszuführen. Einige Linguisten unterscheiden feiner zwischen Kausativ (Veranlassen) und Faktitiv (Bewirken; nicht zu verwechseln mit dem Begriff faktiv).

In zahlreichen Sprachen, beispielsweise im Sanskrit, Estnischen, in den Altaisprachen (Beispiel Türkisch) sowie den semitischen Sprachen wie Hebräisch und Arabisch ist der Kausativ eine regelmäßig ableitbare Form des Verbs.

Kausativ im Deutschen

Deverbale Ableitungen

Kausative im altgermanistischen Sinn sind mittels eines j-Infixes gebildete Ableitungen von starken Verben. In der deutschen Sprache ist diese Kausativbildung nicht mehr produktiv und transparent, das heißt, es ist nicht mehr möglich, in der modernen Sprache damit neue Verben zu bilden. Beispiele:

GrundverbKausativ
beißenbeizen
biegenbeugen
dringendrängen
erschrecken (sie erschrak)erschrecken (sie erschreckte ihn)
essenätzen
fahrenführen
fallenfällen
fließen(ein)flößen
genesennähren
hängen, älter: hangen (hat/ist gehangen)hängen (hat gehängt) und henken
leidenleiten
(er)löschen (ist erloschen)löschen (hat gelöscht)
liegenlegen
quellen (ist gequollen)quellen (hat gequellt)
rinnenrennen
saufen(er)säufen
saugensäugen
schwellen (ist geschwollen)schwellen (hat geschwellt)
schwingenschwenken
schwimmenschwemmen
schwinden(ver)schwenden
sinkensenken
sitzensetzen
spreitenspreizen
springensprengen
stiebenstäuben
trinkentränken
(wachen[1])wecken
windenwenden
zwingenzwängen

Die der Kausativbildung gegenüberstehenden Formen sind im Deutschen immer intransitive Verben (vgl. Valenzalternation).

Die wichtigste Kausativbildung des Deutschen beruht auf einer gemeingermanischen deverbalen Ableitung. Dabei wurde zur 2. Ablautstufe (z. B. trank-) eines starken Verbs (in diesem Beispiel trink-) mit dem Suffix -jan- ein neuer schwach flektierender Verbstamm (also trank-jan-) gebildet. Das später geschwundene -j- hat – soweit möglich – Umlaut der Stammsilbe zur Folge (tränk-). Diese 2. Ablautstufe lautete in einigen Ablautklassen früher anders als heute, was die Lautung von Kausativen wie beizen, das vom ursprünglichen Präteritalablaut /ei/ (nicht wie heute /i/) abgeleitet wurde, oder säugen, das vom ursprünglichen Präteritalablaut /ou/ (nicht wie heute /oː/) abgeleitet wurde, erklärt.

Bei einigen Verben sind – zumindest in der Schrift- bzw. Standardsprache, oft aber nicht in den Dialekten – das Grundverb und das Kausativ im Infinitiv später lautlich zusammengefallen, zum Beispiel bei „schmelzen“ oder „verderben“, wo das ursprüngliche germanische /ë/ des Grundverbs und der Primärumlaut /e/ des Kausativs standardsprachlich beide zu /ɛ/ geworden sind. Wo heute gleichlautende Verben für beide Verwendungen existieren, unterscheiden sie sich jedoch oft immer noch in der Flexion (erschrecken stV. intrans. : erschrecken swV. trans.) oder unterschieden sich darin noch in der älteren Sprache (schmolz intrans. : schmelzte trans. oder verdarb intrans. : verderbte trans.). Bei einigen Verben ist standardsprachlich (meist aber nicht mundartlich) zwar der Stammvokalismus später lautlich zusammengefallen, nicht aber der infolge Einwirkung des j-Infixes veränderte stammschließende Konsonant, beispielsweise bei „beißen“ vs. „beizen“ oder „leiden“ vs. „leiten“, wo das heutige /ae/ des Grundverbs auf mhd. /iː/, das heutige /ae/ des Kausativs aber auf mhd. /ei/ zurückgeht.

In gewissen Fällen ist die Zweiheit Grundverb – Kausativ verloren gegangen, weil das Grundverb ausgestorben ist. So ist lehren zwar ein Kausativ (< germ. *laizijaną, so noch im Gotischen als laisjan bezeugt), aber das zugehörige Ausgangsverb (Präteritopräsens) *lais „ich weiß“ (gotisch lais) ist im Laufe der Sprachentwicklung untergegangen.

Der semantische Zusammenhang ist oft noch deutlich, man vergleiche etwa trinken und tränken, wo Letzteres immer noch die Bedeutung ‚trinken machen‘ hat. In anderen Fällen verdunkelte der semantische Zusammenhang im Laufe der Sprachgeschichte. So bedeuteten ätzen ursprünglich ‚essen machen‘, beizen (‚mit einem scharfen Mittel behandeln‘ bzw. ‚Falken- oder Hundejagd betreiben‘) ursprünglich ‚beißen machen‘ und nähren ursprünglich ‚genesen machen‘. Umgekehrt bedeutete leiden ursprünglich ‚gehen‘, was in dessen Kausativ leiten, eigentlich ‚gehen machen‘, noch durchschimmert.

Wo ein formales Kausativ nicht vorhanden ist, kann mit kausativen Verben, also mit einem Hilfsverb wie machen, lassen, zwingen, bewirken ein Kausativ konstruiert werden.

Denominale Ableitungen

Kausative können auch Ableitungen von einem Adjektiv sein. Auch hier liegt eine Wortbildung vor, die mittels eines j-Infixes vonstattengegangen ist, weshalb beim Verb Umlautung auftritt. Beispiele:

GrundwortKausativ
blaubläuen (nur in der Bedeutung „blau färben“, nicht in der Bedeutung „schlagen“)
braunbräunen
dürrdörren
falschfälschen
ganz(er)gänzen
glattglätten
gram(ver)grämen
grob(ver)gröbern
groß(ver)größern
ahd. haft (vgl. nhd. -haft)heften
harthärten
hoch(er)höhen
hohl(aus)höhlen
jung(ver)jüngen
kalt(er)kälten
klarklären
krankkränken
krauskräuseln
krummkrümmen
kühlkühlen
kurzkürzen
lahmlähmen
lang(ver)längern
lautläuten
lauterläutern
nahenähern
nass(ein-/ver)nässen
offenöffnen
plattplätten
rotröten
sanft(be)sänftigen
sattsättigen
saubersäubern
sauersäuern
scharfschärfen
schmalschmälern
schmuckschmücken
schwachschwächen
schwangerschwängern
schwarzschwärzen
starkstärken
süßsüßen
taub(be)täuben
tottöten
vollfüllen
warmwärmen
zahmzähmen

Kausativ im Englischen

Im Englischen gibt es auf die gleiche Weise wie im Deutschen entstandene Wortpaare, beispielsweise drink : drench (deutsch: „trinken : durchnässen“; Letzteres etymologisch identisch mit deutsch „tränken“), fall : fell (deutsch: „fallen : fällen“), lie : lay (deutsch: „liegen : legen“), rise : raise (deutsch: „aufstehen : hochheben“) oder sit : set (deutsch: „sitzen : setzen“).

Diese aus dem Altenglischen ererbten Kausative stehen im Neuenglischen jedoch einer großen Zahl von Kausativen gegenüber, die sich phonologisch und morphologisch nicht mehr von einem Grundverb unterscheiden. Der Unterschied besteht damit einzig in der Valenzalternation. In einigen Fällen geht dies darauf zurück, dass das Grundverb das ursprüngliche Kausativ später verdrängt hat, so etwa bei sink, das heute als starkes Verb sowohl „sinken“ wie auch „versenken“ bedeutet, wogegen das alte Kausativ sench ausgestorben ist. Viel häufiger sind hingegen diejenigen Fälle, wo ursprünglich nur intransitive (starke) Verben in späterer Zeit kausative Bedeutungen entwickelt haben. Ein Beispiel hierfür ist grow, vgl. The corn grows (deutsch: „Der Mais wächst“) im Gegensatz zu The man grows corn (deutsch: „Der Mann baut Mais an“).

Kausativ in nicht-indogermanischen Sprachen

Sprachen wie das Estnische, Japanische und Koreanische besitzen eigene Endungen, um den Kausativ eines Verbs zu bilden. Im Japanischen wird dazu die Mizenkei-Form des Verbstamms verwendet sowie die Endung -seru bzw. -saseru.

Japanisch

Kausativ im Japanischen
VerbklasseVerbKausativBeispielsatz
fünfstufiges Verbtragen持つ
motsu
持たせる
motaseru
花子は健児に鞄を持たせた.
Hanako wa Kenji ni kaban o motaseta.
Hanako ließ Kenji die Tasche tragen.
einstufiges Verbessen食べる
taberu
食べさせる
tabesaseru
息子に味噌汁を食べさせた.
musuko ni misoshiru o tabesaseta.
(Ich) zwang meinen Sohn, die Misosuppe zu essen.

Türkisch

Grundsätzlich kann jedes Verb in den Kausativ überführt werden, indem das Suffix „-dir“ bzw. nach stimmlosem Konsonanten „-tir“ an den Stamm angefügt wird, wobei der Vokal der großen Vokalharmonie unterliegt, im Beispiel unten daher zum „ü“ wird. Um hier den doppelten Kausativ zu erzeugen, wird lediglich noch das Suffix „-t“ angefügt wird.

Kausativbeispiel im Türkischen
einfaches Verbeinfacher Kausativdoppelter Kausativ
sterbentöten(einen Mörder) dingen
ölmeköldürmeköldürtmek

Koreanisch

Kausativ im Koreanischen
VerbklasseVerbKausativBeispielsatz
Intransitives Verbsich ausruhen쉬다
swida
쉬게 하다
swige hada
어머니가 아이를 쉬게 했어요.
Ŏmŏni-ga ai-rŭl swige haessŏyo.
Die Mutter ließ das Kind sich ausruhen.
Transitives Verbschreiben쓰다
ssŭda
쓰게 하다
ssŭge hada
아버지가 아이에게 편지를 쓰게 했어요.
Abŏji-ga ai-ege p'yŏnji-rŭl ssŭge haessoyo.
Der Vater zwang das Kind, einen Brief zu schreiben.

Semitische Sprachen

Semitische Sprachen haben normalerweise einen oder sogar mehrere Kausativstämme. Im Hebräischen sind dies Hiphil, hebr. הִפְעִיל [hif'ʕil] und Hophal, hebr. הׇפְעַל [hɔf'ʕal], wobei das Hiphil aktiv ist, das heißt, es hat die Bedeutung „jemanden oder etwas zu einem Tun veranlassen“ und das Hophal passiv, mit der Bedeutung „von jemanden oder etwas zu einem Tun veranlasst zu werden“. Beispiele: le'echol „essen“, le'ha'achil „zu essen geben“, d. h. füttern; lir'ot „sehen“, lehar'ot „zeigen“. Siehe hierzu auch Konjugationsstämme im Hebräischen.

Im Arabischen ist der 4. Verbstamm, bei dem der erste Stammkonsonant vokallos ist, ein Kausativ-Stamm. Aus dem Verb mit der Bedeutung „machen, tun“ mit den Formen fa'ala in der Vergangenheit und yaf'alu in der Gegenwart im 1. oder Grund-Stamm, werden im 4. Stamm die Formen af'ala und yuf'ilu. Die entsprechenden Formen des Verbs „schreiben“ sind kataba und yaktubu, die zu aktaba und yuktibu werden. Die angegebenen Formen beziehen sich jeweils auf die dritte Person singular, masculinum.

Weblinks

Wiktionary: Kausativ – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Laut Etymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache ist das Grundverb nicht der althochdeutsche Vorläufer des neuhochdeutschen wachen (althochdeutsch schwach flektiertes wahhēn), sondern ein eng verwandtes germanisches, noch altenglisch bezeugtes starkes Verb (wæcnan).