Johannes Grützke

Johannes Grützke (2012)

Johannes Michael Wilhelm Grützke (* 30. September 1937 in Berlin; † 17. Mai 2017 ebenda) war ein deutscher Maler, Zeichner, Grafiker und Medailleur.

Leben und Wirken

Johannes Grützke wurde als viertes von fünf Kindern als Sohn des Geschäftsmanns Wilhelm Grützke und seiner Ehefrau Dörthe in Berlin-Karlshorst geboren. Außer während vier Jahren Kriegs- und Nachkriegswirren wuchs er in Berlin-Moabit auf.[1]

Johannes Grützke studierte von 1957 bis 1964 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin zunächst bei Hans Orlowski und danach als Meisterschüler von Peter Janssen. 1962 nahm er als Schüler an dem von Oskar Kokoschka geleiteten Kurs der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg teil. In Bad Godesberg, wohin er 1964 umzog, hatte er im selben Jahr seine erste Einzelausstellung in der Galerie Pro, die von Johannes Wasmuth geleitet wurde. Im folgenden Jahr, wieder in Berlin, gründete er das Musikensemble Die Erlebnisgeiger, mit dem er unregelmäßig öffentlich auftrat. 1973 war er Mitbegründer der Schule der neuen Prächtigkeit. 1974 veranstaltete der Neue Berliner Kunstverein die erste Grützke-Retrospektive im Schloss Charlottenburg, die anschließend im Kunstverein Freiburg, in der Kunsthalle Nürnberg und dem Mannheimer Kunstverein ausgestellt wurde. Im selben Jahr wurde ebenfalls vom Neuen Berliner Kunstverein die erste Gemeinschaftsausstellung der Schule der neuen Prächtigkeit ausgerichtet. 1986 wurde ihm der Kunstpreis der Heitland Foundation, Celle verliehen.

Außer als Maler, Zeichner und Druckgrafiker arbeitete Grützke auch als Bühnenbildner für das Theater. 1979 begann eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Zadek. Von 1985 bis 1988 war er dessen künstlerischer Berater am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und stattete verschiedene Inszenierungen aus, darunter die legendäre Urfassung von Lulu von Frank Wedekind, Jehoschua Sobols Ghetto und Weiningers Nacht sowie am Wiener Burgtheater Shakespeares Der Kaufmann von Venedig (auch Kostüme, Bühne gemeinsam mit Wilfried Minks).

Grützke lehrte 1976/1977 als Gastdozent an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, 1987 kehrte er, diesmal als Dozent in Nachfolge seines ehemaligen Lehrers Oskar Kokoschka, an die Internationale Sommerakademie Salzburg zurück. Im Jahr 1990 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Künstlersonderbundes in Deutschland. Von 1992 bis 2002 war er Professor für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Johannes Grützke war Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg.

Grab Johannes Grützke, Dorotheenstädtischer Friedhof, Berlin

Von November 2011 bis April 2012 fand in der Reihe „Werke und Dokumente“ des Deutschen Kunstarchivs im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg eine umfassende Ausstellung seiner Werke unter dem Titel Die Retrospektive statt. Damit verbunden vermachte Grützke dem Museum einen Vorlass.[2] 2012 war im Marburger Kunstverein eine Auswahl von Malerei, Zeichnungen, Pastelle und eine Skulptur des Künstlers aus der Sammlung Horn zu sehen.[3] Unter dem Titel „die ganze Welt in meinem Spiegel“ zeigte das Stadtmuseum Berlin 2012 anlässlich der Verleihung des Hannah-Höch-Preises des Landes Berlin 2012 eine Retrospektive seiner Arbeiten aus fünf Jahrzehnten.[4] 2013 wurden Werke von Grützke im Rahmen der Ausstellung „Jacob Jordaens und die Moderne“ im Fridericianum in Kassel ausgestellt.

Grützke war in dritter Ehe mit der Pariser Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy verheiratet. Der Ehe entstammen zwei Kinder.[5]

Johannes Grützke starb am 17. Mai 2017 im Alter von 79 Jahren in Berlin[6] und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden in der Berliner Chausseestraße Nr. 126.[7]

Stilistische Positionierung

Johannes Grützke war Mitbegründer und bekanntester Maler der Schule der neuen Prächtigkeit. Er malte in einem figurativen, sehr eigenständigen Stil. Die von ihm dargestellten Personen und die Szenen, in die er sie stellte, wirken ironisch überzeichnet. Als Porträtist idealisierte er seine Modelle nicht, sondern versuchte, sich durch Verzerrung der Charakteristik und Physiognomie des Dargestellten zu nähern. Das Stadtmuseum Berlin schrieb: „Seine Bilder sind ironische Reflexionen historischer, mythologischer und religiöser Stoffe, bizarre Beschreibungen sozialen Verhaltens sowie schonungslose Selbstbefragungen“.[8]

Auszeichnungen

Wichtige öffentliche Werke

Wandbilder

Grützkes Heckerdenkmal am Konstanzer Stadthaus
Aus der Geschichte der Unfallchirurgie (Ausschnitt)

Werke im Besitz öffentlicher Sammlungen[10]

Ausstellungen

Medaillenarbeiten

  • Bronzegussmedaille auf James Simon. Vorderseite: Kopfbildnis dreiviertel nach r. Rückseite: Sieben Zeilen Text: Ein Mensch / ist nicht mehr / als ein anderer, / wenn er nicht / mehr tut als / ein anderer. / Cervantes. Literatur: Numismatisches Nachrichtenblatt Nr. 10, 2006, pp. 449–450, Abbildung
  • in: Ulf Dräger, Andrea Stock: Die Welt »en miniature«: Deutsche Medaillenkunst heute, 2000–2006. Stiftung Moritzburg, Halle 2007, ISBN 978-3-937751-54-2,(Die Kunstmedaille in Deutschland. Bd. 23, anlässlich der Ausstellung Die Welt "en Miniature". 2000–2006, 15. Juli–7. Oktober 2007 in der Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt).

Zitate

  • „Ein Maler, der es ernst meint, nennt sich Maler, und was er macht, ist Malerei.“
  • „Der Pinsel ist mein Forschungswerkzeug, so, wie der Begriff beim Philosophen. Das Bild ist nicht das Ziel, sondern Abfall meiner Forschungsarbeit.“
  • „Meine Bilder sind Ausdruck meiner persönlichen Erfahrungen, […] und ich dokumentiere in meinen Bildern, stellvertretend für Viele, allgemeine Erfahrungen. […] Mit Hilfe eines Ausschnittes aus der Realität male ich die gesamte Realität. Die mich umgebende kleine Realität […] ist stellvertretend für die gesamte große Realität. Demzufolge ist meine Person stellvertretend für alle Personen.“
  • „Nicht vor dem Malen denken, Malen ist Denken.“
  • „Kunst ist nicht modern, sondern immer.“
  • „Wer mich kennt, der hat Glück. Wer Glück hat, liebt. Ich liebe Euch. Weil ich mich selber liebe.“
  • „Der Pinselstrich auf einer Leinwand, ist nur dann ein Pinselstrich, wenn er nur ein Pinselstrich ist. Er ist mehr wenn er mehr ist als ein Pinselstrich. Also, er ist ja nicht mehr, sondern er wird mehr durch seine Suggestions Kraft.“

Literatur

  • Klaus Gallwitz (Hrsg.): Johannes Grützke. Paulskirche. Der Zug der Volksvertreter, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3458330593
  • Johannes Grützke, Tilman Lehnert: 30 Jahre Bohren. ISBN 978-3-95732-023-0 (Vorzugsausgabe), ISBN 978-3-95732-022-3
  • Jutta Bacher: Johannes Grützke – Selbstverständlich, Aachen/Leipzig/Paris 1995, ISBN 3039549073
  • Verzeichnis der Druckgraphik von Johannes Grützke Nr. 1 1958–1963. Hrsg. Ladengalerie Berlin u. Andreas Pospischil, Berlin 2011, ISBN 3-926460-92-X
  • Eduard Beaucamp und Simon Elson: Johannes Grützke "Kunst ist nicht modern, sondern immer", Junge Kunst, Band 4, München 2012, ISBN 3943616037
  • Georg Reinhardt (Hrsg.): Johannes Grützke: Farbige Zeichnungen und Druckgraphik. Berlin 1999, ISBN 3-926460-69-5
  • Bernhard Holeczek: Johannes Grützke, Druckgraphik 1964–1978. Städtische Galerie Wolfsburg 1978
  • Deutsche Radierer der Gegenwart. Kunstverein Darmstadt, Darmstadt 1982, ISBN 3-7610-8121-9, S. 78f.
  • Johannes Grützke: Werkverzeichnis der Druckgraphik 1998–2015, Nr. 351–Nr. 598. Hrsg. Andreas Pospischil, Valentin Müller, Ladengalerie Müller, Berlin 2016, ISBN 978-3-945208-04-5
  • Diethelm Kaiser und Bénédicte Savoy (Hrsg.): Die Schule der Neuen Prächtigkeit. Berlin 2009, ISBN 978-3-89479-579-5
  • Bernhard Holeczek: Johannes Grützke. Werkverzeichnis der Gemälde 1964–1977. Sydow Fine Art, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-921520-03-7
  • Johannes Grützke, Christoph Haupt: Bongs Stall. ISBN 978-3-95732-024-7
  • Birgit Jooss: Johannes Grützke. Der Blick aus dem Bild. Werke aus der Sammlung Böckmann. Hrsg. von Thomas Heyden und Simone Schimpf, Neues Museum Nürnberg, Wien 2022
  • Johannes Grützke – Zu Gast bei Tübke. Mit einem Beitrag von Johannes Grützke, Edition Galerie Schwind, Leipzig 2007
  • Johannes Grützke, Tilman Lehnert: Pauvre Bobo. Ein Konvolut. ISBN 978-3-95732-021-6
  • Johannes Grützke, Tilman Lehnert: Der Frauentunnel. ISBN 978-3-95732-020-9
  • Birgit Jooss (Bearb.): Johannes Grützke. Die Retrospektive, Nürnberg 2011
  • Johannes Grützke: Werkverzeichnis der Druckgraphik Nr. 3 1978–1998. Hrsg. Ladengalerie Berlin, Berlin 1998, ISBN 3-926460-61-X

Weblinks

Commons: Johannes Grützke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. "Malen ist Trieb". In: Die Welt, 23. Mai 2003
  2. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
  3. Marburger Kunstverein: Johannes Grützke, 2012 (Memento vom 30. Juni 2012 im Internet Archive)
  4. Internetseite Stadtmuseum Berlin
  5. Kunsthistorikerin und Expertin für Raubkunst Bénédicte Savoy. WDR 5 Tischgespräch. In: WDR 5. 8. September 2020, abgerufen am 26. September 2020.
  6. Maler Johannes Grützke gestorben (Memento vom 25. Mai 2017 im Internet Archive)
  7. Klaus Nerger: Das Grab von Johannes Grützke. In: knerger.de. Abgerufen am 29. Januar 2023.
  8. Internetseite Stadtmuseum Berlin
  9. Johannes Grützke: Wandbild für das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhauses Hamburg, 2. Auflage. Gifkendorf 2004.
  10. artfacts.net: Grützke im Besitz öffentlicher Sammlungen

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Porträt von Johannes Grützke, deutscher Maler und Zeichner.
KN Heckerbild (cropped).jpg
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Ostfassade des Stadthauses von Konstanz (ehem. Franziskanerkirche), Balkon und Relief des Heckerzuges. Das Relief wurde von Johannes Grützke 1996/98 gestaltet. In der Mitte Friedrich Hecker als Volkstribun, links die ablehnenden Städter, rechts der Heckerzug.
Das Grabmal vom Johannes Grützke auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.png
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marmorkopf (selbstbildnis von johannes grützke) auf einem sockel mit inschrift
Osteosynthese, Bismarck (Grützke).jpg
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Ausschnitt aus dem Wandbild im Hörsaal des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Hamburg: „Aus der Geschichte der Unfallchirurgie“. Carl Hansmann hält eine Lochschiene für die Osteosynthese in die Höhe. Bernhard von Langenbeck zeigt eine von außen anzuschraubende Schiene. Reichskanzler Otto v. Bismarck ist als Vater der Sozialversicherung zugegen.