Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte

Logo des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Abkürzung IAGMR, englisch Inter-American Court of Human Rights, kurz IACHR, auch IACtHR) ist ein internationales Gericht mit Sitz in San José, Costa Rica, das 1979 auf Grundlage der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) gegründet wurde. Gemeinsam mit der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte hat er die Aufgabe, die völkerrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte in den Ländern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) durchzusetzen. Da die USA, Kanada und auch viele Karibikanrainerstaaten die AMRK nicht ratifiziert haben, wird das Interamerikanische System für Menschenrechte, das aus der Konvention und dem Gerichtshof besteht, auch als lateinamerikanisches System bezeichnet.

Beratende Funktion

Der Gerichtshof untersucht und beantwortet Anfragen, die von OAS-Organen oder -Mitgliedsstaaten bezüglich der Interpretation der Menschenrechtskonvention oder anderer, die Menschenrechte betreffenden Institutionen, gestellt werden. Er ist auch befugt, Ratschläge zu innerstaatlichen Gesetzen und Gesetzesentwürfen zu geben und zu untersuchen, ob sie im Einklang mit der Amerikanischen Menschenrechtskonvention stehen. Anfragen dieser Art gehen vergleichsweise selten ein, bis einschließlich 2016 waren es 22 Anfragen.[1]

Schiedsgerichtsfunktion

Mitgliedsstaaten des IAGMR (2018)

Wenn ein Staat, der die AMRK ratifiziert hat, einer diesbezüglichen Verletzung angeklagt wird,[2] muss der Gerichtshof entscheiden.

Die Staaten, die die AMRK ratifiziert haben, unterliegen nicht automatisch der streitigen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs, sondern erst durch eine gesonderte Anerkennung. Von den 24 AMRK-Mitgliedern haben dies 21 getan. Es fehlen Dominica, Grenada und Jamaika. Zurzeit haben lediglich Argentinien, Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, Chile, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Suriname, Uruguay und Venezuela zugestimmt, sich allen Entscheidungen des Gerichtshofs zu unterwerfen. Die anderen Staaten müssen zu jedem (sie betreffenden) Urteil einzeln zustimmen.

Das Verfahren wird zunächst durch eine schriftliche Eingabe, die die Fakten des Falls, dessen Opfer, die Beweise und Zeugen benennt, eröffnet. Danach wird der Fall (falls er akzeptiert wird) im Beisitz von 5 Richtern verhandelt. Gegen die Urteile kann kein Einspruch erhoben werden (es gibt allerdings eine 90-tägige Frist für ein „Ersuchen um Interpretation“).

Zusammensetzung

Wie in Kapitel VIII der Konvention festgehalten, besteht der Gerichtshof aus sieben Richtern „der höchsten moralischen Autorität“ aus den Mitgliedsstaaten der OAS. Sie werden von der Generalversammlung der OAS für eine sechsjährige Periode gewählt und können einmal wiedergewählt werden, wobei kein Staat zwei Staatsbürger zugleich im Gerichtshof haben kann.

Ein angeklagter Staat ohne „eigenen“ Richter kann verlangen, dass einer seiner Staatsbürger als Ad-hoc-Richter seinen Fall mitverhandelt.

Richter

Sitzungssaal des IAGMR (2017)
Richter des IAGMR bei einer öffentlichen Sitzung (2017)

Der Gerichtshof hatte bzw. hat folgende Richter:

PositionNameHerkunftslandAmtszeit
PräsidentRoberto de Figueiredo CaldasBrasilien Brasilien2013–2018
VizepräsidentEduardo Ferrer Mac-Gregor PoisotMexiko Mexiko2013–2018
RichterEduardo Vio GrossiChile Chile2016–2021
RichterHumberto Sierra PortoKolumbien Kolumbien2013–2018
RichterinElizabeth Odio BenitoCosta Rica Costa Rica2016–2021
RichterEugenio Raúl ZaffaroniArgentinien Argentinien2016–2021
RichterPatricio Pazmiño FreireEcuador Ecuador2016–2021

Frühere Richter

JahrHerkunftslandRichterPräsidentschaft
1979–1981Kolumbien KolumbienCésar Ordóñez
1979–1985Venezuela VenezuelaMáximo Cisneros Sánchez
1979–1985Jamaika JamaikaHuntley Eugene Munroe
1979–1985Honduras HondurasCarlos Roberto Reina1981–1983
1979–1989Costa Rica Costa RicaRodolfo E. Piza Escalante1979–1981
1979–1989Venezuela VenezuelaPedro Nikken1983–1985
1979–1991Vereinigte Staaten Vereinigte StaatenThomas Buergenthal1985–1987
1981–1994Kolumbien KolumbienRafael Nieto Navia1987–1989, 1993–1994
1985–1989Honduras HondurasJorge R. Hernández Alcerro
1985–1990Uruguay UruguayHéctor Gros Espiell1989–1990
1985–1997Mexiko MexikoHéctor Fix-Zamudio1990–1993, 1994–1997
1989–1991Honduras HondurasPolicarpo Callejas
1989–1991Venezuela VenezuelaOrlando Tovar Tamayo
1989–1994Costa Rica Costa RicaSonia Picado Sotela
1990–1991Argentinien ArgentinienJulio A. Barberis
1991–1994Venezuela VenezuelaAsdrúbal Aguiar Aranguren
1991–1997Nicaragua NicaraguaAlejandro Montiel Argüello
1991–2003Chile ChileMáximo Pacheco Gómez
1991–2003Ecuador EcuadorHernán Salgado Pesantes1997–1999
1998–2003Kolumbien KolumbienCarlos Vicente de Roux-Rengifo
1995–2006Barbados BarbadosOliver H. Jackman
1995–2006Venezuela VenezuelaAlirio Abreu Burelli
1995–2006Brasilien BrasilienAntônio Augusto Cançado Trindade1999–2003
2001–2003Argentinien ArgentinienRicardo Gil Lavedra
2004–2009Mexiko MexikoSergio García Ramírez2004–2007
2004–2009Chile ChileCecilia Medina Quiroga2008–2009
2004–2015Costa Rica Costa RicaManuel Ventura Robles
2004–2015Peru PeruDiego García-Sayán2010–2013
2007–2012Jamaika JamaikaMargarette May Macaulay
2007–2012Dominikanische Republik Dominikanische RepublikRhadys Abreu Blondet
2007–2012Argentinien ArgentinienLeonardo A. Franco
2010–2015Uruguay UruguayAlberto Pérez Pérez

Bisherige Rechtsprechung

Der erste behandelte Fall in der Geschichte des Gerichtshofs war die Entscheidung Asunto de Viviana Gallardo y otras. Bisher wurden vom Gerichtshof 336 streitige Fälle entschieden (Stand: August 2017).[3] Die Themenschwerpunkte waren Justizgrundrechte sowie Verstöße gegen die Interamerikanische Antifolterkonvention. In 113 der 120 ersten entschiedenen Fälle wurde, neben anderen Rechtsverletzungen, eine Verletzung der allgemeinen Schutzpflicht aus Art. 11 AMRK (Schutz der Ehre) festgestellt. Außerdem waren Rechtssicherheit, Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, die Achtung des Lebens und die Gedanken- und Meinungsfreiheit häufige Streitpunkte.[4]

Auswahl verhandelter Fälle:

Obwohl die Urteile des Gerichtshofes bindend sind, hat dieser keine effektiven Durchsetzungsmöglichkeiten, die mit denen der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vergleichbar wären. Einmal im Jahr erstattet der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte der Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Bericht, inwieweit seine Urteile von den Mitgliedsstaaten vollzogen wurden. Bislang hat die OAS allerdings kaum Druck auf ihre Mitglieder ausgeübt, die Urteile zu vollstrecken.[6]

Literatur

  • Inter-American Court of Human Rights: Annual Report of the Inter-American Court of Human Rights 2016. San José de Cosa Rica 2017.

Weblinks

Commons: Inter-American Court of Human Rights – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Inter-American Court of Human Rights: Annual Report of the Inter-American Court of Human Rights 2016. San José de Cosa Rica 2017, S. 23.
  2. Dies kann nur von der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte oder einem Mitgliedstaat erfolgen, aber – im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – nicht von Staatsbürgern oder zivilgesellschaftlichen Organisationen der Mitgliedstaaten.
  3. Casos Contenciosos, abgerufen am 11. August 2017.
  4. Steiner, Christian/Leyers, Simone (2010): Impulsgeber für einen effektiven Grundrechtsschutz: Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte. In: KAS-Auslandsinformationen 07/2010, S. 9–10.
  5. Oscar Lopez: International Court Rules in Favor of Trans Rights in Honduras. In: The New York Times. 29. Juni 2021, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 31. Dezember 2021]).
  6. Ebd. S. 11.

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Die Flagge der Dominikanischen Republik hat ein zentriertes weißes Kreuz, das bis zu den Rändern reicht. Dieses Emblem ähnelt dem Flaggendesign und zeigt eine Bibel, ein Kreuz aus Gold und sechs dominikanische Flaggen. Um den Schild herum sind Oliven- und Palmzweige und oben am Band steht das Motto "Dios, Patria, Libertad" ("Gott, Land, Freiheit") und zur liebenswürdigen Freiheit. Das Blau soll für Freiheit stehen, Rot für das Feuer und Blut des Unabhängigkeitskampfes und das weiße Kreuz symbolisierte, dass Gott sein Volk nicht vergessen hat. "Dominikanische Republik". Die dominikanische Flagge wurde von Juan Pablo Duarte, dem Vater der nationalen Unabhängigkeit der Dominikanischen Republik, entworfen. Die erste dominikanische Flagge wurde von einer jungen Dame namens Concepción Bona genäht, die in der Nacht des 27. Februar 1844 gegenüber der Straße von El Baluarte, dem Denkmal, an dem sich die Patrioten versammelten, um für die Unabhängigkeit zu kämpfen, wohnte. Concepción Bona wurde von ihrer Cousine ersten Grades unterstützt Maria de Jesús Pina.
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