Industriemuseum Chemnitz

Industriemuseum Chemnitz

Luftaufnahme,
links der Museumsbereich, rechts das Depot
Daten
OrtChemnitz, Zwickauer Straße 119
ArchitektC. A. Pauli und P. Wermund (Anpassbauten)
Eröffnung2003
(1992 Provisorium)
Betreiber
Land Sachsen
Website
ISILDE-MUS-418911
Industriemuseum Chemnitz – Straßenansicht

Das Industriemuseum Chemnitz ist eine umfangreiche Sammlung aus der sächsischen Industriegeschichte in Chemnitz und gehört als Standort dem Zweckverband[1] Sächsisches Industriemuseum an. Die Ausstellung befindet sich in einer ehemaligen Gießereihalle der früheren Werkzeugmaschinenfabrik Hermann und Alfred Escher AG.

Geschichte des Standortes

Die Brüder Bernhard und Hermann Escher gründeten 1874 in Chemnitz einen Werkstattbetrieb zur Herstellung von Drehbänken und Werkzeugmaschinen. Ab 1880 gingen die Brüder unternehmerisch getrennte Wege. Hermann Escher übernahm 1895 die Rockstrohsche Gießerei an der Zwickauer Straße. Auf dem Gießereigelände waren seit 1857 bereits verschiedene Firmen, überwiegend Textilfabriken, ansässig. Nach der Übernahme durch Hermann Escher erfolgte eine stetige bauliche Erweiterung. Im Jahr 1907 wurde eine moderne Gießereihalle mit einer Arbeitsfläche von 4500 m² errichtet, in der in zwei Kupolöfen etwa 6000 Tonnen Maschinenguss pro Jahr hergestellt werden konnten. In einer benachbarten Montagehalle (errichtet 1897) erfolgte die Produktion von Leitspindel- und Plandrehbänken, Hobel- und Bohrmaschinen sowie von Dampfmaschinen. Die Wirtschaftskrise nach dem Ende des Ersten Weltkrieges führte dazu, dass die Gießerei 1925 geschlossen werden musste. Die Deutsche Niles-Werke AG Berlin übernahm schließlich die Eschersche Werkzeugfabrik 1929/30, die Gießereihalle diente nun als Lagerhalle.

Im Zweiten Weltkrieg nahm die Auto Union AG den Gießerbetrieb am alten Standort wieder auf und produzierte hier Gehäuse für Panzer-Motoren. Nach Kriegsende, 1946 erfolgte die vollständige Demontage des Rüstungsbetriebes, gefolgt von einem Wiederaufbau zu neuen Produktionszwecken. Zu DDR-Zeiten firmierte die Gießerei als Teilbetrieb des VEB Vereinigte Chemnitzer Gießereien und war nach dem KPD-Funktionär Rudolf Harlaß benannt. Nach der Inbetriebnahme einer neuen Zentralgießerei in Chemnitz-Wittgensdorf wurde die Gießerei 1982 stillgelegt und das Areal zum Abbruch vorbereitet.

Blick auf die ehemalige Gießerei Carl August Richter, die von 1992 bis 2002 das erste Chemnitzer Industriemuseum beherbergte

Umnutzung als Museumsstandort

Die Wende verhinderte die bereits vorbereitete Sprengung der Industrieanlagen. Stattdessen beschloss der Chemnitzer Stadtrat 1996, dort ein zentrales Industriemuseum einzurichten. Zuvor war bereits 1992 unter maßgeblicher Initiative des Fördervereins Industriemuseum Chemnitz e. V. in den Gebäuden der ehemaligen Eisengießerei Carl August Richter an der Annaberger Straße ein erstes Industriemuseum mit einer kleinen Ausstellung eröffnet worden (1994 und 1995 erweitert und 2003 geschlossen).

Nach dem Erwerb des Geländes der ehemaligen Werkzeugmaschinenfabrik Hermann und Alfred Escher AG sanierte die Stadt ab 1999 schrittweise das Gelände als neuen Museumsstandort. Montagehalle und weitere Nebengebäude wurden abgerissen, die Gießereihalle und das benachbarte Maschinenhaus als zentraler und authentischer Kernbereich blieben erhalten.

Insgesamt verfügt das Museum über etwa 30.000 Ausstellungsstücke in 21 Themenfeldern. Davon werden etwa 850 ausgestellt.[2] Im Bestand finden sich fast 500 Werkzeug- und 50 Holzbearbeitungsmaschinen. Jährlich erhält das Museum einen Zuschuss von circa 2,2 Millionen Euro. Die Besucherzahlen pro Tag schwanken zwischen 30 und über 3500 Gästen an Aktionstagen. Im Juni 2023 konnte der millionste Besucher begrüßt werden.[3]

Architektur

Detail der Rundbogenarchitektur der ehemaligen Gießereihalle Werkzeugmaschinenfabrik Hermann und Alfred Escher AG, seit 2003 Sitz des Museums

Beide Gebäude sind architektonisch bemerkenswerte Sachzeugen der Industriearchitektur. Die Gießereihalle besteht aus vier Hallenschiffen von jeweils 14 Meter Breite und 52 Meter Länge. Die Ziegelaußenwände sind mit Klinker verkleidet. Das Dach ist als Sheddach ausgebildet. Der Backsteinbau tritt insbesondere zur Zwickauer Straße hin mit einer sehenswerten Rundbogenarchitektur in Erscheinung.

Ein neuer Verbindungsbau zwischen Gießerei und Maschinenhaus bildet den Haupteingang des Museums. Der Entwurf des neuen Museums stammt vom Berliner Architekten C. A. Pauli und P. Wermund. Die Eröffnung des neuen Museums fand im April 2003 statt.

Ausstellungen

Dauerausstellung

Die Exponate der Dauerausstellung vermitteln die technische Entwicklung sowie Zusammenhänge mit der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Sachsens. Das zeitliche Spektrum geht vom Ende des 18. Jahrhunderts, dem Beginn der Industrialisierung in Sachsen, aus und endet in der Gegenwart.

Seit 2014/2015 ist die Ausstellung in Themenfelder untergliedert, die einen Einblick in die wichtigsten Bereiche der sächsischen Industriegeschichte, angefangen vom Bergbau und der Textilindustrie bis hin zum Maschinenbau und der modernen Automobilfabrikation, gewährt und ebenso über die sozialen Folgen der Industrialisierung informiert. Die Umgestaltungskosten beliefen sich auf ca. zwei Millionen Euro.[4]

Das Museum ist Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH).

Zu den Hauptattraktionen der Dauerausstellung zählen:

  • das Silberne Band der sächsischen Industriegeschichte mit Glanzlichtern der sächsischen Industrieproduktion, darunter Kraftfahrzeuge, Motor- und Fahrräder sowie Textil-, Schreib- und Rechenmaschinen,
  • der DKW-Turm mit einer Sammlung von DKW-Autos und Motoren, u. a. mit einem Schnittmodell eines DKW F 7,
  • eine moderne Karosserieschweißanlage mit Industrierobotern aus dem beginnenden 21. Jahrhundert,
  • eine funktionstüchtige, über Transmissionen betriebene Schlosserwerkstatt einer Färberei aus dem frühen 20. Jahrhundert,
  • ein Dampfhammer der Sächsischen Maschinenfabrik von 1923,
  • eine Lokomotive der Baureihe 98.0.

Darüber hinaus ist im Maschinenhaus eine funktionsfähige Dampfmaschine der Firma Germania aus dem Jahr 1896 ausgestellt. Das mit historischen Wandgemälden repräsentativ ausgestaltete Maschinenhaus entstand in dieser Form vermutlich nach dem Erwerb der Gießerei um 1907 durch die Schubert & Salzer AG und soll den Stolz des Unternehmertums zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen.

Sonderausstellungen (Auswahl)

Temporäre thematische Sonderausstellungen:[5]

  • 2017: Mode & Mobile. Objekte von Ursula Hauptmann-König, Schneidermeisterin aus Freital, aus dem Bestand des Industriemuseums[6]
  • 2019: Das Herz von Chemnitz. 220 Jahre Industriekultur. Beitrag des Industriemuseums Chemnitz zum Stadtjubiläum 875 Jahre Chemnitz[7]
  • 2019: Ich bin ganz von Glas Marianne Brandt und die gläserne Kunst von heute[8]
  • 2020: MaschinenBoom ein Schauplatz der 4. Sächsischen Landesausstellung[9]
  • 2023: Kreatives Sachsen[10]

Auszeichnungen

Im Jahr 2005 erhielt das Industriemuseum Chemnitz den Europäischen Museumspreis.[11][12]

Literatur

  • Bernd Sikora: Industriearchitektur in Sachsen. Erhalten durch neue Nutzung. Hrsg. von dem Deutschen Werkbund Sachsen e. V. Mit Fotografien von Bertram Kober und einem Beitrag von Helmuth Albrecht. Edition Leipzig, Leipzig 2010, ISBN 978-3-361-00654-6.
  • Bauten der Technik und Industrie (= Schriftenreihe für Baukultur, Architektur, Denkmalpflege. Reihe B: Besonders gefährdete Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen. Bulletin 3). Hrsg. vom Sächsischen Staatsministerium des Innern. In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen. Dresden 1996, ISBN 3-930380-04-8.
  • 25 Jahre Industriemuseum Chemnitz. Industrie im Wandel erleben (= Industriearchäologie. Band 17). Hrsg. von Oliver Brehm, Jürgen Kabus. Industriemuseum Chemnitz, Sächsisches Industriemuseum, Chemnitz [2016], ISBN 978-3-934512-32-0.

Weblinks

Commons: Industriemuseum Chemnitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zweckverband Sächsisches Industriemuseum. In: saechsisches-industriemuseum.com, abgerufen am 8. November 2020.
  2. Klara Behner und Sibel Nergiz: Die verborgenen Schätze des Industriemuseums in Chemnitz. In: Freie Presse. Chemnitz 15. April 2023 (kostenpflichtig online [abgerufen am 15. Juli 2023]).
  3. Michael Rothe: Das Grüne Gewölbe von Sachsens Industrie. In: Sächsische Zeitung. 15. Juli 2023 (wirtschaft-in-sachsen.de [abgerufen am 15. Juli 2023]).
  4. Pressestelle Stadt Chemnitz: Neue Dauerausstellung im Industriemuseum öffnet ab Samstag für Besuche. Pressemitteilung 305. In: chemnitz.de. Stadt Chemnitz, 12. Juni 2015, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 11. Juli 2018.
  5. Archiv Sonderausstellungen. In: saechsisches-industriemuseum.com, abgerufen am 8. November 2020.
  6. Mode & Mobile. In: saechsisches-industriemuseum.com. Abgerufen am 1. November 2019.
  7. Das Herz von Chemnitz. In: saechsisches-industriemuseum.com. Abgerufen am 1. November 2019.
  8. ‘Ich bin ganz von Glas’. In: saechsisches-industriemuseum.com. Abgerufen am 1. November 2019.
  9. MaschinenBoom. | 11. Juli – 31. Dezember 2020. Schauplatz der 4. Sächsischen Landesausstellung. In: saechsisches-industriemuseum.com, abgerufen am 8. November 2020.
  10. werkschau 21. 2021, abgerufen am 13. Juli 2023.
  11. Europa-Preis für Industriemuseum. In: sachsen-fernsehen.de, 26. Mai 2016, abgerufen am 8. November 2020.
  12. Leitbild des Sächsischen Industriemuseums Chemnitz. Sächsisches Industriemuseum Chemnitz – Kompetenzzentrum für sächsische Industriekultur und Marketingplattform der sächsischen Wirtschaft. In: saechsisches-industriemuseum.com, abgerufen am 8. November 2020.

Koordinaten: 50° 49′ 26,7″ N, 12° 53′ 58,8″ O

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Industriemuseum Chemnitz: Schwamkrug-Turbine. Die von Friedrich Wilhelm Schwamkrug konstruierte Gleichdruckturbine war speziell für den Einsatz im Bergbau und Gefälle von über 100 Meter vorgesehen. Dabei handelt es sich um eine langsam laufende Turbine, die mit ihrem Arbeitstempo an die langsam arbeitenden Kolbenpumpen-Kunstgezeuge angepasst war. Schwamkrug konstruierte folglich eine Turbine mit großem Umfang, die nur mit einer kleinen Menge Aufschlagwasser arbeitete, wobei diese Wassermenge auch nur partiell auf die Beschaufelung traf.
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Industriemuseum Chemnitz: Dampflokomotive der Gattung I TV (Sächsische I TV), von der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn für den Betrieb auf der Windbergbahn beschafft, in der Deutschen Reichsbahn als Baureihe 98.0 bezeichnet, die 98 001 (ex I TV 1394) blieb bis heute erhalten und gehört zum Bestand des Verkehrsmuseums Dresden, sie befindet sich als Leihgabe im Sächsischen Industriemuseum in Chemnitz.