Hausbuch des Michael de Leone

Das Hausbuch des Michael de Leone, auch Würzburger Liederhandschrift genannt, ist eine deutsch-lateinische Sammelhandschrift, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Würzburg entstanden und von dem Würzburger Protonotar Michael Jude, genannt Michael de Leone (um 1300 – 1355)[1] herausgegeben worden ist. In der germanistischen Mediävistik wird sie mit der Sigle E bezeichnet.

Beschreibung

Bei der sogenannten Würzburger Liederhandschrift handelt es sich um den zweiten Band des Hausbuchs des Michael de Leone. Der um 1300 in Würzburg geborene Michael de Leone (ursprünglich Michael Jude[2] bzw. Michael Judde aus Mainz genannt) begann seine Karriere als kaiserlicher Notar in Würzburg nach seinem Studium an der Universität Bologna. Später arbeitete er dort als bischöflicher Protonotar. Nachdem er diesen Posten verlassen hatte, wurde er Scholastiker des Stifts Neumünster. Er erwarb in Würzburg 1332 den „Hof zum großen Löwen“ (in der heutigen Dominikanergasse[3]), nach welchem er sich später benannte. Dieser diente als Familiensitz für ihn und seine Nachfahren. Das von ihm in Auftrag gegebene Hausbuch entstand zwischen 1345 und 1354 mutmaßlich mit der Intention, ein Nachschlagewerk für seine Nachfahren zu schaffen. Das Hausbuch sollte jeweils in den Besitz des aus der Familie stammenden Eigentümers des Löwenhofes übergehen. Es wurde, koordiniert durch Gyselher, den Schreiber Michaels,[4] 1350 vorläufig fertiggestellt, aber in den folgenden Jahren noch laufend ergänzt. Einige der Nachträge stammen sogar aus der Zeit nach dem Tode Michaels de Leone 1355. Ursprünglich bestand das Hausbuch aus 33 Kapiteln, auf zwei Bände aufgeteilt. Das erste Kapitel des ersten Bandes wurde auch in den zweiten Band übertragen. Heute ist der erste Band verloren, es existieren nur noch einige Fragmente und Abschriften in anderen Schriften davon, zudem ist sein Inhaltsverzeichnis auch in dem noch erhaltenen zweiten Band aufgeführt. Der erste Band enthielt unter anderem den Der Renner von Hugo von Trimberg, eine beinahe 17.000 Verse umfassende Lehrdichtung.

Von Band 2, der Würzburger Liederhandschrift, sind heute noch 285 Pergamentblätter im Format 34,5 × 26,5 cm erhalten. Die Texte sind in gotischer Buchschrift, mit roter sowie schwarzer Tinte zweispaltig geschrieben und mit zusätzlichen Hinweisen, Überschriften und Kapitelzahlen versehen. An dem Schriftbild lässt sich erkennen, dass mehr als zwölf Schreiber daran gearbeitet haben. Michael de Leone war aktiv an der Gestaltung des Hausbuches beteiligt, was durch seine Randnotizen belegt wird. Die Handschrift enthält eine Sammlung mittelalterlicher deutscher und lateinischer Literatur, so zum Beispiel Gebete, Merkverse, Sentenzen und Rätsel. Bekannt (und deshalb auch so benannt) ist die Würzburger Liederhandschrift jedoch vor allem, weil sie auch Werke der mittelalterlichen Lyriker Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten enthält. Insgesamt sind 376 Strophen der beiden Sänger überliefert, von denen einige in anderen Codices allerdings anderen Sängern zugesprochen werden. Denn obwohl jedem Lied der Autorenname vorangestellt ist, ist keine konstante Ordnung durchgeführt. Von der Liedersammlung fehlen sieben Blätter, was 50 weiteren Strophen entspricht.

Karl Lachmann hat für die Strophen 342–376 der beiden Sänger die Bezeichnung Sigle e eingeführt, geläufiger ist allerdings die Sigle E für die gesamte Liederhandschrift. Heute wird die Würzburger Liederhandschrift in der Universitätsbibliothek München aufbewahrt und hat die Signatur 2° Cod. ms. 731. Ein vollständiges Faksimile des Hausbuches sowie verschiedene Teilfaksimiles sind bereits herausgegeben worden.

Inhalt des Zweiten Bandes (Auswahl)

  • Register zu beiden Bänden[5]
  • ABC, Gebete
  • Freidank (Bescheidenheit)
  • Lateinische Verse
  • Grabinschriften
  • Konrad von Würzburg (Die goldene Schmiede, Das Turnier von Nantes)
  • Die Welt
  • Honorius Augustodunensis (Elucidarium, Lucidarius)
  • Daz buoch von guoter spise, das erste Kochbuch in deutscher Sprache
  • Regimen sanitatis
  • Weitere Diätetische Regeln und Aderlassvorschriften
  • Die sechs Farben
  • Liedersammlung
  • Der König von Odenwald
  • Lateinische Verse
  • Gedichte
  • Sprüche
  • Pestschriften
  • Reden
  • Pseudoaristotelische 'Physiognomie
  • Würzburger Polizeisätze v. J. 1341–42, 1342, 1343 dt.
  • Hermann von Schildesche
  • De laudibus gestis Ottonis Wolfskehl
  • Weitere Texte

Siehe auch

Literatur

  • Walther Killy (Hrsg.): Literatur Lexikon. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh 1992, ISBN 3-570-03712-6
  • Christa Bertelsmeier-Kierst: Das >Hausbuch< des Michael de Leone. Zu Programm und Struktur der Sammlung. In: Horst Brunner (Hrsg.): Würzburg, der Große Löwenhof und die deutsche Literatur des Spätmittelalters. Reichert Verlag, Wiesbaden 2004, S. 227–250, ISBN 3-89500-318-2
  • Bernhard Schnell: Das »Hausbuch« als Überlieferungsträger. Zu Michael de Leone und zum ›Iatromathematischen Hausbuch‹. In: Würzburger Fachprosa-Studien. Beiträge zur mittelalterlichen Medizin-, Pharmazie- und Standesgeschichte aus dem Würzburger medizinhistorischen Institut, [Festschrift] Michael Holler zum 60. Geburtstag. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 38), ISBN 3-8260-1113-9, S. 118–133.
  • Horst Brunner (Hrsg.): Würzburg, der Große Löwenhof und die deutsche Literatur des Spätmittelalters. Wiesbaden 2004.
  • Joachim Bumke: Mäzene im Mittelalter. München 1979, ISBN 3-406-04871-4
  • Peter Keyser: Michael de Leone (†1355) und seine literarische Sammlung. Kommissionsverlag F. Schöningh, Würzburg 1966
  • Ulrich Müller: Die Lieder Reinmars und Walthers von der Vogelweide aus der Würzburger Handschrift 2° Cod. ms. 731 der Universitätsbibliothek München. I. Faksimile. Mit einer Einführung von Gisela Kornrumpf. Wiesbaden 1972, ISBN 978-3-920153-12-4
  • Hugo Moser, Helmut Tervooren: Des Minnesangs Frühling. II Editionsprinzipien, Melodien, Handschriften, Erläuterungen. S. Hirzel-Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-777-60331-7
  • Horst Brunner (Hrsg.): Das Hausbuch des Michael de Leone (Würzburger Liederhandschrift)der Universitätsbibliothek München (2° Cod. Ms. 731). Kümmerle Verlag, Göppingen 1983 (= Litterae, 100), ISBN 3-87452-548-1
  • Gisela Kornrumpf: Michael de Leone. In: Kurt Ruh (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 6. Walter de Gruyter, Berlin / New York 1987, ISBN 3-11-010754-6, 491–503.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe zu diesem Gerlinde Lamping: Michael de Leone. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 421 (Digitalisat).
  2. Wolfgang Schneider: Volkskultur und Alltagsleben. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007, Band 1 (2001): Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs. ISBN 3-8062-1465-4, S. 491–514 und 661–665, hier: S. 512 f., Tafel 44: Wappenstein (in der Kapelle des Bürgerspitals) aus dem Hof zum Großen Löwen (Dominikanerstraße 6) mit dem Wappen der Familie Jude/vom Löwen (de Leone).
  3. Bruno Rottenbach: Würzburger Straßennamen. Band 1. Fränkische Gesellschaftsdruckerei, Würzburg 1967, S. 76 f.
  4. Trude Ehlert: Das Bůch von gůter spîse: kulinarische Bedeutung und kulturhistorischer Wert. Auer, Donauwörth 1994 (Beilagenheft zur Faksimileausgabe hrsg. von Tupperware Deutschland, ISBN 3-403-02404-0), S. 8.
  5. Bernhard Schnell: Das „Hausbuch“ als Überlieferungsträger. Zu Michael de Leone und zum „Iatromathematischen Hausbuch“. 1995, S. 123 f.