Glenn Greenwald

Glenn Greenwald (2014)

Glenn Greenwald (* 6. März 1967 in New York City) ist ein US-amerikanischer Journalist, Blogger, Schriftsteller und Rechtsanwalt. Weltweit bekannt wurde Greenwald, als er die von Edward Snowden im Jahr 2013 übermittelten Dokumente zum streng geheimen NSA-Überwachungsprogramm PRISM aufbereitete und Anfang Juni 2013 in der britischen Tageszeitung The Guardian zusammen mit einem Interview Snowdens veröffentlichte. Aufgrund dieser und folgender Berichte ist er eine der zentralen Figuren der Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre. Von Februar 2014 bis Oktober 2020[1] war er als Hauptautor der publizistischen Website The Intercept tätig. Greenwald ist Gründungsmitglied der Freedom of the Press Foundation mit Sitz im Vorstand (Board of Directors).

Leben

Glenn Greenwald wuchs auf im Süden von Florida, wo er mit 17 Jahren erfolglos für den Stadtrat von Lauderdale Lakes kandidierte.[2] In den 1980er Jahren begann Greenwald an der George Washington University ein Bachelor-Studium der Philosophie. Nach dem Abschluss ging er an die Law School der New York University.

Juristische Tätigkeit

1994 bis 1995 arbeitete Greenwald für die renommierte Anwaltskanzlei Wachtell, Lipton, Rosen & Katz in New York und war dort auf Prozessrecht spezialisiert. Nach eigenen Angaben hatte er eine Vielzahl an Angeboten namhafter Kanzleien, entschied sich aber für Wachtell, Lipton, Rosen & Katz, weil diese bereits damals alle Sozialleistungen auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartner anbot.[2]

1996 gründete er mit befreundeten Kollegen die Kanzlei Greenwald, Christoph & Holland (später Greenwald Christoph PC) und behandelte Fälle, welche Verfassungs- oder Bürgerrechte von US-Bürgern tangierten. 2005 hörte Greenwald auf zu praktizieren, nach eigenen Angaben, weil er sich insbesondere vom Schreiben zu politischem Geschehen einen größeren Einfluss auf die Gesellschaft erhoffte. Zudem gab er an, nicht weiter auf die Einkünfte seiner Kanzlei angewiesen und von Prozessen gelangweilt zu sein.[3]

Er ging auf eine mehrmonatige Reise und lernte in Brasilien seinen späteren Lebenspartner David Miranda kennen. Da es seinerzeit[4] nicht möglich war, allein auf Grundlage einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eine Aufenthaltserlaubnis für die Vereinigten Staaten zu erhalten, blieben die beiden in Rio de Janeiro, wo sie bis zu Mirandas Tod 2023 wohnten.[5] Mittlerweile spricht Greenwald fließend Portugiesisch.

Journalistische Tätigkeit

Unclaimed Territory

Von Rio de Janeiro aus betrieb Greenwald das Blog Unclaimed Territory (deutsch Unbesetztes Gebiet) und beschäftigte sich hauptsächlich mit der Plame-Affäre, den daraus resultierenden Nachforschungen einer Grand Jury, dem Skandal wegen Meineids um Lewis Libby und der Affäre um die Überwachungen der NSA ohne richterlichen Beschluss zwischen 2001 und 2007. Das Blog wurde 2006 mit dem Koufax Award als Best New Blog ausgezeichnet.[6]

Salon.com

2007 wurde Greenwald von der Onlineplattform Salon.com verpflichtet und gab dafür sein vorheriges Blog auf. Er schrieb auch dort über sicherheits- und gesellschaftspolitische Themen, beispielsweise die Anthrax-Anschläge 2001. Aufgrund der von Greenwald mitgeführten Offensive gegen die Kandidatur John O. Brennans für die Führungspositionen Director of Central Intelligence und Director of National Intelligence verzichtete dieser schließlich.[7] Brennan wurde vorgeworfen, Sympathisant der Verhörmethoden (siehe Abu-Ghuraib-Folterskandal) der Regierung von George W. Bush zu sein. Als Anfang 2013 Barack Obama ihm die gleiche Position anbot, verzichtete er nicht erneut.[8]

The Guardian

Noam Chomsky, Amy Goodman und Glenn Greenwald (2011)

Im Juni 2012 wechselte Greenwald zur britischen Tageszeitung The Guardian.[9] Nach seinem Treffen mit Edward Snowden im Januar 2013 war er hauptsächlich mit der Aufbereitung des von Snowden zur Verfügung gestellten Materials im Umfang von angeblich neun- bis zehntausend Dateien beschäftigt.

Am 18. August 2013 wurde David Miranda, Greenwalds Partner, nach einem Treffen mit Laura Poitras in Berlin am Flughafen London Heathrow fast neun Stunden festgehalten und verhört. Seine elektronischen Geräte (Mobiltelefon, Laptop, Kamera, Speicherkarten, DVDs und Spielekonsolen) wurden einbehalten, insgesamt waren auf den Speichermedien 58.000 Dokumente des GCHQ, deren ungefilterte Weitergabe an die Öffentlichkeit – so Vertreter der Regierung Cameron – „die Sicherheit Großbritanniens gefährden“ könne.[10] Laut einem Sprecher von Scotland Yard war dieses Vorgehen gedeckt durch den Paragraf 7 des Terrorism Act 2000 bis zu einer Höchstdauer von 9 Stunden ohne formale Begründung und richterliche Überprüfung.[11] In der folgenden Klage Mirandas vor dem Londoner High Court of Justice wurde die Festsetzung und Konfiszierung als angemessen beurteilt. Die Anwälte des Guardian argumentierten erfolglos mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Das Urteil anerkannte einen „indirekten Konflikt mit der Pressefreiheit“, wertete das Festsetzen aber als „notwendig“ und „verhältnismäßig“.[12]

“We're disappointed by today's judgment, which means that an act designed to defeat terrorism can now be used to catch those who are working on fundamentally important issues. The judgment takes a narrow view of what 'journalism' is in the 21st century and a very wide view of the definition of 'terrorism'.”

„Wir sind enttäuscht von dem heutigen Urteil, das bedeutet, dass ein Gesetz zum Schutz vor Terrorismus nun gegen die verwendet werden kann, die fundamental wichtige Anliegen verfolgen. Das Urteil zeugt von einer sehr engen Auffassung dessen, was 'Journalismus' im 21. Jahrhundert bedeutet, und einer sehr großzügigen hinsichtlich der Definition von 'Terrorismus'.“

The Guardian

Das Appellationsgericht hielt die Festsetzung für rechtmäßig. Es wäre eine Frage für das britische Parlament, ob das Terrorismusgesetz der europäischen Menschenrechtskonvention entspreche.[13]

The Intercept

Im Oktober 2013 gab Greenwald bekannt, zusammen mit Laura Poitras und Jeremy Scahill und finanziert durch den eBay-Gründer Pierre Omidyar ein neues journalistisches Onlinemedium zu gründen.[14] Am 10. Februar 2014 startete The Intercept:

“A primary function of The Intercept is to insist upon and defend our press freedoms from those who wish to infringe them. We are determined to move forward with what we believe is essential reporting in the public interest and with a commitment to the ideal that a truly free and independent press is a vital component of any healthy democratic society. We believe the prime value of journalism is that it imposes transparency, and thus accountability, on those who wield the greatest governmental and corporate power. Our journalists will be not only permitted, but encouraged, to pursue stories without regard to whom they might alienate.”

„Eine grundlegende Aufgabe von The Intercept ist es, auf unserer Pressefreiheit zu bestehen und sie gegenüber denjenigen zu verteidigen, die sie verletzen wollen. Wir sind entschlossen, das voranzutreiben, was wir für essentielle Berichterstattung im öffentlichen Interesse halten. Unsere Hingabe gilt dem Ideal der wahrlich freien und unabhängigen Presse als vitaler Komponente jeder gesunden demokratischen Gesellschaft. Wir glauben, dass der wesentliche Wert von Journalismus darin liegt, jenen Personen Transparenz, und damit Verantwortlichkeit, aufzuerlegen, welche die größte staatliche und unternehmerische Macht innehaben. Unseren Journalisten wird es nicht nur gestattet, sondern empfohlen sein, Sachverhalten ohne Rücksicht darauf nachzugehen, wer von ihnen verprellt werden könnte.“

Glenn Greenwald, Laura Poitras & Jeremy Scahill[15]

Im Oktober 2020 verkündete Greenwald seinen Ausstieg bei The Intercept. Als Gründe nannte er die Weigerung der Redaktion, einen Artikel über Joe und Hunter Biden[16] von ihm zu veröffentlichen. The Intercept widersprach dieser Darstellung.[17][18]

Greenwald wurde 2020 von der rechtsextremistischen Bolsonaro-Regierung wegen Cyberkriminalität angeklagt, nachdem er private Chatverläufe brasilianischer Beamter in The Intercept veröffentlicht hatte. Aus diesen geht hervor, dass die Inhaftierung des ehemaligen linken Präsidenten Luiz Inácio Lula illegal gewesen sein könnte. Greenwald wird beschuldigt, die Hacker der Handys unterstützt zu haben.[19]

Substack

Nach seinem Ausscheiden bei The Intercept begann Greenwald ab Mai 2021 mit der Veröffentlichung von Newslettern auf Substack, einer Online-Journalismusplattform auf Basis von Newslettern. Seinen Substack stellte er im April 2023 ein und vertreibt seine Einsichten seither auf der Platform Locals.[20] Er begann außerdem Videos auf der Videoplattform Rumble zu veröffentlichen.[21]

Privates

Greenwald ist seit 2023 verwitwet. Er war seit 2005 mit dem brasilianischen Politiker David Miranda verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Kinder adoptiert.[22]

Auszeichnungen

Veröffentlichungen

  • How Would a Patriot Act? Defending American Values from a President Run Amok, Working Assets, San Francisco 2006, ISBN 978-0-9779440-0-2.
  • A Tragic Legacy. How a Good vs. Evil Mentality Destroyed the Bush Presidency, Crown, New York 2007, ISBN 978-0-307-35419-8.
  • Great American Hypocrites. Toppling the Big Myths of Republican Politics, Random House, New York 2008, ISBN 978-0-307-40802-0.
  • With Liberty and Justice for Some. How the Law Is Used to Destroy Equality and Protect the Powerful, Metropolitan, New York 2011, ISBN 978-0-8050-9205-9.
  • Die globale Überwachung. Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen. Droemer, München 2014, ISBN 978-3-426-27635-8. engl. Original: No Place to Hide (Greenwald book)|No Place to Hide: Edward Snowden, the NSA, and the U.S. Surveillance State. Metropolitan Books (Div. of Henry Holt and Company), 2014, ISBN 1-6277-9073-X (10). ISBN 978-1-62779-073-4 (13). - NYT-Bestseller.
  • Securing Democracy: My Fight for Press Freedom and Justice in Bolsonaro’s Brazil, Haymarket Books 2021, ISBN 978-1642594508.

Weblinks

Commons: Glenn Greenwald – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Greenwald: My Resignation From The Intercept. Abgerufen am 30. Oktober 2020.
  2. a b Jessica Testa: How Glenn Greenwald Became Glenn Greenwald. BuzzFeed, 26. Juni 2013, abgerufen am 6. Juli 2013 (englisch).
  3. Glenn Greenwald: Response to Right-wing Personal Attacks: My Law Practice; My Sexual Orientation; Where I Live. In: Unclaimed Territory. 20. Juli 2006, abgerufen am 2. Februar 2007.
  4. Das galt bis zur Entscheidung des Supreme Courts im Fall „United States v. Windsor“ im Juni 2013.
  5. Raphaela Birrer: Das Sprachrohr Snowdens. 10. Juli 2013, abgerufen am 10. Juli 2013.
  6. 2005 Koufax Winners. Archiviert vom Original am 23. Mai 2013; abgerufen am 11. August 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/firedoglake.com
  7. Brennan Pulls Out Of Running For CIA Chief, Chides Liberal Blogs. Archiviert vom Original am 10. Januar 2013; abgerufen am 11. August 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.huffingtonpost.com
  8. US-Regierung: Obama nominiert Republikaner als Pentagon-Chef, Spiegel Online, 7. Januar 2013 (abgerufen am 7. Januar 2013).
  9. Home news I'll be writing in a new venue beginning next month. Abgerufen am 11. Juni 2013 (englisch).
  10. Partner von Snowden-Vertrautem in London festgehalten, Spiegel Online, 19. August 2013 (abgerufen am 19. August 2013).
  11. Glenn Greenwald's partner detained at Heathrow airport for nine hours. 19. August 2013, abgerufen am 19. August 2013 (englisch).
  12. Urteil in London: Festnahme von Greenwald-Partner Miranda war rechtens, Spiegel Online, 19. Februar 2014. Abgerufen am 22. Februar 2014.
  13. UK rules detaining partner of Snowden leaks reporter was lawful, Reuters, 19. Januar 2016.
  14. Jay Rosen: Why Pierre Omidyar decided to join forces with Glenn Greenwald for a new venture in news, 16. Oktober 2013.
  15. Welcome to The Intercept, firstlook.org, 10. Februar 2014. Abgerufen am 10. Februar 2014.
  16. Glenn Greenwald: My Resignation From The Intercept. 29. Oktober 2020, abgerufen am 30. Oktober 2020 (englisch).
  17. GLENN GREENWALD RESIGNS FROM THE INTERCEPT. In: theintercept.com. 29. Oktober 2020, abgerufen am 30. Oktober 2020 (englisch).
  18. Article on Joe and Hunter Biden Censored By The Intercept, Glenn Greenwald, Substack, 29. Oktober 2020.
  19. Glenn Greenwald in Brasilien wegen Cyberkriminalität angeklagt. In: Der Spiegel. Abgerufen am 20. August 2020.
  20. Glenn Greenwald: Archive - Glenn Greenwald. Abgerufen am 18. September 2021.
  21. Glenn Greenwald is Ready to Rumble. Abgerufen am 18. September 2021 (englisch).
  22. New York Times: ‘The Antithesis of Bolsonaro’: A Gay Couple Roils Brazil’s Far Right, 20. Juli 2019
  23. Glenn Greenwald And Amy Goodman Share Inaugural Izzy Award For Independent Media. Abgerufen am 11. Juni 2013 (englisch).
  24. Online Journalism Awards honor the best of the best. Abgerufen am 11. Juni 2013 (englisch).
  25. Auszeichnung für Snowden-Vertrauten Greenwald. In: sueddeutsche.de. 1. Oktober 2014, abgerufen am 10. Mai 2018.
  26. PM: Internationale Liga für Menschenrechte vergibt Carl-von-Ossietzky-Medaille 2014 an den Whistleblower Edward Snowden sowie die Publizistin Laura Poitras und den Journalisten Glenn Greenwald. 14. Oktober 2014, archiviert vom Original am 16. Oktober 2014; abgerufen am 15. Oktober 2014.
  27. Reporter ohne Grenzen e.V.: Helden der Pressefreiheit. Abgerufen am 1. Februar 2018.
  28. Deutschland: US-Enthüllungsjournalist Greenwald erhält Siebenpfeiffer-Preis. In: Zeit Online. 15. März 2015, abgerufen am 17. März 2015.

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Lawyer and activist Glenn Greenwald.
Noam, Amy & Glenn (5668932535).jpg
Autor/Urheber: Eden, Janine and Jim from New York City, Lizenz: CC BY 2.0
I believe that this was the first time that Noam Chomsky and Glenn Greenwald had met--backstage at FAIR's 25th anniversary celebration at Symphony Space.