Georges Bidault

Georges Bidault
Georges Bidault (Mitte) im Jahre 1951

Georges-Augustin Bidault (* 5. Oktober 1899 in Moulins, Auvergne; † 27. Januar 1983 in Cambo-les-Bains) war ein französischer Politiker. Im Zweiten Weltkrieg war er aktives Mitglied der Résistance, später christdemokratischer Ministerpräsident und Anfang der 1960er Jahre Mitglied der terroristischen Organisation de l’armée secrète (OAS), die die Unabhängigkeit Algeriens ablehnte und bekämpfte.

Leben

Bidault, Sohn eines Versicherungsdirektors, nahm noch am Ersten Weltkrieg teil und studierte an der Sorbonne. Er wurde Geschichtslehrer. 1925 bis 1926 war er in Valenciennes, 1926 bis 1931 in Reims, ab 1931 am Lycée Louis-le-Grand in Paris als Geschichtslehrer tätig. 1932 half er bei der Gründung der französischen katholischen Jugendorganisation und ab 1934 war er Herausgeber der christdemokratisch-antifaschistischen Zeitung l’Aube. Er hatte darin eine Kolumne und protestierte in ihr unter anderem gegen das Münchener Abkommen von 1938, gegen Antisemitismus und Faschismus.[1] Bidault war Führer der christdemokratischen Parti démocrate populaire (PDP).

1939 trat er der französischen Armee bei und geriet im Zuge der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Freilassung im Juli 1941 konnte er in Paris als Journalist wegen seiner politischen Auffassungen nicht mehr arbeiten und wechselte im Oktober 1941 in die unbesetzte Südzone. Dort trat er der Résistancegruppe Liberté bei, die sich später mit der Gruppe Combat von Henri Frenay vereinigte. Jean Moulin rekrutierte ihn, um eine Untergrundpresse zu organisieren und mit Albert Camus das Untergrundblatt Combat zu gründen.[1]

Bidault nahm an der Gründung des Widerstandsparlaments Conseil National de la Résistance (CNR) als Vertreter des PDP in Paris teil, weshalb er von Lyon nach Paris zurückkehrte und dort im Untergrund lebte. Nachdem die Gestapo Moulin gefangen genommen hatte, wurde er Vorsitzender des CNR. 1944 veröffentlichte er eine Charte de la Résistance, die ein weitreichendes Reformprogramm für die Nachkriegszeit empfahl. In diesem Programm wurde die Wiedereinsetzung der Menschenrechte gefordert.[1]

Bidault links neben De Gaulle am 26. Aug. 1944 auf den Champs-Élysées
(nachbearb. hist. Foto)

Politik

Nach der Befreiung von Paris im Juli/August 1944 nahm er für die Résistance an der Siegesparade teil. Charles de Gaulle berief ihn am 25. August 1944 zum Außenminister der Provisorischen Regierung. Er wurde Gründer des Mouvement républicain populaire (MRP), einer christdemokratischen Mitte-rechts-Partei.

Von 1945 bis 1956 und erneut ab 1958 gehörte Bidault als Abgeordneter des Wahlkreises Loire der Nationalversammlung an. Nach dem Krieg arbeitete er im Kabinett Félix Gouin der Provisorischen Regierung als Außenminister 1946, bis ihn am 19. Juni 1946 die konstituierende Nationalversammlung zum Präsidenten der Provisorischen Regierung (de facto Ministerpräsident) wählte. Sein Kabinett bestand aus Sozialisten, Kommunisten und Bidaults eigener MRP, und er übernahm erneut das Außenministerium. Es gelang ihm nicht, seine Forderung auf Internationalisierung der Ruhr und dauernde Besetzung des Rheinlandes durchzubringen.[2] Am 10. November fand eine Wahl zur Nationalversammlung statt. Die Kommunisten wurden stärkste Partei (28,59 %), die MRP erhielt 26,34 % und die SFIO 17,87 %. Bidault trat zurück; der Sozialist Léon Blum wurde sein Nachfolger.

Bidault arbeitete in verschiedenen französischen Nachkriegskabinetten der Vierten Republik, zunächst als Außenminister in den Kabinetten von Paul Ramadier und Robert Schuman. 1949 wurde er Ministerpräsident, aber sein Kabinett überstand nur acht Monate. Im Kabinett von Henri Queuille von 1950 bis 1951 erhielt er die Position des Vizeministerpräsidenten und den Kabinetten von René Pleven (Kabinett Pleven II) und Edgar Faure (Kabinett Faure I) gehörte er als Verteidigungsminister an.

1952 wurde er Ehrenpräsident des MRP. Am 1. Juni 1953 gab ihm Präsident Vincent Auriol einen Auftrag zur Kabinettsbildung, aber die Nationalversammlung verweigerte ihm am 10. Juni das Mandat. 1953 war Bidault Präsidentschaftskandidat, zog sich jedoch im zweiten Wahlgang zurück.

Während des Indochinakriegs gehörte Bidault zu den Befürwortern des Erhalts des Kolonialstatus von Indochina. Am Vorabend der Indochinakonferenz in Genf nahm John Foster Dulles bei einer Besprechung im Quai d’Orsay seinen französischen Amtskollegen zur Seite und fragte ihn unter vier Augen: Was wäre, wenn wir euch zwei Atombomben geben?[3]

Er versprach sich von der Konferenz die Spaltung der kommunistischen Mächte. Ebenso versuchte er, US-Unterstützung durch Luftangriffe zu erreichen; dies wurde jedoch vom Kongress und der Regierung Eisenhower abgelehnt. Nach der verlorenen Schlacht um Điện Biên Phủ (8. Mai 1954) war der Krieg innenpolitisch nicht mehr haltbar und Bidault wurde durch Pierre Mendès France als Verhandlungsführer durch einen Regierungswechsel abgelöst. Seine Partei wollte nach der Niederlage in Indochina ebenso seine Position gegen eine Dekolonisation Nordafrikas nicht mehr mittragen.[4]

Im April 1958 wurde Bidault wieder Ministerpräsident, konnte aber kein Kabinett bilden und war an der Gründung des konservativen Mouvement Chrétien Démocratique (MCD) beteiligt. Er unterstützte die Präsidentschaft von de Gaulle in der Hochphase des Algerienkrieges 1958. Allerdings wurde Bidault 1961 Präsident des „Exekutivausschusses für den Marsch für ein französisches Algerien“, der die von de Gaulle akzeptierte Unabhängigkeit Algeriens scharf ablehnte. Bidault gründete einen Nationalen Widerstandsrat innerhalb der Terrororganisation OAS. Im Juni 1962 wurde er beschuldigt, sich als Chef der OAS gegen den Staat verschworen zu haben. So verlor er seine parlamentarische Immunität. Er flüchtete 1963 nach Brasilien ins Exil, zog 1967 nach Belgien und kehrte 1968 nach einer Amnestie nach Frankreich zurück.

Weblinks

Commons: Georges Bidault – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 299.
  2. Der Spiegel 10/1951: Man kann nur hoffen
  3. TV Interview (Hearts and Minds, 1974, Minute 4:00)
  4. Jacques Dalloz: Dictionnaire de la Guerre d’Indochine 1945–1954, Paris, 2006, S. 32–34
VorgängerAmtNachfolger
Henri QueuilleMinisterpräsident der Vierten Republik
29. Oktober 194924. Juni 1950
René Pleven

Pierre Laval
Léon Blum
Robert Schuman
Außenminister von Frankreich
10. September 194416. Dezember 1946
22. Januar 194726. Juli 1948
8. Januar 195319. Juni 1954

Léon Blum
Robert Schuman
Pierre Mendès France

Jules Moch
Verteidigungsminister von Frankreich
11. August 19518. März 1952

Marie-Pierre Kœnig
Félix GouinPräsident der Provisorische Regierung der Französischen Republik
1946
Léon Blum
Félix GouinKofürst von Andorra
1946
Léon Blum

Auf dieser Seite verwendete Medien

Eisenhower Thunderjet 3e escadre de chasse 4580.JPG
Autor/Urheber: G.Garitan, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Musée de l'aéronautique de Bétheny, Eisenhower vient célébrer l'arrivée des Thunderjet en France dans le cadre du Military assistance program et a été accueilli par Bidault et Housset.
The Liberation of Paris, 25 - 26 August 1944 HU66477.jpg
The Liberation of Paris, 25 - 26 August 1944
General Charles de Gaulle and his entourage set off from the Arc de Triumphe down the Champs Elysees to Notre Dame for a service of thanksgiving following the city's liberation in August 1944.
Georges Bidault.jpg
Autor/Urheber: Autor/-in unbekanntUnknown author, Lizenz: CC BY-SA 3.0 nl
Georges Bidault