Gau (Ägypten)

Gau in Hieroglyphen
Altes Reich


sepat
sp3.t
Gau / Bezirk[1]
Griechischνόμος nomos
Sahidisches Koptischⲧⲟϣ toš
Bohairisches Koptischⲑⲟϣ thoš
Die 22 oberägyptischen Gaue

Die Gaue waren im alten Ägypten über Jahrtausende gültige Verwaltungsbezirke entlang des Nils, die das gesamte Kernland umfassten. Es handelt sich um die Übersetzung des griechischen Wortes nomos, das in antiken Quellen für die altägyptischen Verwaltungseinheiten benutzt wurde.

Entstehung

Hervorgegangen sind die Gaue wohl weniger aus lokalen Fürstentümern des Neolithikums als aus den Einzugsgebieten der königlichen Domänen unter Djoser. Im Alten Reich gab es 38 Gaue, die später um vier weitere ergänzt wurden. Im Verlaufe der langen Geschichte Ägyptens waren die Gaue und ihre Vorsteher (Gaufürsten) mehr oder weniger unabhängig von der Zentralmacht des Königs (Pharao). Aus den Texten der Diagonalsternuhren geht hervor, dass jeder der Dekane einen altägyptischen Gau symbolisiert und die Gottheit des jeweiligen Dekans einem Gau zugeteilt war.

Bedeutung

Der Zusammenschluss der Familien, Horden und Stämme zu Gauen hatte entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Glaubens, zunächst für die niederen Geister und Dämonen, später auch die Gottheiten. Fast jeder Gau hatte ein eigenes Wappen in Form einer Standarte und eine lokale Gottheit mit ihrem eigenen Mythos, die besonders verehrt wurde und dafür ihren Schutz gewährte.

Die älteste erhaltene „Gauliste“ befindet sich an der „Weißen Kapelle“ des Sesostris I. in Karnak, doch gibt es für die Gaue einzeln bereits frühere Belege (z. B. Weltkammer).

Aus griechisch-römischer Zeit finden sich weiterhin Aufzählungen der 42 kanonischen Gaue[2] (beispielsweise im Tempel von Edfu), doch dürfte die tatsächliche Zahl im Jahr 259 v. Chr. bei 36 gelegen haben.[3] Jeder Gau (Nomos) unterstand einem Strategen. Als weitere Verwaltungsbezirke kamen noch der Fayum als Nomos Arsinoites hinzu, der aufgeteilt wurde in die vier Teilgebiete (Meris) von Herakleides, Themistos, Polemon und der Hauptstadt Arsinoe. Dazu in der westlichen Wüste die Bezirke Oasis Magna (Charga und Dachla), Oasis Parva (Bahariyya) und Ammoniake (Oase Siwa), sowie im Osten Sinai und Aethiopia am Roten Meer. Alexandria war ein eigenständiger Bezirk außerhalb des Gausystems.

Gauzeichen

Die Gauzeichen dienten ursprünglich wohl zur Unterscheidung der Lieferungen von den verschiedenen königlichen Domänen. Dabei lassen sich zwei Gruppen von Zeichen unterscheiden: Die älteren, stets auf Standarten präsentierten Gauzeichen beziehen sich vermutlich auf Gottheiten (Numina) in der Nähe der jeweils ältesten Domäne eines Bereichs (nicht unbedingt den späteren Gaugott). Die späteren, zwischen Djoser und Snofru geschaffenen und ursprünglich ohne Standarte präsentierten Gauzeichen sind großteils ausgeschriebene Geographika wie Nubierland (O01), Horus-Thron (O02) oder weiße Mauer (U01).

Oberägyptische Gaue

Nrägypt. Namegriech. NameBeschreibungHauptstadt heute
(antik; griechisch)
Orts-/Gaugötter
O01
𓈶
Ta-setiOmbitesNubierlandAssuan
(Suenet/Jeb/Nybt; Syene/Elephantine/Ombos)
Chnum, Satet (Sopdet), Anuket, Isis, Nephthys, Horus, Osiris, Seth
O02
𓈷
Wetjes-HorApollonopolitesHorus-Thron-Gau, FalkengauEdfu
(Behdet/Mesen/Saboet; Apollonopolis Magna)
Behdeti
O03
𓈸
NechenLatopolitesLandeplatz, FestungsgauElkab/Kom el-Ahmar
(Nechab/Nechen; Hierakonpolis)
Nechbet, Chnum
O04
𓈹
WasetPathyrites / Peri ThebasGau des Was-ZeptersArmant + Theben
(Iunu-shema + Waset; Hermontis + Thebai)
Month, Amun, Amun-Re, Amun-Min, Amun-Atum, Amun-Chepre, Mut, Chons, Hathor, Buchis
O05
𓈺
NetjeruiKoptitesZwei-Falken-Gau, Gau der beiden HerrenKoptos/Quift
(Gebtu; Koptos)
Seth, Min
O06
𓈻
IqerTentyritesKrokodilgauDendera
(Onet; Tentyra)
Hathor, Ihi, Sobek, Harsomtus
O07
𓈼
BatDiospolites MikrosGau der weiblichen SeeleNag Hammadi
(Hu/Hiw; Disospolis mikra)
Hathor, Bat
O08
𓈽
Ta-werThinites„Ältestes Land“Girga/Abydos
(Tine/Abdu; Thinis/Abydos)
Anhuret (Onuris, Schu), Osiris, Chontamenti, Upuaut
O09
𓈾
MenuPanopolitesMin-Gau, Gau der guten SeeleAchmim
(Ipu/Chenet Min; Panopolis)
Min, Iunmutef, Horus von Chemmis
O10
𓈿
WadjitAntaiopolites / Aphroditopolites / ApollonopolitesSchlangengauQaw el-Kebir/el-Badari
(Tjebu; Antaeopolis)
Wadjet, Nemti, Seth, Mahes
O11
𓉁
SchaHypselitesSeth-Tier-GauShutb
(Schas-hotep; Hypselis)
Seth, Horus
O12
𓉃
Atfet(zu O10)Bergviper-GauEl-Atawlah
(Per-antj; Hierakon)
Nemti
O13
𓉄
Nedjefet-ChentetLykopolitesvorderer SykomorengauAssiut
(Saut/Siut, Ja-Kemet; Lykonpolis)
Upuaut, Chontamenti, Osiris
O14
𓉅
Nedjefet-pehetet(zu O15)hinterer SykomorengauMeir
(Qis; Cusae)
Hathor
O15
𓉆
WenetHermopolitesHasengauEl-Aschmunein
(Wenu, Chemen/Chmunu; Hermopolis Magna)
Thot, Seschat, Imi-schemenu, Unut, die „Achtheit von Hermopolis
O16
𓉇
Ma-hedj(zu O15)Antilopengau, Gazellengausüdl. Minia gelegen
(Hebenu, Herwer, Neferusi, Menat-Chufu)
Hebenu, Pachet, Chnum, Horus
O17
𓉈
InputKynopolitesSchakalgau, HundsgauMinia
(Henu, Hardai; Kynopolis)
Anubis
O18
𓉉
Nemti, Per-Nemti(zu O17)Falkengau (Nemti-Falke)Kom el-Ahmar SawarisDunanui, Nemti
O19
𓉋
WabuiOxyrhynchitesWabu-Zepter, Doppelzepter-GauBahnasa/Beni Mazar
(Per Medjet; Oxyrhynchos)
Seth
O20
𓉌
Noret-chentetHerakleopolitesvorderer Baumgau, Oleanderbaumgau, NaretbaumgauEhnasya
(H.t-nen Nesut/Hnês; Herakleopolis)
Herischef
O21
𓉍
Noret-pehet(zu U01)hinterer Baumgau, Oleanderbaumgau, NaretbaumgauFayyum
(Schedet; Arsinoe/Krokodilopolis)
Sobek (Maga), Sobek-Horus
O22
𓉎
MedenitAphroditopolitesMessergauAtfih
(Per-nebet-tep-ichu; Aphroditopolis)
Hathor

Unterägyptische Gaue

Die 20 unterägyptischen Gaue
Nrägypt. Namegriech. NameBeschreibungHauptstadt heute
(antik; griechisch)
Orts-/Gaugötter
U01
𓈠
Inbu-hedjMemphites[4]„Weiße Mauer“Mit Rahine
(Men nefer, evtl. Hot-Ka-Ptah; Memphis)
Ptah, Ptah-Tatenen, Ptah-Sokar, Ptah-Nun, Apis (Hapi), Sachmet, Nefertem, Imhotep, Hathor
U02
𓈡
Chepesch (?)LetopolitesIua/Iwa/Iwo, SchenkelgauAusim
(Letopolis, Chem, Sechem)
Cherti
U03
𓈢
ImentetGynaikopolitesWestgauKom el-Hisn
(Jamu; -)
Hathor
U04
𓈣
Neret-resetProsopitessüdlicher Neith-Gau; von U05 abgespaltenZawyat Razin
(-; Nikiou)
Neith, Behdeti, Osiris
U05
𓈤
Neret-mehetetSaites(nördlicher) Neith-GauSais
(Saw, Sau; Sais)
Neith, Behdeti, Osiris
U06
𓈦
ChasuuXoitesBergstiergauSacha
(Pe/Dep, Per Uto; Buto)
Uto, Re
U07
𓈧
Wa-em-Huu-ges-imentiMenelaiteswestlicher Harpunengau?
(Besta; Menelaos)
Ha
U08
𓈨
Wa-em-Huu-ges-iabtiHeroopolitesöstlicher HarpunengauTjeku
(Per Atum; hebräisch Pitom)
Atum, Osiris
U09
𓈩
AnedjtiBousiritesGau des Gottes vom WeidegebietAbu Sir Bana
(Per Osiris/Anedjti; Busirites, Busiris)
Osiris, Isis
U10
𓈪
KemwerAthribitesGroßer Schwarzer Stier-GauKom El-Atrib
(Kem-wer; Athribis)
Chentechtai
U11
𓈫
HesbuLeontopolitesGau des gezählten StieresTell el-Muqdam
(- ; Leontopolis)
Schu, Tefnut, Mahes
U12
𓈬
Tjeb-netjerSebennytesGau des göttlichen KälbchensSamanud
(Tep-netjer; Sebennytos)
Isis, Schu, Onuris
U13
𓈭
Heqa-ondjuHeliopolitesGau des unversehrten ZeptersEl-Mataria
(Iunu/On; Heliopolis)
Atum, Re, Re-Harachte, Mer-wer (schwarzer Mnevis-Stier), Hathor, Benu, Thot
U14
𓈮
Chenti-iabtiSethroitesVorderseite des OstensSile
(Tjaru; Sethroe)
Horus, Uto, Seth
U15
𓈯
Djehuti(zu U16)IbisgauBaklije
(Wenu; Hermopolis)
Thot, Achtheit von Hermopolis
U16
𓈰
Hat-MehitMendesiosFischgauTell Roba
(Anpet und Dedet; Thmuis und Mendes)
Hatmehit, Ba-Widder von Mendes
U17
𓈱
BehdetDiospolites KatoThrongau; von U12 abgespaltenNördliches Behdet
(Pa-ju-en-Amun; Insel des Amun, auch Waset-mehu; Theben in Unterägypten)
Behdeti
U18
𓈳
Imet-chentetBoubastitesvorderer Königskind-Gau; von U13 abgespaltenBubastis
(Baset; Boubastis)
Bastet, Nefertem
U19
𓈴
Imet-pechetTaniteshinterer Königskind-Gau; von U18 abgespaltenTanis
(Imet/Djanet; Tanis)
Wadjet
U20
𓈵
SopduArabiaSopdu-Gau; von U08 abgespaltenSaft el-Henna
(Per-Sopdu; Phakusa)
Sopdu

Literatur

  • Eva Martin-Pardey: nome structure. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 573–74.
  • Hans-Christian Dirscherl: Der Gaustratege im römischen Ägypten. Seine Aufgaben am Beispiel des Archiv-, Finanz- und Bodenwesens und der Liturgien. Entstehung, Konsolidierung, Niedergang? 30 v. Chr. – 300 n. Chr. (= Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike. Band 16). Scripta-Mercaturae-Verlag, St. Katharinen 2004, ISBN 3-89590-131-8 (Zugleich: Regensburg, Univ., Diss., 2000).
  • Wolfgang Helck: Die altägyptischen Gaue (= Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Beihefte: Reihe B: Geisteswissenschaften. Band 5). Reichert, Wiesbaden 1974, ISBN 3-920153-27-8.
  • Henri Gauthier: Les nomes d'Égypte depuis Hérodote jusqua'à la conquête arabe (= Mémoires de l'Institut d'Egypte. Band 25, ZDB-ID 447998-1). Institut Français d'Archéologie Orientale, Kairo 1935. MIE 25 – Internet Archive (Tableau).
  • Eva Martin-Pardey: Untersuchungen zur ägyptischen Provinzialverwaltung bis zum Ende des Alten Reiches (= Hildesheimer Ägyptologische Beiträge. Band 1). Hildesheim 1976.
  • Wolfgang Helck in Lexikon der Ägyptologie. Band 2: Erntefest – Hordjedef. Harrassowitz, Wiesbaden 1977, ISBN 3-447-01876-3, Stichwort Gaue (Spalten 385–408), Gauverwaltung (Sp. 420–422), Gauzeichen (Sp. 422–426).

Weblinks

Commons: Gau (Ägypten) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch. (2800–950 v. Chr.) (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Band 64 = Hannig-Lexica. Band 1). Marburger Edition, 4. überarbeitete Auflage, von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-1771-9, S. 749.
  2. Die Zahl wird bisweilen mit den 42 Totenrichtern aus dem Totenbuch in Verbindung gebracht, so etwa von Georg Steindorff: Die ägyptischen Gaue und ihre politische Entwicklung. In: Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Band 57, 1909, S. 876.
  3. Werner Huß: Die Verwaltung des ptolemaiischen Reichs (= Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte. Heft 104). Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62915-0, S. 91 bzw. Abs. 188 (Papyrus Revenue Laws).
  4. Schloss den alten oberägyptischen Gau 21 mit ein.

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Map of Lower Egypt with historical nomes numbered.
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Map showing the Nome divisions of Ancient Egypt.

  • On the Nile in Lower Egypt (Nile Basin ~north of Cairo) and Upper Egypt (Nile Basin ~south of Cairo to Nubia).