Franz West (Künstler)

Franz West (2009)
Einer der vier „Lemurenköpfe“ (Aluminium und weiße Lackfarbe) auf der Stubenbrücke in Wien

Franz West (* 16. Februar 1947 in Wien; † 25. Juli 2012 ebenda[1]) zählte zu den bedeutendsten zeitgenössischen bildenden Künstlern Österreichs. Er lebte und arbeitete in Wien und machte sich vor allem im Bereich des dreidimensionalen Gestaltens (Plastik, Environments, Rauminstallationen) einen Namen, aber auch Performances, Grafiken und Plakate finden sich in seinem Œuvre.

Leben

Franz West wuchs als Sohn einer Zahnärztin und eines Kohlenhändlers in einer Wohnung im Karl-Marx-Hof im 19. Wiener Gemeindebezirk auf, in welchem seine Mutter ihre Zahnarztpraxis betrieb. Wests um 17 Jahre älterer Halbbruder väterlicherseits war der Wiener „Arbeiterdichter“, Schauspieler und Performancekünstler Otto Kobalek (1930–1995), ein Wiener Original im Umfeld von Helmut Qualtinger. Durch die brüderliche Freundschaft verbrachte Franz West häufig Zeit in Wiener Lokalen und Cafés, die von anderen Künstlerschaffenden frequentiert wurden.[2] Der Einstieg in sein künstlerisches Schaffen erfolgte zunächst autodidaktisch. Mittels der abonnierten Kunstzeitschriften sowie -bücher seiner Eltern verschaffte er sich einen Einblick in die Kunstwelt. Ab 1977 studierte West an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Bruno Gironcoli. Er war mit der Künstlerin Tamuna Sirbiladze verheiratet.

Künstlerisches Werk

(c) Mister No, CC BY 3.0
Skulpturen von Franz West, im Hintergrund das Schloss Belvedere in Wien, 2015

Erste Ausstellungen erfolgten in den 1980er-Jahren, aber seine Beschäftigung mit der Skulptur hatte schon früher mit den sogenannten „Passstücken“ begonnen. Es handelte sich um freie, transportable, undefinierbare Formen aus Gips, Papiermaché oder Metall, die als Stützen, Prothesen oder Gewächse an den Körper gelegt werden konnten. So wollte er unter anderem Neurosen verbildlichen:

„Ich behaupte, wenn man Neurosen sehen könnte, sähen sie so aus.“

Kommunikation und Interaktion mit und durch die Kunst war stets ein Grundthema seiner Arbeiten. Ab 1987 entstanden Sitzmöbel aller Art, verfremdet, ironisiert, aus Fertigteilen oder mit Stoff bespannt. Auch die Möbelstücke der letzten Jahre thematisieren die Frage der Grenze zwischen Kunstobjekt und Gebrauchsgegenstand, die seit dem frühen 20. Jahrhundert ein stets für Diskussionen sorgender Begleiter der Bildenden Kunst geworden ist. 1993 gestaltete West den österreichischen Beitrag für die Biennale Venedig. Von 1992 bis 1994 hatte er eine Professur an der Städelschule, Frankfurt am Main, inne.[3] Werke des Künstlers waren 1992 auf der documenta IX und 1997 auf der documenta X in Kassel zu sehen.

Für die Saison 2009/2010 in der Wiener Staatsoper gestaltete Franz West im Rahmen der von museum in progress konzipierten Ausstellungsreihe „Eiserner Vorhang“ das Großbild „Drei – Vom Vorgang ins Temperament“. 2011 wurde ihm für sein Lebenswerk der Goldene Löwe der Biennale von Venedig zuerkannt.[4]

Ehrengrab

Ehrengrab von Franz West und Tamuna Sirbiladze auf dem Wiener Zentralfriedhof

Franz West erhielt ein Ehrengrab der Stadt Wien auf dem Zentralfriedhof (Gruppe 33 G).[5] Die rosarote Grabskulptur wurde von ehemaligen Assistenten des Künstlers angefertigt. Zu diesem Zweck wurde eine viel kleinere von Franz West geschaffene Skulptur vergrößert. Die Entscheidung dazu war nach dem Tod von Franz West von dessen Witwe und der Franz West Privatstiftung getroffen worden.[6]

Streit um das Erbe

Im Januar 2021 erging vom OGH ein Urteil zum Nachlass des Künstlers. Werke im Wert von 50 Millionen Euro sollten endgültig an die vom Künstler gegründete Privatstiftung übertragen werden. Am 20. Juli 2012 hatte er „am Krankenbett eine Unterschrift unter jenes Dokument gesetzt, das die Franz-West-Privatstiftung begründete. Denn die Erhaltung, die wissenschaftliche Betreuung und Verbreitung seines künstlerischen Lebenswerkes wollte er explizit Professionisten überlassen – nicht jedoch seiner Familie, die er aber als Begünstigte einsetzte.“[7] Die Verlassenschaft Wests hatte dagegen geklagt. Bis sein letzter Wille umgesetzt werden konnte, „bedurfte es nicht eines oder zweier, sondern sogar dreier Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH). Das jüngste datiert vom 21. November 2023 und zieht nun endgültig“ einen Schlussstrich unter den Erbrechtsstreit„, wie die Franz-West-Privatstiftung aktuell auf ihrer Website bekanntgab.“[8] Somit ist die von West gegründete Stiftung für den Nachlass zuständig. Ob die Ansprüche der Kinder, die jetzt auf den Pflichtteil klagen, womöglich verjährt sind, bleibt zu klären.[9]

Einzelausstellungen (Auswahl)

Flause, 1998, Aluminium
Generally (2007), München

Auszeichnungen

Literatur

  • Tim van Laere, Andreas Reiter Raabe: Franz West [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung], Tim van Laere Gallery (Hrsg.), Antwerpen 2018.
  • Ines Turian (Hrsg.), Johannes Schlebrügge (Hrsg.): Gesammelte Gespräche und Interviews, Köln 2005. ISBN 3-88375-607-5
  • Francisco de la Torre Prados, Francisco Ruedo: Franz West. Últimas Décadas [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Zentrum für zeitgenössische Kunst Málaga, Juni – August 2021.], Zentrum für zeitgenössische Kunst Málaga (Hrsg.), Málaga 2021.
  • Benedikt Ledebur (Hrsg.), Galerie Elisabeth & Klaus Thoman (Hrsg.): Der Ficker [Publikation zur Ausstellung Der Ficker N.2, Wittgensteinhaus Wien (05. – 27. April 2006)], Wien 2006.
  • Agnes Husslein und Harald Krejci: Franz West – ARTISTCLUB, 21er Haus, Wien 2016, ISBN 978-3-903114-14-2 in deutscher Sprache; ISBN 978-3-903114-29-6 in englischer Sprache.
  • Kasper König (Hrsg.): Franz West – Autotheater. [Publikation zur gleichnamigen Retrospektive in Köln, Neapel und Graz; Museum Ludwig, 11. Dezember 2009 – 14. März 2010; Madre – Museo d'Arte Contemporanea Donnaregina, 15. Mai – 23. August 2010; Kunsthaus Graz, 24. September 2010 – 9. Januar 2011.] DuMont, Köln 2009. ISBN 978-3-8321-9280-8.
  • Benedikt Ledebur (Hrsg.): Der Ficker [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck, 12. Februar – 23. April 2005], Wien 2005. ISBN 3-85160-050-9
  • Klaus Thoman (Hrsg.): Franz West – Die Aluskulptur im Schlosspark Ambras [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung im Schlosspark Ambras, Juni – Oktober 2000.] Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck 2000. ISBN 3-88375-439-0
  • Veit Loers: Abriss der Farbenlehre. Martin Kippenberger / Franz West [Publikation zur Ausstellung der Sammlung Förg im Städtischen Museum Abteiberg], Städtisches Museum Abteiberg (Hrsg.), Mönchengladbach 2003.
  • Hans Ulrich Obrist (Hrsg.), Ines Turian (Hrsg.): Franz West SCHRIEB. Texte von 1975-2010, Köln 2011.
  • Franz West: Franz West – Displacement and Condensation. [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in der Gagosian Gallery London, 12. September – 21. Oktober 2006.] Gagosian Gallery, London 2006. ISBN 1-932598-36-7
  • Franz West, Benedikt Ledebur: Extroversion – a Talk / ein Gespräch.[18] [Erschienen anlässlich der Beteiligung von Franz West an der Ausstellung ILLUMInations, kuratiert von Bice Curiger im Rahmen der 54. Biennale di Venezia 2011, an der West den goldenen Löwen für sein Lebenswerk verliehen bekommen hat.] Schlebrügge.Editor, Wien 2011. ISBN 978-3-902833-00-6
  • Otium, nach dem gleichnamigen Künstlerbuch von Franz West, Hörspiel von Oliver Augst, mit Rüdiger Carl und Heimo Zobernig, ORF 2017. 2018 erschienen als LP bei Koenig Books London. Hrsg. von Astrid Ihle. Text von Benedikt Ledebur. Konzept u. Gestaltung: Heimo Zobernig. Schuber mit einer Schallplatte in Hülle & 2 Booklets (12 S. & 32 S.) – Text in dt. & engl. Sprache.
  • Hans Ulrich Obrist (Hrsg.), Ines Turian (Hrsg.): Franz West Notes. Writings 1975-2011, Wien 2018.
  • Melitta Kliege: Franz West. Sisyphos: Litter & Waste [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung der Gagosian Gallery New York, 22. Februar – 29. März 2003], Gagosian Gallery (Hrsg.), New York 2003. ISBN 1-880154-89-7
  • Veit Loers: Franz West, Friedrich Christian Flick Collection (Hrsg.), Köln 2006.
  • Franz West, in: Internationales Biographisches Archiv 03/2012 vom 17. Januar 2012, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  • Sarah Lukas, Benedikt Ledebur: Franz West. Displacement and Condensation [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung der Gagosian Gallery London], Gagosian Gallery (Hrsg.), Ostfildern 2006. ISBN 1-932598-36-7
  • Kristine Bell (Hrsg.): Franz West – Early work [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in der Galerie Zwirner & Wirth (ab 2010 lediglich als Galerie David Zwirner geführt), 30. Oktober 2004 – 8. Jänner 2005.] Zwirner & Wirth, New York 2004.
  • Eva Badura-Triska (Hrsg.): 'Franz West. Proforma'. [Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in der Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, 20er Haus Wien, 16. März – 19. Mai 1996.] MMKSLW, Wien, 1996.

Weblinks

Commons: Franz West – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Der Standard: Künstler Franz West gestorben vom 26. Juli 2012, abgerufen am 18. September 2018
  2. Eva Badura-Triska (Hrsg.): Franz West, Proforma. Museum Moderner Kunststiftung Ludwig Wien. Oktagon Verlag, Wien 1996, ISBN 3-89611-010-1, S. 105 f.
  3. Franz West. Austria-Forum (AEIOU)
  4. Official Awards of the 54th International Art Exhibition. labiennale.org, 4. Juni 2011, archiviert vom Original am 13. Januar 2013; abgerufen am 4. Juni 2011.
  5. Ehrengrab für Künstler Franz West am Wiener Zentralfriedhof – Vienna Online, 26. Juli 2012
  6. Johann Werfring: Wo der Tod in Wien den Tourismus belebt. In: Wiener Zeitung, 2. November 2018, S. 18.
  7. Olga Kronsteiner: OGH beendet Erbstreit um den Nachlass von Franz West., In: Der Standard, 29. Januar 2021, abgerufen am 19. Dezember 2023.
  8. Olga Kronsteiner: Jahrelanger Streit ums Erbe: Der lange Weg zu Franz Wests letztem Willen., In: Der Standard, 13. Dezember 2023, abgerufen am 19. Dezember 2023.
  9. Das Erbe von Franz West ist endgültig entschieden., In: Webseite der Franz West Privatstiftung, ohne Datum, abgerufen am 19. Dezember 2023.
  10. Franz West - Die Aluskulptur im Schloßpark Ambras, Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck, 2000
  11. Informationen zu Franz West anlässlich der Werkschau Franz West – Appartement, Deichtorhallen, Hamburg, 2001
  12. Ausstellung Sit on My Chair, Lay on My Bed. Angewandte Kunst, 29. April 2008 – 28. September 2008 (Memento vom 28. Dezember 2010 im Internet Archive) auf MAK.at
  13. Biografie, Bibliografie und Werke (Memento vom 23. Dezember 2011 im Internet Archive) in der Galerie Eva Presenhuber
  14. Franz West. Autotheater. Köln – Neapel – Graz – Retrospektive im Kunsthaus Graz (25. September 2010 bis 9. Januar 2011)
  15. Mitteilung zur Ausstellung, abgerufen am 31. August 2014.
  16. Ausstellung Franz West – Wo ist mein Achter? (Memento vom 9. August 2013 im Internet Archive) vom 23. März–26. Mai 2013. PDF. Online auf mumok.at.
  17. Jeden Morgen ein Spiegelei für die Skulptur in FAZ vom 2. Januar 2017, Seite 13
  18. Extroversion im Verlag Schlebrügge

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Wie bei allen anderen „Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzungen“ sind nach § 62 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) keine Änderungen am eigentlichen Werk zulässig.

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Der österreichische Bildhauer Franz West in Köln, Museum Ludwig (11.12.2009)