Französisch-Nordafrika

Algerien, Marokko und Tunesien im 19. Jahrhundert

Französisch-Nordafrika (französisch Afrique française du Nord) war die Bezeichnung für die französischen Besitzungen im nordafrikanischen Maghreb im 19. und 20. Jahrhundert.

Geographie

Französisch-Nordafrika war niemals eine administrative Einheit, sondern ein informeller Begriff für die Protektorate Marokko (wobei kleinere Gebiete im Norden und im Süden Marokkos spanisches Protektorat waren) und Tunesien sowie Algerien (Algerien bestehend aus drei Départements als Teil des französischen Mutterlandes im Norden und der Sahara) und kleinere Teile Libyens. Nach Südwesten bzw. Süden schlossen sich geografisch die ehemaligen Kolonien von Französisch-Westafrika an.

Geschichte

1830 begann die Eroberung Algeriens, die bis 1847 mit dem Sieg der Franzosen über Abd el-Kader weitgehend abgeschlossen war. In der Zweiten Französischen Republik ab 1848 wurde der nördliche Teil des heutigen Staates Algerien, unterteilt in die Départements Algier, Oran und Constantine, Teil des französischen Mutterlandes. An der Spitze der Regierung stand in Französisch-Algerien seit 1871 ein Generalgouverneur in Algier, der Zivil- und Militärgewalt in seiner Person vereinigte und hinsichtlich der politischen Verwaltung vom französischen Ministerium des Innern, in allen anderen Angelegenheiten von den betreffenden Ministerien abhing. Für Zivilangelegenheiten stand ihm ein aus hohen Beamten und Vertretern der Bürgerschaft zusammengesetzter Rat zur Seite. Die drei Départements Algier, Oran und Constantine zerfielen jedes in ein Territoire militaire und ein Territoire civil. Letzteres wurde wieder in Arrondissements eingeteilt, während das Territoire militaire in Divisionen und Subdivisionen zerfiel. Das Territoire civil hatte 1896 eine Bevölkerung von 3.873.278, das Territoire militaire eine von 556.143 Personen. Die arabische Bevölkerung bildete noch Duars und Ferkas (Gemeinden), Uls (Stämme) und Arraliks (Vereinigungen von mehreren Stämmen).[1]

1881 wurde auch Tunesien besetzt. Unter diesem militärischen Druck unterstellte sich Sadiq Bey mit dem Vertrag von Bardo (auch Vertrag von Ksar Said) einem französischen Protektorat.[2] Der Bey gab seine Unabhängigkeit in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie in Bezug auf die laufende Verwaltungsreform auf. Entsprechende Entscheidungen konnten nur noch in Abstimmung mit dem jeweiligen französischen Ministerresidenten getroffen werden.

1912 wurde auch Marokko besetzt. Im Vertrag von Fès verzichtete der Sultan Mulai Abd al-Hafiz gezwungenermaßen zugunsten Frankreichs auf seine Souveränität über Marokko. Das Protektorat Französisch-Marokko wurde errichtet. Staatsoberhaupt blieb offiziell der Sultan.[3] Nordmarokko musste als Protektorat Spanisch-Marokko an Spanien abgetreten werden, während Tanger einen internationalen Status erhielt. Den bewaffneten Widerstand marokkanischer Stämme konnte das französische Militär erst gegen Ende der 1920er Jahre brechen (siehe Rifkrieg 1921 bis 1926).

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Region Kriegsschauplatz, als amerikanische und britische Truppen am 7. November 1942 im Rahmen der Operation Torch in Französisch-Nordafrika landeten. Die deutschen und italienischen Verbände der Panzerarmee Afrika zogen sich aus Libyen nach Tunesien zurück, um sich dort diesen Truppen und auch der von Osten aus Libyen vorrückenden britischen 8. Armee General Montgomerys in den Weg zu stellen. Diese militärische Auseinandersetzung (bekannt als Tunesienfeldzug) endete im Mai 1943 mit der Kapitulation von über 200.000 Soldaten der Achsenmächte.

Wegen zunehmender Proteste und Unruhen in der Bevölkerung Tunesiens und Marokkos erhielten die beiden Staaten im März 1956 ihre Unabhängigkeit. Frankreich versuchte aber weiterhin, Algerien als Teil seines Staatsgebiets zu erhalten. Bereits im September 1947 war allen Algeriern die französische Staatsbürgerschaft zuerkannt worden (Algerien-Statut). Am 7. August 1955 wurde aus dem westlichen Teil des Département de Constantine das Département de Bône geschaffen. 1957 wurden die vier Départements in 17 neue Départements gegliedert.

Algerien 1957–1962
Nr.DépartementPräfekturZeitraum
8AOasisOuargla1957–1962
8BSaouraBéchar1957–1962
9AAlgerAlgier1957–1962
9BBatnaBatna1957–1962
9CBôneAnnaba1957–1962
9DConstantineConstantine1957–1962
9EMédéaMedea1957–1962
9FMostaganemMostaganem1957–1962
9GOranOran1957–1962
9HOrléansvilleChlef1957–1962
9JSétifSétif1957–1962
9KTiaretTiaret1957–1962
9LTizi-OuzouTizi Ouzou1957–1962
9MTlemcenTlemcen1957–1962
9NAumaleSour El-Ghozlane1958–1962
9PBougieBejaia1958–1962
9RSaidaSaida1958–1962

Gegen zunehmende Proteste und Unruhen in der Bevölkerung war aber auch Algerien nicht zu halten. Die Algerier verübten Terroranschläge gegen die französischen Soldaten und Zivilisten. Das französische Militär wandte die Methoden der so genannten „französischen Doktrin“ an, die summarische Hinrichtungen, Folter und das Auslöschen ganzer algerischer Dörfer umfasste. Dies war zwar zunächst militärisch erfolgreich, führte aber wegen des Bekanntwerdens der systematischen Menschenrechtsverletzungen letztlich zu einer deutlichen innen- und außenpolitischen Schwächung Frankreichs und zwangen zu den Verträgen von Évian, die am 18. März 1962 in Évian-les-Bains unterzeichnet wurden. Die Nationale Befreiungsfront (FLN) erklärte das Land nach dem langen und blutigen Algerienkrieg am 5. Juli 1962 für unabhängig.[4] Die europäische Minderheit im Land floh nach der Unabhängigkeit des Landes fast vollständig.

Literatur

  • David Kenneth Fieldhouse: Die Kolonialreiche seit dem 18. Jahrhundert. Fischer Weltgeschichte, Band 29. Fischer Bücherei, Frankfurt am Main 1965.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 318–325. (Link)
  2. Encyclopedia of World History (2001) Deutsche Übersetzung: Mit dem Vertrag von Bardo begann das französische Protektorat über Tunis. Er ging auf eine Vereinbarung zwischen Salisbury und Bismarck anläßlich des Berliner Kongresses zurück, die von der französischen Regierung jedoch noch nicht umgesetzt worden war, da sie den Zusicherungen Bismarcks misstraute und die öffentliche Meinung zur Ausweitung des Kolonialbesitzes gegen sich gerichtet sah. Auslösend waren die Aktivitäten der Italiener, die sich in ihren kolonialen Ansprüchen zu Lasten Österreich-Ungarns auf dem Berliner Kongress benachteiligt sahen. Die Angelegenheit führte zu lang anhaltenden Spannungen zwischen Italien und Frankreich und die Situation im Mittelmeer verschlechterte sich zu Lasten des Vereinigten Königreichs. Gladstone protestierte zwar, die britische Regierung sah sich jedoch durch Salisburys Zusicherung gegenüber Bismarck gebunden.
  3. Historische Entwicklung Marokkos. Der Vertrag von Fes. S. 48@1@2Vorlage:Toter Link/www.staff.uni-mainz.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  4. No 7395. Échange des lettres et déclarations adoptés le 19 mars 1962 a l'issue des pourparlers d'Évian, constituant un accord entre la France et l'Algérie. Paris et Rocher Noir, 3 juillet 1962/Exchange of letters and declarations adopted on 19 march 1962 at the close of the Evian talks, constituting an agreement between France and Algeria. Paris and Rocher Noir, 3 July 1962. In: United Nations Treaty Series. Treaties and international agreements registered or filed and recorded with the Secretariat of the United Nations. Band 507, 1965, S. 25–99 (französisch, englisch, un.org [PDF; abgerufen am 18. Dezember 2017]).

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