Evangelische Militärseelsorge in Deutschland

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Militärseelsorger in Afghanistan

Die Evangelische Militärseelsorge in Deutschland dient der seelsorgerischen Betreuung von Soldaten und Soldatinnen durch die Evangelische Kirche. Ihre Arbeit in der Militärseelsorge der Bundeswehr basiert auf einem Staatsvertrag zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Bundesrepublik Deutschland. Die Militärseelsorge als Teil der kirchlichen Arbeit wird im Auftrag und unter Aufsicht der Kirche ausgeübt. Der Staat sorgt für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten. Mit einem Sonderhaushalt der EKD werden weitergehende Aufgaben finanziert. Hintergrund für die Seelsorge ist die Gewährleistung des Rechtes der Soldaten, auch unter den besonderen Bedingungen des soldatischen Dienstes ihre Religion frei und ungestört ausüben zu können.

Sie umfasst derzeit (Stand: 27. Mai 2016) 98 Militärpfarrer und zusätzlich etwa gleich viele Pfarrhelfer, die vor Ort als Ansprechpartner bereitstehen und teilweise auch für mehrere Standorte zuständig sind. Neben Gottesdiensten wird zur berufsethischen Unterstützung der Soldaten auch Lebenskundlicher Unterricht erteilt. An den Auslandsstandorten der Bundeswehr, an denen die Soldaten teilweise mit ihren ganzen Familien leben, gibt es ein komplettes Gemeindeleben. Die Angebote der Militärseelsorge richten sich ausdrücklich nicht nur an Kirchenangehörige, sondern an alle Militärangehörigen.

Die Arbeit der evangelischen Militärseelsorge steht unter dem Motto Domini Sumus (deutsch: Wir gehören dem Herrn).

Die Leitung der evangelischen Militärseelsorge ist einem Bischof übertragen. 2014 wurde das Bischofsamt mit Sigurd Rink erstmals hauptamtlich besetzt. Bischof Rink steht in keinem Dienstverhältnis zum Staat oder zur Bundeswehr. Seit Oktober 2020 wird das Amt von Bernhard Felmberg wahrgenommen. Zwei an der Seelsorge beteiligte Einrichtungen unterstützen den Militärbischof: Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr (EKA) und der Handlungsbereich Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr (HESB), beide mit gemeinsamen Sitz in Berlin. Das EKA ist als Bundesoberbehörde mit zentralen Verwaltungsaufgaben betraut und wird von Militärgeneraldekan Matthias Heimer geleitet, der ordinierter Theologe ist. Dem EKA sind vier Evangelische Militärdekanate als Bundesmittelbehörden und etwa 100 Evangelische Militärpfarrämter als Bundesunterbehörden unterstellt.

Geschichte

Die Militärseelsorge in Deutschland hat eine lange Geschichte. Vorläufer der Militärseelsorge in der Bundeswehr waren die Seelsorger in der Wehrmacht[1] und die Seelsorge bei den kasernierten zivilen deutschen Labor Service-Einheiten der US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland, die im Juni 1951 begann.[2][3]

Die evangelische Militärseelsorge in der Bundeswehr wurde im Jahr 1957 mit einem Militärseelsorgevertrag etabliert. Dieser soll einerseits die geistliche Unabhängigkeit, andererseits die größtmögliche Nähe zu den Soldaten gewährleisten. Ab dem 1. Januar 2004 gilt der Militärseelsorgevertrag (MSV) in allen Landeskirchen der EKD als Grundlage der „Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr“ (nach dem „Kirchengesetz zur Regelung der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr“ die gültige Sprachregelung).

Die evangelische Militärseelsorge war von Anfang an heftig umstritten und wurde besonders von Vertretern der aus der Bekennenden Kirche kommenden Bruderschaften abgelehnt. So erklärte der systematische Theologe Hans Joachim Iwand in einem Referat auf der Ersten Tagung der internationalen Christlichen Friedenskonferenz (CFK) in Prag 1958:

„Mir ist meist erst unter Hitler aufgegangen, daß man dieses blutige Handwerk nicht mitmachen darf. Und man darf auch die Vorbereitung zu diesem blutigen Handwerk nicht mehr rechtfertigen. An der Christenheit hängt heute ein riesiges Gewicht.[4]

Das Gorch-Fock-Haus der Marineschule Mürwik, welches die Evangelische Militärseelsorge des Standorts Flensburg-Mürwiks beherbergt (Foto 2015).

In der DDR gab es keine Militärseelsorge. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands waren die ostdeutschen Landeskirchen zunächst nicht bereit, den Militärseelsorgevertrag und die westdeutsche Praxis der Militärseelsorge zu übernehmen. Sie befürchteten eine zu große Staatsnähe und machten Bedenken geltend gegen das staatliche Beamtenverhältnis der Militärpfarrer, die Stellung des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr und seine Eingliederung in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, die Doppelstellung des Militärgeneraldekans und die Mitwirkungsrechte des Staates bei der Ernennung des Militärbischofs. Erst nach einer Übergangsregelung trat der Militärseelsorgevertrag Anfang 2004 auch in den neuen Bundesländern in Kraft.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Jens Müller-Kent: Militärseelsorge im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Auftrag und militärischer Einbindung. Analyse und Bewertung von Strukturen und Aktivitäten der evangelischen Militärseelsorge unter Berücksichtigung sich wandelnder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (= Hamburger theologische Studien. Band 1). Steinmann und Steinmann, Hamburg 1990, ISBN 3-927043-09-5.
  • Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (Hrsg.): Zum Frieden berufen. Notizen aus der evangelischen Militärseelsorge [Heinz-Georg Binder zum 60. Geburtstag]. Lutherisches Verlagshaus, Hannover 1989, ISBN 3-7859-0593-9.
  • Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (Hrsg.): Oasen. Worte, Bilder, Begegnungen aus der evangelischen Seelsorge im Auslandseinsatz der Bundeswehr. Im Auftrag des Evangelischen Militärbischofs, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2006, ISBN 978-3-374-02401-8.
  • Ines-Jacqueline Werkner: Soldatenseelsorge versus Militärseelsorge. Evangelische Pfarrer in der Bundeswehr (= Forum innere Führung. Band 13). Nomos, Baden-Baden 2001, ISBN 3-7890-7392-X.
  • Dagmar Pöpping: Passion und Vernichtung. Kriegspfarrer an der Ostfront 1941–1945. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2019, ISBN 978-3-525-54145-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dagmar Pöpping: Kriegspfarrer an der Ostfront. Evangelische und katholische Wehrmachtseelsorge im Vernichtungskrieg 1941–1945, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2017, ISBN 978-3-525-55788-4.
  2. Katholische Militärseelsorge (Memento des Originals vom 7. Januar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.katholische-militaerseelsorge.de, abgerufen am 30. Januar 2012
  3. Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bd. 5: 1951. Bearbeitet von Dagmar Pöpping, Göttingen: Vandenhoeck % Ruprecht, 2005, S. 164 ff.
  4. Ökumenisches Institut der Comenius-Fakultät in Prag (Hg.): Aufgabe und Zeugnis. Christliche Friedenskonferenz Prag 1. bis 4. Juni 1958, Praha 1958, S. 46
  5. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) (Memento des Originals vom 20. September 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ekd.de, abgerufen am 30. Januar 2012

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A German chaplain gives a goblet of wine for sipping to symbolize the blood of Jesus Christ at a ceremony that blessed the soldiers with safe passage during their combat tour in northern Afghanistan.
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