Ersan Mondtag

Ersan Mondtag, eigentlich Ersan Aygün (* 1987 in West-Berlin), ist ein deutscher Theaterregisseur, der zwischen Feldern Theater und Musik, Performance und Installation arbeitet.

Leben

Mondtag wuchs als Kind türkischer Gastarbeiter in Berlin-Neukölln auf.[1] Er hospitierte zunächst bei Thomas Langhoff, Frank Castorf und Claus Peymann und assistierte dann bei Vegard Vinge, bevor er 2011 an die Otto-Falckenberg-Schule nach München ging. Er brach das Studium nach zwei Jahren ab. Nach dem abgebrochenen Studium gründete Mondtag das Kapitæl Zwei Kolektif. Dieses Kollektiv konzipierte Dauerperformances, experimentelle Partyformen sowie interdisziplinäre Theaterarbeiten. Für die Schaustelle der Pinakothek der Moderne realisierte er mit Olga Bach Konkordia, eine neuntägige Dauerperformance. Über die Performance Party # 4 - NSU vom Kapitæl Zwei Kolektif schrieb Rita Argauer 2015 in der Spex:

„Wenn man den Schauder, den einem die Kombination von Party und den NSU-Morden über den Rücken jagt, einmal abgeschüttelt hat, verbirgt sich hinter den Veranstaltungen des Münchner Kapitæl Zwei Kolektifs um Ersan Mondtag ein interessantes Angebot neuerer Popkultur: die Dokumentarparty. Die Performance-Truppe schlägt eine Art realpolitische Keule in den Hedonismus des Nachtlebens, ohne dabei den Sinn der Clubkultur zu verraten. Der Wirklichkeitseinschlag gerät bei der NSU-Party zum Horrorkabinett. Im Club Mixed Munich Arts wurde aus den Gerichtsprotokollen des NSU-Prozesses ein Theaterstück geformt, dessen monströser Wirklichkeitsanspruch durch den Partykontext noch mehr zu schockieren wusste. Gleichzeitig erscheint die Dokumentarparty fast als einzig angemessene Möglichkeit der Reaktion, wenn eine Ecke weiter Beate Zschäpe nicht mehr U2 hört, sondern im Gerichtssaal sitzt.“

Rita Argauer: Spex[2]

In der Spielzeit 2013/14 war Mondtag Mitglied im Regiestudio des Schauspiel Frankfurt und inszenierte dort 2. Sinfonie (2014 beim Radikal Jung Festival), Das Schloss und Orpheus# (2015 beim Radikal Jung Festival in München). 2015 entstand am Staatstheater Kassel sein Stück TYRANNIS, mit dem Mondtag zum Berliner Theatertreffen 2016 eingeladen wurde. Es folgten weitere Gastspiele, u. a. erneut beim Festival Radikal Jung. Das Fachmagazin Theater Heute kürte Mondtag 2016 zum Nachwuchsregisseur des Jahres. Gleichermaßen wurde er in den Kategorien »Bühnenbildner und Kostümbildner des Jahres« ausgezeichnet. Am 9. Februar 2018 wurde am Theater Dortmund Das Internat uraufgeführt, für dessen Inszenierung Mondtag mit dem 3sat-Preis 2019 ausgezeichnet wurde. Das Projekt wurde im selben Jahr zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen.[3]

Mondtag inszeniert u. a. am Thalia Theater Hamburg, am Schauspiel Frankfurt, am Schauspiel Köln[4], am Maxim Gorki Theater Berlin und an den Münchner Kammerspielen.[5]

Die Inszenierung einer Performance zur Eröffnung des Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung, Versöhnung sagte Mondtag mit der Begründung ab, die das Zentrum tragende Stiftung habe zu viel Einfluss auf die Inhalte ausüben wollen. So sollten Hinweise auf die Vereinnahmung des Themas durch rechte Parteien, beispielsweise ein Zitat Björn Höckes, in dem dieser eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert hatte, entfernt werden.[6]

Mondtag lebt in Berlin.

Werke (Auswahl)

Auszeichnungen

  • 2016: Kostümbildner, Nachwuchsregisseur und Nachwuchsbühnenbildner des Jahres (Theater heute) für seine Stückentwicklung Tyrannis[10]
  • 2017: Kostüme des Jahres (Theater heute) für Die Vernichtung von Olga Bach[11]
  • 2019: 3sat-Preis für Das Internat[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tibor Bozi: Splatterfilm oder Oper? 21. November 2019, abgerufen am 10. Oktober 2023.
  2. Die anlassfreie Rezension #8: Kapitæl Zwei Kolektif Party # 4 – NSU vs. Various Heinz K. aus H. (Memento vom 19. September 2015 im Internet Archive)
  3. Berliner Festspiele: Theatertreffen - Das Internat. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 19. Mai 2019.@1@2Vorlage:Toter Link/www.berlinerfestspiele.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  4. Andreas Wilink: Die Verdammten – Schauspiel Köln – Ersan Mondtag fährt mit Luchino Viscontis Industriellen-Familiensaga Geisterbahn. Abgerufen am 16. Dezember 2019 (deutsch).
  5. Cornelia Fiedler: Doktor Alıcı – Ersan Mondtag und Olga Bach mit ihrer Schnitzler-Überschreibung an den Münchner Kammerspielen. Abgerufen am 17. Dezember 2019 (deutsch).
  6. „Die Kontrolle ging für uns zu weit“, Ersan Mondtag im Gespräch mit Eckhard Roelcke, DLF Kultur, 5. Februar 2021, abgerufen am 9. September 2021
  7. Michael Laages: Tyrannis – Kassel zeigt die jüngste Performance-Kreation des Regisseurs Ersan Mondtag. Abgerufen am 30. Dezember 2019 (deutsch).
  8. Geneva Moser: Die Vernichtung – Ersan Mondtag und Olga Bach zeigen am Konzert Theater Bern eine bildmächtige Endzeitfantasie. Abgerufen am 30. Dezember 2019 (deutsch).
  9. Sascha Westphal: Das Internat – Ersan Mondtag entwirft in Dortmund die Höllenvision einer ihre Fehler ständig wiederholenden Menschheit. Abgerufen am 30. Dezember 2019 (deutsch).
  10. Die Auswertung: Die größte Ehre. In: kultiversum. Die Kulturplattform. Abgerufen am 25. August 2016.
  11. derStandard.at: Joachim Meyerhoff zum "Schauspieler des Jahres" gewählt. Artikel vom 31. August 2017, abgerufen am 31. August 2017.
  12. 3sat-Preis beim Theatertreffen für Ersan Mondtag, abgerufen am 27. März 2019.