Eine kurze Geschichte der Menschheit

Eine kurze Geschichte der Menschheit ist ein Sachbuch von Yuval Noah Harari, Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, das 2011 in Israel in hebräischer Sprache unter dem Titel Ḳizur Toldot Ha-Enoshut, hebräisch קיצור תולדות האנושות, erschien. Die englische Übersetzung mit dem Titel Sapiens: A Brief History of Humankind kam 2014 auf den Markt. Die deutsche Übersetzung aus dem Englischen hat Jürgen Neubauer erstellt, sie ist 2013 in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen.[1] Das Buch wurde bis 2018 in knapp 50 Sprachen übersetzt und erreichte eine verkaufte Auflage von über 10 Millionen.[2] 2020 erschien unter dem Titel Sapiens. Der Aufstieg eine Adaption im Form einer großformatigen Graphic Novel.[3]

Im Vergleich mit der Zeitspanne seit dem Urknall, der ca. 13,8 Mrd. Jahre zurückliegt, ist die Geschichte der Menschheit mit ca. 70.000 Jahren äußerst kurz, sie umfasst nur etwa 0,0005 % dieses Zeitraums. Das Buch beschreibt die Entwicklung der Menschheit von ihren Anfängen bis zum heutigen „Beherrscher der Erde“. Mit Kenntnissen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen geht der Autor großen Fragen nach. Ist der Mensch die Krone der Schöpfung oder der Schrecken des Ökosystems? Diese Vorherrschaft hat sich bis heute stetig zugespitzt. Was hat uns zu dem gemacht, was wir sind? Was sind wir morgen?[4][5]

Zusammenfassung

Menschenähnliche Wesen gab es bereits vor 2,5 Mio. Jahren. Aus der Familie der Menschenaffen hat sich vor ca. 150.000 Jahren in Ostafrika die heutige Art des Homo sapiens entwickelt. Es gab mindestens fünf andere Ausprägungen derselben Gattung, wie zum Beispiel den Neandertaler, die jedoch alle nicht überlebt haben. Im Vergleich zu Tieren sind alle Menschenarten durch den aufrechten Gang und ein vergleichsweise großes Gehirn gekennzeichnet. Das Gehirn ist mit 25 % des Gesamtbedarfs ein großer Energiefresser. Durch die Nutzbarmachung des Feuers und das Kochen von Nahrungsmitteln konnte der Mensch, der als Jäger und Sammler lebte, den Aufwand zur Energieaufnahme erheblich reduzieren.

Harari unterteilt die Geschichte der Menschheit in vier Phasen, die er Revolutionen nennt:

  1. die kognitive Revolution (ab ca. 70.000 v. Chr.)
  2. die landwirtschaftliche Revolution (ab ca. 10.000 v. Chr.)
  3. die Vereinigung der Menschheit (ab ca. 800 v. Chr.)
  4. die wissenschaftliche Revolution (ab ca. 1500 n. Chr.)

Die kognitive Revolution

Lernfähigkeit, Gedächtnis und kommunikative Kompetenz bezeichnet Harari als die kognitiven Fähigkeiten, die sich ab ca. 70.000 Jahren v. Chr. beim Homo sapiens in Verbindung mit „erstaunlichen Leistungen“ entwickelt haben. Es begann der Aufbau komplexer Strukturen, die wir heute Kulturen nennen. Der Mensch begann seinen Lebensraum auszudehnen, zuerst in den Nahen Osten und dann in den gesamten Eurasischen Raum, später per Boot auch nach Australien sowie Ozeanien. Die ersten Gegenstände, die man als Kunst und Schmuck bezeichnen kann, stammen aus dieser Zeit. Mit Hilfe von Sprache entwickelte er Legenden, Mythen, Werte, Normen, Wissen, Religionen und andere Fantasieprodukte, die die Grundlage waren, um Kollektive und sonstige Formen der Zusammengehörigkeit zu entwickeln und zu festigen. Dieser Prozess ermöglicht effektive Organisationsformen, um gemeinsam komplexe Handlungen erfolgreich zu vollziehen. Er ist die Grundlage für ein geregeltes Sozialverhalten und für die Dominanz des Homo sapiens im Ökosystem. Im Laufe der Zeit verdrängte der Homo sapiens alle anderen Menschenarten, wobei die Wissenschaft die Einzelheiten dieses Prozesses, der vor ca. 50.000 Jahren endete, noch nicht abschließend geklärt hat. Bei der Ausdehnung seines Lebensraums verursachte der Jäger und Sammler ein großes Artensterben insbesondere in der Tierwelt (Quartäre Aussterbewelle). Schon damals hielt der Homo sapiens den traurigen Rekord als dasjenige Lebewesen, welches das Aussterben der meisten Tier- und Pflanzenarten verantwortet.

Die landwirtschaftliche Revolution

Als Folge einer regional steigenden Zahl an Menschen wurde der Homo sapiens sesshaft und begann mit Ackerbau, er domestizierte Wildtiere und betrieb Viehzucht. Harari nennt dies die landwirtschaftliche Revolution (Neolithische Revolution). Es wurden feste Siedlungen errichtet. So konnten mehr Menschen ernährt werden, die Nachteile waren eine ungewohnt harte Arbeit, eine weniger variantenreiche Ernährung, eine regional höhere Bevölkerungsdichte, die Zunahme von Krankheiten sowie der Drang nach Wohlstand („Luxusfalle“). Für die zu Haustieren domestizierten Tiere bewertet Harari die landwirtschaftliche Revolution als eine schreckliche Katastrophe. Wegen der jahreszeitlichen und klimatischen Unsicherheiten eines bäuerlichen Lebens entwickelte der Mensch die Vorratshaltung. Besitz führte allerdings bei Dritten zu Begehrlichkeiten. Es bildete sich ein System von Herrschern und Eliten, um die Bauern zu schützen oder auszurauben. Die Eliten häuften Reichtümer an und bildeten Herrschaftsbereiche. Sie festigten ihre Systeme durch kulturelle oder religiöse Ordnungen, an die alle glaubten (wie z. B. Monarchie). Zur besseren Organisation des Zusammenlebens entwickelte der Mensch Hilfsmittel wie Zahlensysteme und Schrift, und es entstanden hierarchische Strukturen.

Die Vereinigung der Menschheit

Mit der Vereinigung der Menschheit bezeichnet Harari den Prozess, dass einzelne Kulturen andere Kulturen ganz oder teilweise vereinnahmen. Er sieht auch darin eine Revolution. Grundlage dieses Prozesses sind nach seinen Worten die Ordnung des Geldes, der Imperien, und der Weltreligionen. Gemeint sind Händler, Eroberer und Propheten. Geld hat den Handel gegenüber der Tauschwirtschaft wesentlich effizienter gemacht, es erleichtert die Aufbewahrung von Vermögen und es ermöglicht den Transport von materiellen Werten. Harari bezeichnet Geld als ein Fantasieprodukt: „Vertrauen ist der Rohstoff, aus dem Münzen geprägt sind.“ Imperien vereinigen unterschiedliche Kulturen unter einem Dach und schaffen dabei eine eigene dominierende Kultur, die sich auch nach einem Untergang des Imperiums weiterentwickelt. Religion ist die dritte große Kraft, die zur Einigung der Menschheit beitrug. Sie nimmt Bezug auf eine übermenschliche Ordnung und gibt in Form von einheitlichen Werten und Normen einer Ordnung ein stabiles Fundament.

Die wissenschaftliche Revolution

Vor rund 500 Jahren begann die wissenschaftliche Revolution, deren Dynamik in den letzten 200 Jahren weiter zugenommen hat. Der Mensch erkannte, dass man durch Forschung und neue Technologien zu Macht, Ruhm und Reichtum kommen kann. Treiber dieser Entwicklung waren der Imperialismus und die Entstehung des Kapitalismus. Beides hat seinen Ursprung zunächst in Europa und später auch Nordamerika sowie den dortigen Regierungen und Unternehmen. Es entstanden Finanzmärkte, die im Vertrauen auf gewinnbringende Wachstumsaussichten die wirtschaftliche Entwicklung beschleunigten. Durch medizinischen Fortschritt erhöhte sich die Lebenserwartung. Die Zahl der Menschen auf unserem Planeten ist im Zuge der wissenschaftlichen Revolution von ca. 500 Mio. im 16. Jahrhundert auf über 7,5 Mrd. gestiegen. Die industrielle Wirtschaft hat das Problem des Mangels gelöst und heute durch die Ethik des Konsums ersetzt. Die Folgen sind Umweltzerstörung, die Auflösung des Familienverbunds, ein steigender Einfluss des Staats auf das Individuum und das Entstehen von „erfundenen“ Gemeinschaften (z. B. Nationen oder Fanclubs). Das Ende des Imperialismus, der atomare Frieden, eine erhebliche Steigerung des materiellen Wohlstands und medizinischer Fortschritt prägen die Gegenwart. Harari geht der Frage nach, ob der Mensch heute glücklicher ist, und stellt fest, dass Glück von unseren von der Biochemie beeinflussten subjektiven Empfindungen, unserem Lebenssinn oder der Abwesenheit von subjektiven Empfindungen und einem Lebenssinn abhängig ist. Mit großer Sorge bewertet Harari die Bio- und die Cyborgtechnik sowie die Entwicklung von nicht-organischem Leben, da sie anstelle der natürlichen Auslese gottgleich das intelligente Design von Lebewesen stellen kann und der Mensch keinen Plan haben könnte, was er mit diesem Wissen werden will oder, dystopisch ausgedrückt, wollen will.

Rezeption

Das Buch gelangte in vielen Ländern auf die Bestsellerlisten. In Israel war es 100 Wochen bei den Sachbüchern auf Platz 1.[6] Von der allgemeinen Literaturkritik wurde es überwiegend positiv aufgenommen, während Wissenschaftler in ihren Stellungnahmen zu einem differenzierteren und teilweise negativen Ergebnis kamen.

„Das Thema ist trotz seiner hohen Faktendichte unterhaltsam aufbereitet, was vor allem an der klaren Gliederung sowie der sprachlich brillanten Darstellung liegt. Es räumt mit Vorurteilen auf und eröffnet neue Perspektiven. Etwas zu kurz kommt das Neuzeit-Kapitel...“

Sebastian Meißner: Literaturkritik.de[6]

“Much of Sapiens is extremely interesting, and it is often well expressed. As one reads on, however, the attractive features of the book are overwhelmed by carelessness, exaggeration and sensationalism.”

„Vieles in dem Buch ist hochinteressant und wird oft gut formuliert. Wenn man jedoch weiter liest, zeigen wesentliche Teile zu viele Nachlässigkeiten, Übertreibungen und Zeichen von Sensationsgier.“

“Harari’s book is important reading for serious-minded, self-reflective sapiens.”

„Hararis Buch ist ein wichtiger Lesestoff für den aufgeschlossenen, nachdenklichen Homo sapiens.“

Avi Tuschman: The Washington Post[8]

“... whenever his facts are broadly correct they are not new, and whenever he tries to strike out on his own he often gets things wrong, sometimes seriously. So we should not judge Sapiens as a serious contribution to knowledge but as 'infotainment', … a wild intellectual ride across the landscape of history, dotted with sensational displays of speculation, and ending with blood-curdling predictions about human destiny.”

„Wo seine Informationen einigermaßen korrekt sind, sind sie nicht neu, und immer wenn er eigene Beiträge zu leisten versucht, versteht er Sachverhalte falsch, teils grundfalsch. Daher sollten wir ‚Sapiens‘ nicht als ernsthaften Beitrag zum Wissen verstehen, sondern als ‚Infotainment‘, … einen wilden geistigen Ritt durch die Geschichte, mit aufsehenerregend zur Schau gestellten Spekulationen gespickt und in furchteinflößenden Voraussagen über das Schicksal der Menschheit endend.“

Christopher Robert Hallpike: New English Review[9]

„Ich weiß nicht, ob Harari so unwissend oder ob er so manipulativ war, dass er diese leicht überprüfbaren Tatsachen in ihr Gegenteil verkehrte. Fakt ist jedoch, dass es für ihn einige dramaturgische Vorteile mit sich brachte, den evolutionären Humanismus kontrafaktisch mit Hitler und den sozialistischen Humanismus kontrafaktisch mit Stalin zu verbinden. Denn ohne diesen Kniff hätte die Geschichte, die Harari seinen Leserinnen und Lesern verkaufen wollte, nämlich die Geschichte vom nahenden Untergang des Humanismus, gar nicht funktioniert.“

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag in der DNB, abgerufen am 10. April 2018.
  2. Yuval Noah Harari: persönliche Website. Abgerufen am 19. September 2019 (englisch).
  3. Yuval Noah Harari: Sapiens. Der Aufstieg. Übersetzung aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-75893-5.
  4. Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit. Pantheon Verlag, München, ISBN 978-3-641-10498-6.
  5. Buchvorstellung: Eine kurze Geschichte der Menschheit. In: Random House Website. Abgerufen am 1. April 2018.
  6. a b Sebastian Meißner: Wie der Mensch wurde, was er ist. In: literaturkritik.de. 21. November 2015, abgerufen am 8. April 2018.
  7. Galen Strawson: Sapiens: A Brief History of Humankind by Yuval Noah Harari – review. In: The Guardian. 11. September 2014, abgerufen am 15. Juli 2019.
  8. Avi Tuschman: How humans became human. In: The Washington Post. 16. Juni 2016, abgerufen am 8. April 2018 (englisch).
  9. Christopher Robert Hallpike: A Response to Yuval Harari's 'Sapiens: A Brief History of Humankind'. New English Review vom Dezember 2017, abgerufen am 27. April 2020 (englisch).
  10. Michael Schmidt-Salomon: Waren die Nazis wirklich "Humanisten"? Die große Harari-Ver(w)irrung. Humanistischer Pressedienst vom 1. August 2017, abgerufen am 26. Oktober 2021.