Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung

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Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. (abgekürzt: DPR) ist eine 2005 eingerichtete Institution zur Überwachung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland im Staatsauftrag. Sie hat ihren Sitz in Berlin. International tritt die DPR unter dem englischen Namen Financial Reporting Enforcement Panel (FREP) auf. In journalistischen Texten wird sie auch als „Bilanzpolizei“ bezeichnet,[1] sie hat jedoch keine hoheitlichen Befugnisse und ist als privatrechtlicher Verein organisiert. Seit 1. Januar 2022 besteht kein Staatsauftrag mehr; es ist seither allein die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Kontrolle von Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen verantwortlich.

Geschichte

Die Einrichtung nahm ihre Arbeit zum 1. Juli 2005 auf. Anlass für die Errichtung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) war die öffentliche Kritik an fehlenden Prüfungsstrukturen im Zusammenhang mit Bilanzskandalen vorausgegangener Jahre (beispielsweise Flowtex, Comroad).[2] Ihre Aufgaben wurden in den §§ 342b bis 342e des HGB beschrieben und bestanden in der Überwachung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen. Die Prüfstelle wurde nicht nur bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Rechnungslegung tätig, sondern hat auch ohne besonderen Anlass die Abschlüsse entsprechender Unternehmen stichprobenartig zu prüfen.

In einer Erhebung der Prüfungswirtschaft zum fünfjährigen Bestehen der Prüfstelle äußerten sich die Mehrzahl der befragten Großunternehmen mit den Prüfpraktiken der DPR zufrieden, wünschten sich aber einen noch schnelleren und kundenseitig ressourcenschonenderen Durchlauf.[3]

Die Kapitalgesellschaften arbeiteten im Prinzip auf freiwilliger Basis mit der Prüfstelle zusammen. Weigerte sich eine Aktiengesellschaft jedoch dieser Prüfung zuzustimmen, so wurde die zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen berechtigte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) tätig. Die BaFin konnte jedoch auch in Verdachtsfällen nicht eigenständig agieren, sondern war gesetzlich zur Einschaltung der DPR verpflichtet.

Die BaFin hatte der DPR im Februar 2019 wegen Ungereimtheiten in der Halbjahresbilanz 2018 des DAX-Unternehmens Wirecard einen Prüfauftrag erteilt. Die komplexe Prüfung habe lange gedauert, unter anderem weil über 16 Monate hinweg im Wesentlichen nur ein Mitarbeiter damit betraut gewesen sei. Durch die lange Prüfdauer war ein schnelles Eingreifen der staatlichen Organe unmöglich.[4][5] Nach diesem Versagen im Skandal um betrügerische Bilanzen des insolventen Konzerns[4] kündigte die Bundesregierung Ende Juni 2020 die Zusammenarbeit mit der DPR zum 31. Dezember 2021.[6][7] In diesem Kontext wurde zum Jahreswechsel 2021 auch der Rücktritt des DPR-Präsidenten Edgar Ernst angekündigt.[8]

Die DPR hatte 15 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von 6 Millionen Euro im Jahr 2020.[9] Pro Jahr führte die DPR zwischen 130 und 140 Prüfungen bei Unternehmen durch. Eine Prüfung dauerte durchschnittlich drei bis sechs Monate, in dieser Zeit mussten im Schnitt zwei bis vier Frageschreiben der DPR beantwortet werden.[3]

Seit dem 1. Januar 2022 ist allein die BaFin für die Kontrolle von Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen verantwortlich. Das bis dahin geltende zweistufige Verfahren – mit der privatrechtlich organisierten DPR auf der ersten und der BaFin auf der zweiten Stufe – wurde mit dem Inkrafttreten des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) in ein einstufiges Verfahren übergeleitet. Anlassprüfungen und stichprobenartige Prüfungen werden seither ausschließlich durch die BaFin durchgeführt und nicht mehr zuerst durch die DPR.[10]

Aufgaben, Mitglieder und Struktur

Geprüft werden die Jahresabschlüsse und Jahresberichte von Unternehmen, deren Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes an einer inländischen Börse zum Handel im amtlichen oder geregelten Markt zugelassen sind.

Die Prüfstelle überprüft, ob der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht, oder der zuletzt gebilligte Konzernabschluss und der zugehörige Konzernlagebericht eines Unternehmens in vorstehendem Sinne gesetzlichen Vorschriften, einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) oder den sonstigen Rechnungslegungsstandards (IFRS, Handelsgesetzbuch), entspricht.

Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der DPR waren bis Ende 2021 die §§ 342b ff. HGB, die durch das Bilanzkontrollgesetz[11] in das HGB eingefügt wurden und ab 21. Dezember 2004 in Kraft traten. Prüfungen durch eine anerkannte Prüfstelle im Sinne von § 342b Abs. 1 HGB fanden nach Art. 56 EGHGB ab dem 1. Juli 2005 statt.

Der Verein wurde am 14. Mai 2004 von 15 Berufs- und Interessenvertretungen gegründet und am 10. September 2004 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Er zählt heute 17 Mitglieder. Die Mitgliedschaft ist auf den Kreis von Berufs- und Interessenvertretungen von Rechnungslegern und Rechnungsleger-Nutzern beschränkt.

Gründungsmitglieder

Später beigetretene Mitglieder

Funktionäre

Gründungspräsident war Eberhard Scheffler. Sein Amt wurde von Herbert Meyer, Finanzvorstand der Heidelberger Druckmaschinen AG übernommen. Nachfolger ist seit 2011 der ehemalige Finanzvorstand der Deutschen Post AG, Edgar Ernst. Vorstandsvorsitzender des Trägervereins ist seit 2016 der frühere RWE-Finanzvorstand Rolf Pohlig; Gründungsvorsitzender und Pohligs Vorgänger war Werner Brandt, Finanzvorstand des Softwarekonzerns SAP.

Finanzierung

Die Finanzierung erfolgt auf Grundlage einer Umlage, wobei Mindest- und Höchstbeträge festgesetzt sind. Die Umlage bemisst sich an den Börsenumsätzen des jeweiligen Umlagepflichtigen im Verhältnis zu allen Umlagepflichtigen. Umlagepflichtig sind Unternehmen mit an einem deutschen Markt gehandelten Wertpapieren.

Einzelnachweise

  1. Bundesregierung will Vertrag mit „Bilanzpolizei“ kündigen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Juni 2020, abgerufen am 28. Juni 2020.
  2. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. In: boerse.ard.de, 20. Juni 2017, abgerufen am 28. Juni 2020.
  3. a b Unternehmen geben DPR-Prüfern gute Noten (Memento vom 13. August 2014 im Internet Archive). PricewaterhouseCoopers, Stand: 2010.
  4. a b Marcus Theurer: Finanzaufsicht verschleppte Wirecard-Bilanzprüfung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Juni 2020, abgerufen am 28. Juni 2020.
  5. FAZ Nr. 26 vom 228.6.2020, S. 27 / dpa-Bericht Bund kündigt Vertrag mit Bilanzprüfern, General-Anzeiger Bonn, 29. Juni 2020, S. 8.
  6. https://www.wiwo.de/deutsche-pruefstelle-fuer-rechnungslegung-bilanzpolizei-dpr-wehrt-sich-gegen-vorwuerfe-im-wirecard-skandal/25969010.html
  7. https://www.frep.info/struktur_der_dpr/rechtliche_grundlagen/anerkennungsvertrag.php
  8. Neuer Rücktritt im Wirecard-Skandal: Präsident der „Bilanzpolizei“ DPR geht. In: handelsblatt.com, 24. Februar 2021.
  9. Georg Gietsberg: Die „Bilanzpolizei“ sieht sich als Bauernopfer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Juni 2020, abgerufen am 28. Juni 2020.
  10. Bilanzkontrolle. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, zuletzt geändert am 25. Januar 2022, abgerufen am 30. Mai 2022.
  11. BGBl. 2004 I S. 3408 (PDF)

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