Clonidin

Strukturformel
Strukturformel von Clonidin
Allgemeines
FreinameClonidin
Andere Namen

2-[(2,6-Dichlorphenyl)imino]imidazolin (IUPAC)

SummenformelC9H9Cl2N3
Kurzbeschreibung

weißes bis fast weißes, kristallines Pulver (Hydrochlorid)[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer224-119-4
ECHA-InfoCard100.021.928
PubChem2803
ChemSpider2701
DrugBankDB00575
WikidataQ412221
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Antihypertensiva

Wirkmechanismus
Eigenschaften
Molare Masse230,09 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

130 °C[3]

pKS-Wert

8,05 (25 °C)[3]

Löslichkeit

löslich in Wasser und absolutem Ethanol (Clonidin·Hydrochlorid) [1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[4]

Gefahr

H- und P-SätzeH: 301​‐​330
P: 260​‐​284​‐​301+310​‐​310[4]
Toxikologische Daten

108 mg·kg−1 (LD50Mausoral)[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Clonidin ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Imidazoline. Es wird als Arzneistoff zur Behandlung der arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck), unterstützend während einer Narkose und bei der Dämpfung von Entzugserscheinungen eingesetzt. Clonidin ist ein α2-Adrenozeptor-Agonist. Clonidin kann oral – als Tablette oder Kapsel – bzw. intravenös, intramuskulär oder subkutan verabreicht werden.

Geschichte

Das ursprüngliche Hauptanwendungsgebiet von Clonidin (Behandlung der arteriellen Hypertonie) wurde in den 1960er Jahren eher zufällig erschlossen: Bei Tests verschiedener Substanzen zum Abschwellen der Nasenschleimhaut fiel beim Clonidin die starke Verringerung der Herzfrequenz (Bradykardie) und die Senkung des Blutdruckes (Hypotonie) auf. Später wurden im Tierexperiment auch schmerzlindernde und beruhigende Wirkkomponenten nachgewiesen.

Pharmakologie

Wirkungen

Insgesamt resultieren folgende Wirkungen

  • Senkung des Blutdruckes
  • Verminderung der Herzfrequenz
  • Senkung des Sympathikotonus im Entzug
  • Sedierung (bei höheren Dosen z. B. 300 Mikrogramm, wirkt es stark sedierend)
  • Schmerzlinderung

Wirkungsmechanismus

Clonidin gehört zur Gruppe der Antisympathotonika, welche durch die Erregung präsynaptischer α2-Adrenozeptoren einen hemmenden Einfluss auf die Transmitterfreisetzung haben, wodurch die Sympathikusaktivität sinkt. An den Barorezeptoren der Arteria carotis interna werden so bei einem Anstieg des arteriellen Blutdrucks eine Hemmung des Sympathikotonus und eine Stimulierung des Parasympathikus mit der Folge einer Blutdrucksenkung erreicht. Die Signaltransduktion erfolgt im Wesentlichen GPCR-vermittelt (vorwiegend inhibitorisches G-Protein) über präsynaptische α2-Rezeptoren. Jene α2-Rezeptoren sitzen an verschiedensten Stellen im Zentralnervensystem (Hypothalamus, Thalamus, Medulla oblongata, Formatio reticularis, Locus caeruleus, Nucleus tractus solitarii u. a.), ihre Stimulation bewirkt über eine verminderte Ausschüttung von Noradrenalin aus den Nervenendigungen (physiologischerweise ein negativer Rückkopplungsmechanismus) eine Verminderung des Sympathikotonus und damit eine sympatholytische Wirkung. Weitere Mechanismen sind die Stimulation von Imidazolin-Rezeptoren (u. a. ventrolaterale Medulla oblongata) und die Stimulation von postsynaptischen α2-Adrenozeptoren des Nucleus tractus solitarii, einer Hauptumschaltstelle der Blutdruckregulation. Alle genannten Mechanismen ziehen sympatholytische Effekte nach sich. Clonidin interagiert jedoch nicht nur mit den oben genannten α2-Adrenozeptoren, sondern wegen nicht hundertprozentiger Spezifität (relative Spezifität / Selektivität) auch mit den α1-Adrenozeptoren. Aus diesem Grunde kann bei schneller intravenöser Gabe auch ein initialer Blutdruckanstieg eintreten; ein paradoxer sympathomimetischer Effekt, der am ehesten durch eine Stimulation postsynaptischer α-Adrenozeptoren an der glatten Gefäßmuskulatur bedingt ist. Clonidin bewirkt über eine Stimulation der Hypophyse die Freisetzung von Wachstumshormon.

Anwendungsgebiete

  • Behandlung der Hypertonie
  • unterstützend in der Behandlung von Drogenentzugssyndromen (Alkohol, Opioide, γ-Butyrolacton u. a.)
  • Nutzung im Rahmen des Clonidin-Hemmtests
  • Anwendung im Rahmen von Narkosen zur Dämpfung des Vegetativums und zur Vermeidung von postoperativem Kältezittern
  • Sedierung im Rahmen der Intensivmedizin
  • In der Schmerztherapie zur Verringerung der Opioiddosierung
  • Behandlung von Intrusion und Übererregbarkeit bei PTBS-Patienten[5]
  • Clonidin-Test bei Verdacht auf Wachstumshormon-Mangel
  • Behandlung von Glaukom zur Verringerung der Kammerwasserproduktion und Erhöhung des Kammerwasserabflusses
  • Behandlung von inneren Anspannungszuständen bei Borderline-Patienten[6] als Off-Label-Verordnung

Zur Vorbeugung gegen Migräneanfälle[7] wird Clonidin heute als unwirksam[8] angesehen.

Nebenwirkungen

Wechselwirkungen

Eine Wirkungsverstärkung geschieht durch Diuretika, Vasodilatantien, Neuroleptika, Alkohol und Hypnotika, eine Wirkungsabschwächung wird durch Trizyklische Antidepressiva und teilweise auch Neuroleptika bewirkt.

Kontraindikation

Relative Kontraindikationen sind ein AV-Block 2. Grades und eine schwere arterielle Verschlusskrankheit, während ein AV-Block 3. Grades (wenn kein Schrittmacher zur Verfügung steht), ein Raynaud-Syndrom oder Depressionen absolute Kontraindikationen darstellen.

Pharmakokinetik

  • Bioverfügbarkeit: 75 %
  • Verteilungsvolumen: 2 l·kg−1
  • Plasmaproteinbindung: 30–40 %
  • Metabolismus: Nur geringe (20 %) hepatische Metabolisierung, vor allem zu p-Hydroxyclonidin
  • Plasmahalbwertszeit: 5–13 h nach oraler Gabe, 7–11 h nach i.v. Gabe
  • Elimination: Überwiegend (65 %) renal, höchstens 10 % über die Faeces, Clearance 182 ± 0,3 ml/min/kg.

Clonidin überwindet die Blut-Hirn-Schranke und geht in die Muttermilch über.[9][10]

Handelsnamen

Catapresan (A, D, CH), Haemiton (D), Isoglaucon (A, D), Paracefan (D)

Weblinks

Commons: Clonidin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 6. AUSGABE. Band 6.0–6.2, 2008.
  2. Mutschler, Geisslinger, Kroemer, Ruth, Schäfer-Korting: Mutschler Arzneimittelwirkungen. 9. Auflage, 2008, ISBN 978-3-8047-1952-1.
  3. a b c Eintrag zu Clonidine in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  4. a b Eintrag zu Clonidinhydrochlorid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 10. Februar 2017. (JavaScript erforderlich)
  5. Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) und andere Folgen von Traumatisierungen. psychiatriegespraech.de, abgerufen am 5. Juli 2012.
  6. Jutta M. Stoffers, Klaus Lieb: Pharmacotherapy for Borderline Personality Disorder—Current Evidence and Recent Trends. In: Current Psychiatry Reports. Band 17, Nr. 1, Januar 2015, S. 534, doi:10.1007/s11920-014-0534-0.
  7. E. Mutschler, M. Schäfer-Korting: Arzneimittelwirkungen - Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 7. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1996, ISBN 3-8047-1377-7; S. 294.
  8. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie - Therapie der Migräne (Memento des Originals vom 5. April 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.awmf.org, Stand 21. August 2015.
  9. Lexikon der Neurowissenschaft: Clonidin (aufgerufen am: 7. Sept. 2016).
  10. Arzneimittelfachinformation Catapresan: [1] (aufgerufen am: 7. Sept. 2016).

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